Medwedew-Vorstoß

Moskau: Pädophile mit Chemokeule kastrieren

Ausland
11.05.2011 10:46
Mehr als 2.500 Kinder haben Gewaltverbrecher in Russland allein im vergangenen Jahr getötet. Viele dieser Mädchen und Buben wurden Opfer von Kinderschändern. Deshalb will Russland Pädophile nun härter bestrafen - und auch kastrieren: chemisch mit triebmindernden Medikamenten. "Die Strafe sollte so hart wie möglich ausfallen", erklärte Kremlchef Dmitri Medwedew, der das Gesetz über die Kastration selbst unterschreiben will.

Dass sich Pädophile freiwillig zu dem Schritt entscheiden sollen, erwähnte Medwedew während einer Beratung über das russische Gerichtssystem nur in einem Nebensatz. "Ein liberaler Ansatz ist hier absolut unangebracht", betonte der Präsident laut der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti. "Diese Strafmaßnahme wird heftig in unserem Land diskutiert und in einer ganzen Reihe von entwickelten Staaten bereits angewandt." Bei der medikamentösen Form der Kastration werden die männlichen Sexualhormone blockiert oder ihre Produktion unterdrückt. Die Behandlung ist in der Regel rückgängig zu machen.

Der Generalstaatsanwalt reagierte mit dem Gesetzentwurf für die chemische Kastration auf die jährlich Tausenden Fälle, in denen Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren vergewaltigt werden. Laut Medwedew habe ein Ermittlungskomitee bereits Novellen konzipiert, um Kinder, die Opfer von Sexualverbrechen sind, zu schützen. "Wir begreifen, wie gefährlich diese Taten sind und was für fürchterliche Folgen sie nach sich ziehen. Angesichts der schrecklichen Verbrechen, die begangen werden, ist es unsere Pflicht, über diese Frage zumindest zu sprechen", so der Präsident. Er wolle den Ausgang dieser Diskussion auf keinen Fall vorausbestimmen, behalte sich jedoch "die endgültige Entscheidung" vor.

Kritiker befürchten Missbrauch des Gesetzes
Da Russland aber als korrupter Unrechtsstaat mit politischer Willkür gilt, was auch Medwedew einräumt, befürchten Juristen die Gefahr eines Missbrauchs des Kastrationsgesetzes. Ärzte warnen zudem davor, dass das desolate und chronisch unterfinanzierte Gesundheitssystem eigentlich gar nicht für solche Spezialbehandlungen ausgestattet sei.

Doch Kritiker der von breiten Schichten unterstützten Initiative haben es schwer. Sie bringen sich leicht in Verdacht, Kinder unnötig in Gefahr zu bringen, weil sie auch Verbrechern Menschenwürde zugestehen. Die sonst um Regierungskritik nicht verlegene Gesellschaftskammer Russlands und andere einflussreiche Gremien geben Medwedew jedenfalls Rückenwind.

"Das ist eine der effektiven Methoden, die Gesellschaft vor Pädophilen zu schützen", sagt der Menschenrechtsbeauftragte des Kreml, Michail Fedotow. Moskaus Kommentatoren verweisen wie auch Medwedew auf Deutschland und andere EU-Länder, in denen Sexualstraftäter sich freiwillig sexuell kaltstellen lassen. Die Kastrationsprogramme gäben ihnen die Aussicht, mit entsprechendem ärztlichem Attest doch irgendwann in Freiheit zu leben. Andernfalls drohe ihnen lebenslang Sicherungshaft.

Pädophile gelten in Gefängnissen als Freiwild
In Russland könnten sich Kinderschänder nach Meinung von Experten wohl leicht selbst für die Kastration entscheiden. Denn eine Freiheitsstrafe ist für sie doppelt hart. In den oft wie zu Zeiten des Sowjetdiktators Josef Stalin brutal geführten Gefängnissen und Straflagern gelten Pädophile als Freiwild. Die Haftstrafen zwischen acht und 15 Jahren überleben viele nicht. Immer wieder berichten Zeitungen, dass Mörder von Kinderschändern entweder mit geringen oder ohne Strafen davonkommen.

Kritiker werfen Präsident Medwedew vor, er verfolge mit der populistischen Jagd auf Pädophile politische Ziele mit Blick auf die Wahl 2012. "In der Gesellschaft blinden Zorn zu provozieren - das ist bei uns beliebt", kommentiert die kremlkritische Zeitung "Nowaja Gaseta". Wenn die Politik nun die "Pädophilen-Karte" spiele, wolle sie von den vielen anderen Problemen im Land ablenken und den angestauten Frust der Menschen in diese Richtung lenken.

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