Umstrittene Urteile

EU-Kommission leitet Verfahren gegen Polen ein

Ausland
22.12.2021 16:59

Wegen umstrittener Urteile des polnischen Verfassungsgerichts zum Status von EU-Recht geht die EU-Kommission rechtlich gegen Polen vor. Die Brüsseler Behörde leitete am Mittwoch ein Vertragsverletzungsverfahren ein, das mit einer weiteren Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und schließlich mit finanziellen Sanktionen gegen Warschau enden könnte. Die Kommission hat „ernste Bedenken“ hinsichtlich des polnischen Verfassungsgerichts und sieht Verstöße gegen das EU-Recht.

Die nationalkonservative Regierung und die EU-Kommission streiten seit Jahren über die Justizreformen des Landes. Schon jetzt hat die Brüsseler Behörde, die in der EU die Einhaltung von EU-Recht überwacht, mehrere Verfahren gegen Warschau eingeleitet und Klagen beim EuGH eingereicht. EU-Kommissionsvize Vera Jourova äußerte am Mittwoch den Wunsch, dass die polnische Regierung ihren Ansatz ernsthaft überdenken möge, so dass man im kommenden Jahr einen Weg finde, im Gespräch zu sein.

Nach Ansicht der EU-Kommission verstoßen die Urteile des Verfassungsgerichts unter anderem gegen den Vorrang und das Prinzip der einheitlichen Anwendung des EU-Rechts sowie gegen die bindende Wirkung von EuGH-Urteilen. Zudem äußerte die Brüsseler Behörde erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Verfassungsgerichts. Polen hat zwei Monate Zeit, um auf das Aufforderungsschreiben zu antworten.

Die Reaktionen am Mittwoch lassen allerdings wenig Bereitschaft dazu erkennen: „Die Europäische Kommission missversteht die Trennung zwischen den Zuständigkeiten der Staaten und den EU-Strukturen“, sagte Regierungschef Mateusz Morawiecki. Vize-Justizminister Sebastian Kaleta wurde deutlicher und sprach von einem „Angriff auf die polnische Verfassung und unsere Souveränität“.

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Die Europäische Kommission missversteht die Trennung zwischen den Zuständigkeiten der Staaten und den EU-Strukturen.

Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki

Brisanter Schritt
Der Schritt vom Mittwoch ist vor allem deshalb brisant, weil der Europäische Gerichtshof am Ende womöglich in eigener Sache urteilen müsste - darüber, ob EuGH-Urteile Vorrang vor denen des polnischen Verfassungsgerichts haben. Hinzu kommt, dass nationale Gerichte eigentlich ohne den Einfluss einer Regierung Entscheidungen treffen sollten. Allerdings betrachtet die EU-Kommission das polnische Verfassungsgericht ohnehin nicht mehr als Gericht, wie sie am Mittwoch klarstellte. Es gebe ernsthafte Zweifel an dessen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass das Gericht nicht rechtmäßig besetzt ist.

Hintergrund des neuen Verfahrens ist unter anderem ein Urteil des Verfassungsgerichts von Anfang Oktober, wonach Teile des EU-Rechts nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar sind. Bereits im Juli hatte das Gericht entschieden, dass die Anwendung einstweiliger EuGH-Verfügungen, die sich auf das Gerichtssystem des Landes beziehen, nicht mit Polens Verfassung vereinbar seien.

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