Geld in den Trümmern

Herrenlose Safes in Japan: Was tun mit den Millionen?

Ausland
11.04.2011 11:33
In der Parkgarage des Polizeihauptquartiers von Ofunato haben keine Autos mehr Platz. Aufgereiht wie Zinnsoldaten stehen darin Hunderte von Möbeltresoren und größeren Safes. Sie wurden in den letzten Wochen aus den Tsunami- und Erdbeben-Trümmern geborgen. Der Inhalt: kiloweise Bargeld, für dessen Hortung die Japaner berüchtigt sind. Die Besitzer auszuforschen, ist aber fast unmöglich. Immer mehr Erdbebenopfer fordern jetzt, die Tresore zu öffnen und das Geld für die Katastrophenhilfe zu verwenden.

Im Japanischen gibt es sogar einen eigenen Ausdruck für das Horten von Bargeld in Möbeltresoren: "Kleiderschrank-Sparbuch". Schätzungen zufolge horten die Sparer in Japan landesweit umgerechnet rund 300 Milliarden Euro in Yen-Bargeld in ihren Häusern. Wo hierzulande das alte Großmütterchen vielleicht ein zwanzig Jahre altes Sparbuch hinterm Kasten versteckt hat, bewahren speziell ältere Japaner tatsächlich Banknoten auf. Ein Drittel der je gedruckten 10.000-Yen-Noten ist nicht im Umlauf.

"Es ist nicht nur so, dass viele Japaner Banken nicht vertrauen und speziell ältere Leute den Umgang mit Geldautomaten als zu unpersönlich empfinden. In den letzten Jahren gab es durch die niedrigen Zinsen bei sicheren Sparformen auch keinen wirklichen Anreiz, sein Geld einer Bank anzuvertrauen", berichtet ein 67-jähriger Bankangestellter, der nach eigenen Angaben sein Leben "damit verbracht hat, alte Leute zum Sparen auf der Bank zu überreden".  

Safes stapeln sich in Polizeigarage
"Zuerst haben wir die Safes in unsere Beweismittelkammer eingesperrt", schildert der Polizeichef von Ofunato, Noriyoshi Goto, der Nachrichtenagentur AP. In seiner 42.000-Einwohner-Stadt wurden 3.500 Häuser zerstört, rund 300 Menschen starben. "Aber dann wurden es einfach zu viele und wir mussten sie in die Garage stellen." Eine genaue Zahl konnte Goto, dessen Mannschaft zahlreiche Such- und Bergetrupps für Einsätze im Katastrophengebiet stellt, nicht nennen. Es seien aber allein bei ihm "einige Hundert". In Kisten neben den Tresoren lagern Briefumschläge, in Plastik eingeschweißte Geldbündel und verschlossene Schatztruhen, die wohl ebenso Bargeld beinhalten.

Es sei schon sehr schwierig, bei einem Tresor einen Besitzer – sofern er die Naturkatastrophe vom 11. März überlebt hat - ausfindig zu machen. Bei den unbeschrifteten Geldpaketen sei es praktisch unmöglich. Trotzdem würden täglich, auch von ehrlichen Zivilisten, weitere Tresore und Geldfunde bei der Polizei abgeben. Gemäß der japanischen Gesetze muss Goto die Fundstücke drei Monate lang in Polizeigewahrsam behalten. Wenn sich bis dahin kein Besitzer gemeldet hat, der einwandfrei beweisen kann, dass Tresor oder Geldpaket ihm gehören – durch Fotos oder eine genaue Angabe des Inhalts, wobei Letzteres bei nur mit Bargeld gefüllten Tresors allein nicht reicht – kann der Finder Anspruch erheben. Tut er dies nicht, so geht das Fundstück in staatlichen Besitz über. Goto rechnet damit, dass sehr viele Safes im Staatsbesitz bleiben werden.

Gefundenes Geld für Wiederaufbau verwenden?
Während die Polizei nun überlegt, aktiv zu handeln und Tresore zu öffnen, um durch eventuelle Dokumente den Besitzer auszuforschen, kommen aus den Notunterkünften der Erdbebenopfer ganz andere Stimmen: Japanische Medien berichten, dass viele Überlebende fordern, man möge das Bargeld aus den Safes zum Wiederaufbau und für die Katastrophenhilfe verwenden. Bei dem Mega-Beben vom 11. März und dem anschließenden Tsunami starben wahrscheinlich fast 28.000 Menschen. Immer noch harren 150.000 Menschen in insgesamt 2.400 Notunterkünften im ganzen Land aus.

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