Prozess vertagt

Baby-Entführung – Verteidiger fordert neues Gutachten

Tirol
11.04.2011 16:01
Der Prozess gegen eine Tirolerin, die im Juni 2010 ein drei Monate altes Baby aus einem Salzburger Einkaufszentrum entführt hatte, ist am Montagnachmittag von einem Innsbrucker Schöffengericht auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Verteidiger Mathias Kapferer forderte eine Ergänzung des seiner Ansicht nach "schlampigen" Gutachtens der psychiatrischen Sachverständigen. Auch Staatsanwältin Renate Nötzold brachte Beweisanträge ein. Die 33-Jährige muss sich wegen der Kindesentziehung und eines Veruntreuungsdelikts vor einem Schöffensenat verantworten.

Staatsanwältin Nötzold verwies zum Prozessauftakt darauf, dass sich die Angeklagte "tatsachengeständig" zeigen werde. "Meine Mandantin wird geständig sein", bestätigte auch Verteidiger Mathias Kapferer. Im Zuge des Verfahrens wollte er allerdings die zum Tatzeitpunkt nicht gegebene Zurechnungsfähigkeit beweisen. Die 33-Jährige habe vor der Kindesentführung eine Fehlgeburt gehabt und an einer "posttraumatischen Störung" gelitten, erklärte Kapferer in seinem Eröffnungsplädoyer.

Entgegen einem psychiatrischen Erstgutachten nach der Festnahme in Bayern, dass die Beschuldigte an einer Wahnerkrankung und zum Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig gewesen sei, sah Gutachterin Karin Kramer-Reinstadler am Montag dann keine Beeinträchtigung gegeben. Sie habe aber den zuständigen Arzt nicht kontaktiert. Verteidiger Kapferer bezeichnete dies als "schlampige Arbeit" und beantragte die Ergänzung, die zur Vertagung führte.

"Gewusst, ich bin nicht mehr schwanger"
Unter Tränen hatte die 33-jährige Tirolerin bei ihrer Befragung vor Gericht am Vormittag die Kindesentführung geschildert. "Es ist schwierig für mich", sagte die schüchterne Frau. Sie sei nach der Fehlgeburt ihres Kindes unter Druck gestanden. "Obwohl ich nicht mehr schwanger war, habe ich mich normal auf die Geburt vorbereitet", erklärte die 33-Jährige Richter Markus Neyer. Sie kaufte ein Babybett, Kinderkleidung und Pflegeartikel.

Von den vielen glücklichen Frauen mit Kinderwagen habe sich umzingelt gefühlt. "Ich wollte auch dazugehören", sagte die Beschuldigte. Ihrem damaligen Lebensgefährten habe sie sogar per Brief ein Ultraschallbild und einen Mutterkind-Pass geschickt. Beides hatte sie zuvor aus dem Internet ausgedruckt und mit ihrem Namen versehen. "Ich wollte zum Kreis der Mütter gehören", begründete die Angeklagte auf die Frage von Staatsanwältin Renate Nötzold. Für sie gehöre ein Kind zum "Frau sein" dazu.

Spielpuppe statt Baby im Bett
Mit einer Spielpuppe habe sie sich auf das Kind vorbereitet. "Ich habe gewusst, ich bin nicht mehr schwanger. Aber ich habe es nicht akzeptiert", führte die 33-Jährige aus. Auch eine Lebensversicherung wollte sie für das "Ungeborene" abschließen.

Zeugen bezeichneten das Verhalten der Frau zum Teil als "suspekt". So schilderte eine Nachbarin, dass rund zwei Wochen vor der Entführung ein Plakat mit der Aufschrift "Willkommen zu Hause" an der Wohnungstür der Angeklagten angebracht gewesen sei. Auch ein Kinderwagen und ein Babysitz seien ab und zu vor der Wohnung gestanden. Einem Versicherungsvertreter habe sie von der Geburt durch einen Kaiserschnitt erzählt. Er habe aber bei einem Besuch der Frau eine Puppe im Kinderbett liegen sehen.

"Ich habe in dem Moment nur mehr das Kind gesehen"
Die Entführung selbst sei nicht geplant gewesen, sagte die Beschuldigte. Sie habe sich aber von Müttern mit Kleinkindern in die Enge getrieben gefühlt. Als sie das drei Monate alte Baby, die Enkelin von Ex-Skiweltmeister David Zwilling, alleine vor der Umkleidekabine stehen sah, während die Mutter Kleidung anprobierte, habe sie es aus dem Kinderwagen genommen. An weitere Details könne sie sich nicht mehr genau erinnern. "Ich habe in dem Moment nur mehr das Kind gesehen", sagte die Frau und gab an, dass sie nur das Wohl des Babys wollte.

Sie sei nach Hause nach Tirol gefahren, habe das Baby gewickelt, umgezogen und ihm zu trinken gegeben. Im Radio habe sie dann von der Kindesentführung gehört. "Ich wollte so schnell wie möglich nach Salzburg zurück, um das Kind zurückzugeben", schilderte die Beschuldigte. Während ihrer Fahrt zurück zum Einkaufszentrum habe sie aber Panik bekommen, dass im Moment der Unkonzentriertheit dem Baby bei einem Unfall etwas passieren könnte. Deshalb habe sie das Kind auf einem Geschäftsparkplatz in Bayern zurückgelassen.

Obwohl das Einkaufszentrum unmittelbar nach den Entführung abgeriegelt worden war, gelang der Frau damals die Flucht. Aufgrund der veröffentlichten Bilder aus der Überwachungskamera gingen jedoch bald Hinweise ein. Im Zuge der groß angelegten Fahndung wurde die Entführerin fünf Stunden später festgenommen. Das Baby konnte den Eltern unverletzt übergeben werden.

Angeklagte bekennt sich auch der Veruntreuung schuldig
In einem Aufwasch mit der Kindesentziehung wird in dem Verfahren auch die Anklage wegen Veruntreuung gegen die 33-Jährige prozessiert. Ihr wird vorgeworfen, Geld am Arbeitsplatz nicht in die Kasse eingezahlt, sondern für private Zwecke verbraucht zu haben. Auch darin erklärte sich die Frau für schuldig. Lediglich an der mit 158.000 Euro bezifferten veruntreuten Schadenssumme gegenüber einem ehemaligen Arbeitgeber - einem Reisebüro - zweifelt sie. "Diese angelastete Summe ist nicht greifbar für mich", meinte die wegen Vermögensdelikten bereits vorbestrafte Frau.

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