90 Prozent der Wiener 24-Stunden-Betreuerinnen kommen aus Osteuropa. Viele arbeiten in prekären Verhältnissen und erfahren wenig Wertschätzung. Die „Krone“ hat mit einer Betroffenen gesprochen.
Zu wenig Wertschätzung seitens der Politik und der Öffentlichkeit, seelische und körperliche Strapazen und eine zu geringe Entlohnung. Das sind nur einige der Punkte, die die 24-Stunden-Betreuerinnen laut einer Studie der Gewerkschaften vida und vidaflex kritisieren. 9063 selbstständige 24-Stunden-Kräfte gibt es in Wien. 90 Prozent von ihnen stammen aus Kroatien, Ungarn, Polen, Rumänien und der Slowakei.
Sprachbarrieren führen zu Knebelverträgen
Und da beginnen auch schon die ersten Probleme: „Man muss so viele Unterlagen unterschreiben, es gibt Steuerfragen, Klauseln. Das ist so schwer, wenn man die Sprache nicht gut kann“, weiß Betreuerin Snjezana Krachler. Sie fordert vor allem die Übersetzung ins Kroatische, da von dort die größte Gruppe der Betreuerinnen stammt.
„Die Agenturen geben oft falsche Informationen bezüglich der Unterbringung, der Rückzugsmöglichkeiten und der Anzahl der Bewohner im Haus weiter“, schildert Christoph Lipinski, Generalsekretär der vidaflex, der auch „Knebelverträge und ein permanentes Abhängigkeitsverhältnis“ kritisiert.
Snjezana Krachler hat als Betreuerin gute und schlechte Erfahrungen gemacht: „Ich habe bei einem Patienten gearbeitet und wusste nicht, dass auch sein Sohn dort wohnt“, erzählt sie. Doch das waren nicht die einzigen Missstände. Es gab zu wenig Essen, einmal wollte man ihr zur „Strafe“ sogar den Fernseher wegnehmen. „Nach 13 Tagen bin ich gegangen“, sagt Krachler.
Wenn die Betreuerinnen aus Osteuropa nicht mehr kommen, bricht das ganze System in Österreich zusammen.
Snjezana Krachler (59)
„Viele sehen uns als billige Dienstmädchen“
Solche Bedingungen sind keine Einzelfälle, sondern stehen an der Tagesordnung. „Oft müssen wir für die ganze Familie kochen, uns um den Garten kümmern. Viele sehen uns als billige Dienstmädchen für alles“, kritisiert die 59-Jährige. Auch die geleistete Arbeit wird nicht von allen geschätzt. Ganz zu schweigen von der Entlohnung, die zwischen 20 und 70 Euro pro Tag liegt.
Anstrengende Tätigkeit
„Die Arbeit ist eine psychische und physische Maximalbelastung. Vor allem, wenn man sich etwa um Demenzkranke kümmert“, beschreibt die Kroatin. Denn als 24-Stunden-Betreuerin ist man zwischen zwei Wochen und zwei Monaten am Stück bei seinem Klienten. „Auch das Heimweh macht vielen zu schaffen“, weiß sie.
Die Gewerkschaft fordert vor allem Entwicklungen bei der Entlohnung. Auch Haftungsfragen müssten geklärt werden, wenn etwa eine Betreuerin erkrankt, sagt Lipinski, und: „Wir fühlen uns von der Regierung im Stich gelassen.“
Das ist der durchschnittliche Tageslohn einer 24-Stunden-Betreuerin. Um diesen zu erhöhen, fordert die Gewerkschaft die Anhebung des Pflegegeldes.
„24 Stunden kann niemand arbeiten“
Die Probleme, die 24-Stunden-Betreuer betreffen, sind breit gefächert. Christoph Lipinski, Generalsekretär der Gewerkschaft vidaflex, fordert nachhaltige Verbesserungen.
„Krone“: Was läuft bei der 24-Stunden-Betreuung falsch?
Christoph Lipinski: Es beginnt schon bei der Bezeichnung. 24 Stunden kann niemand arbeiten, man muss schlafen, essen. Hier wird von Agenturen etwas suggeriert, das in der Praxis unmöglich ist.
Gibt es viele „schwarze Schafe“ bei den Agenturen?
Sagen wir so: Es gibt ein freiwilliges Qualitätszertifikat, das aber weniger als zehn Prozent der Agenturen durchführen lassen.
Wir fühlen uns von der Regierung im Stich gelassen.
Christoph Lipinski, Generalsekretär der vidaflex
Was sind die größten Problemfelder?
Da gibt es viele. Es wird immer nur über die Betreuer gesprochen, aber nie mit ihnen. Verträge werden nicht in die Muttersprache übersetzt, es gibt falsche Informationen über den Arbeitsplatz vorab. Und die Finanzierung der Betreuungskräfte sollte nicht auf dem Einzelnen lasten.
Sind Sie für eine Impfpflicht?
Wir sind für eine hohe Impfquote. Aber für Aufklärung, Freiwilligkeit und niederschwellige Angebote.
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