Doch kein Gruppensex

“Flirt-Gewitter”: Viel Aufregung um wenig Erregung

Spiele
11.04.2011 10:18
"Okay, Freunde, wer von euch hat Lust auf Gruppensex und Partnertausch?", frage ich in die Runde. Betretenes Schweigen. Irgendwie hatte ich mir meinen virtuellen Spieleabend mit Ubisofts "Flirt-Gewitter" dann doch unterhaltsamer vorgestellt. So bleibt mir eben wieder einmal nichts anderes übrig, als alleine selbst Hand anzulegen – an den Controller.

Sex und Videospiele, das passt irgendwie nicht so recht zusammen. Warum, das weiß eigentlich keiner so genau. Während der Beischlaf in Literatur, Film und auch Musik teils ausgiebig thematisiert wird, ist die virtuelle Unterhaltung auf PC und Konsole über die Jahre weitgehend kopulationsfrei geblieben.

Als sich im Quellcode von "GTA San Andreas" Sex-Szenen versteckten, welche Nutzer mittels Cheat freischalten konnten (die sogenannte "Hot Coffee"-Modifikation), hätte Rockstar dies im Sommer 2005 beinahe vor Gericht gebüßt. Schlussendlich einigte sich der Entwickler mit der Federal Trade Commission in den USA, fragwürdige Inhalte in künftigen Games zu vermeiden. Da war das Spiel in einigen Ländern allerdings bereits aus den Ladenregalen verschwunden.

Proteste hagelte es auch, erneut vorwiegend in den USA, als bekannt wurde, dass es in EAs SciFi-Rollenspiel "Mass Effect" zum Liebesspiel zwischen Captain und Crew kommt. Nachdem der US-Nachrichtensender Fox News unter der Schlagzeile "New video game shows full digital nudity and sex" darüber berichtet hatte, sah sich der Publisher gezwungen, die Szenen zu entschärfen.

Wohl auch deshalb kopulierte Larry, Schwerenöter aus Sierras Adventure-Reihe "Leisure Suit Harry", bereits 1987 in seinem ersten Abenteuer unter einem schwarzen "Censored"-Balken mit einer Dame des horizontalen Gewerbes. Kurzum: Mit Ausnahme einiger barbusiger Amazonen in Rollenspielen oder wippenden Brüsten beim Beachvolleyball-Spiel mit den Girls von "Dead or Alive" sind nackte Tatsachen in Games eher selten.

Werbespot wirbt mit Gruppensex und Partnertausch
Als Ubisoft daher Anfang März mit "Flirt-Gewitter" ein "pikantes Partyspiel" ankündigte, das "prickelnde Stimmung vor den Fersehgeräten" versprach, gingen die Wogen dementsprechend hoch. Vor allem ein Werbespot (siehe Infobox), in dem zwei gut gelaunte Pärchen sich zunächst aller Hemmungen und schließlich ihrer Kleidung entledigten, um dann dem Partnertausch zu frönen, sorgte für Aufregung. In den USA und Großbritannien wurde das Spiel daraufhin erst gar nicht veröffentlicht.

Bereits der Anblick der Verpackung dürfte den Moralhütern zu viel gewesen sein. Darauf zu sehen: ein rosa Sessel, auf dem relativ achtlos eine Krawatte, ein BH sowie ein paar Handschellen – dank Plüschüberzug ebenfalls rosa - abgelegt wurden. Direkt links daneben prangt allerdings die Alterskennzeichnung, und die gibt nach Prüfung durch die jeweiligen Prüfanstalten an, dass das Spiel für Kinder ab zwölf Jahren geeignet ist. Viel Lärm um nichts also und alles bloß Etikettenschwindel?

Viel Aufregung um wenig Erregung
Fakt ist: "Flirt-Gewitter" bemüht sich zwar redlich, erotische Stimmung aufkommen zu lassen, hat aber keinerlei sexuellen Darstellungen zum Inhalt und animiert schon gar nicht zum fröhlichen Swingen. Was unter dem Einfluss von Alkohol stehende Spieler daraus machen, ist freilich eine andere Frage, dies Ubisoft anzulasten wäre allerdings verkehrt.

Fakt ist allerdings auch, dass der französische Publisher durch seinen Werbespot möglicherweise Erwartungen weckt, die nicht erfüllt werden. Denn "Flirt-Gewitter" ist nichts weiter als ein Sammelsurium harmloser Mini-Spiele. Geboten werden vornehmlich Quiz-Fragen zu gewöhnlichen Allerweltsthemen wie Film und Musik, kleinere Geschicklichkeitsspiele sowie eine Menge Tanzeinlagen, bei denen Wii- und PlayStation-Move-Gamer zur rechten Zeit die rechten Gesten nachahmen müssen.

100 Millionen Geschlechtsakte und ein bisschen Elefantenkot
Um den Erwartungen zumindest ein wenig gerecht zu werden, erfährt man beispielsweise während der Ladezeiten, dass die alten Ägypter schon im Jahre 2.000 vor Christus Krokodil- und Elefantenkot als Verhütungsmittel nutzten oder dass pro Tag schätzungsweise 100 Millionen Geschlechtsakte stattfinden. Und auch die zuvor erstellten Avatare wackeln erstaunlich aufreizend mit ihren virtuellen Hüften – zumindest die weiblichen. Die eigentliche "Erotik" soll sich jedoch abspielen, wenn zur Absolvierung eines Mini-Games ein menschlicher Partner vonnöten ist – der wird dann allerdings zuvor gefragt, ob er dabei überhaupt mitmachen möchte. Verneint der Aufgeforderte dies, gibt es Punkteabzug.

Zum Anbeißen verführerisch
Die Panik ist allerdings verfrüht, denn selbst Zwölfjährige dürften bei dem, was nun folgt, eher gelangweilt gähnen als in hemmungslose Ekstase zu verfallen. Die Disziplin "Sturm der Liebe" verlangt dem spielenden Paar etwa ab, sich einen Motion-Controller zwischen die Oberkörper zu klemmen und diese anschließend möglichst gemeinsam zu verbiegen, um dadurch einem virtuellen Regenschauer zu entgehen. Im Spiel "Paradiesapfel" hingegen gilt es, gleich einem Apfel am Motion-Controller zu "knabbern": Beide Spieler müssen dreimal hintereinander mittels Mund und/oder Nase die Move-Taste bzw. den Trigger des Controllers auf der Rückseite berühren – und sich dadurch näher kommen. So ändern sich die Zeiten eben: Früher hätte man für derlei Kennlernspiele eine Orange oder ein Soletti genommen.

Am Ende einer jeden Runde, die wahlweise 30, 45 oder 60 Minuten dauert und dementsprechend mal mehr, mal weniger Disziplinen umfasst, wird ein Sieger gekürt. Darüber hinaus werden neue Kleidungsstücke für die Avatare freigeschaltet. Das vielleicht Wichtigste aber sind die Weissagungen, die das durchaus ansprechend gestaltete Spiel anhand zuvor gestellter Fragen zur Psyche der Spieler erstellt: "Kämpft nicht mehr dagegen an, ihr passt nun mal perfekt zusammen", heißt es da etwa. Die Ironie kommt allerdings – wie so oft - zum Schluss: Wer niemanden zum Flirten hat, kann das "Flirt-Gewitter" auch alleine über sich ergehen lassen.

Fazit: "Flirt-Gewitter" ist die Aufregung nicht wert, geschweige denn eine Erregung. Wer auf Unterstützung bei der Bildung eines flotten Vierers hofft, wird enttäuscht, denn unterm Strich ist "Flirt-Gewitter" nicht mehr als ein nett gemachtes Partygame, das bereits hinlänglich bekannte Spielelemente (Quiz, Tanz, etc.) unter dem Deckmantel der nicht vorhandenen Erotik vereint. Ob das Spiel deshalb gleich auf dem nächsten Kindergeburtstag zum Einsatz kommen sollte, müssen Eltern für sich selbst entscheiden. Deutlich günstiger geht das Flirten jedenfalls mit einer Packung Soletti.

Plattform: PS3 (getestet), Wii
Publisher: Ubisoft
krone.at-Wertung: 6/10

von Sebastian Räuchle

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