100. Geburtstag

Erinnerungen an den Tiroler Volksbischof Stecher

Tirol
11.10.2021 19:00

Im Dezember wäre Bischof Reinhold Stecher 100 Jahre alt geworden. Besuch bei Inge und Paul Ladurner, engste Vertraute des 2013 verstorbenen Tiroler Volksbischofs. Ein Gespräch über Heiterkeit, Stechers Ringen mit dem Bischofsamt und seine schwierigste Mission.  

Berge, Wasserfälle, dazwischen eine kleine Kapelle – und über allem das sanfte Licht der Hoffnung. Wer die Ladurners besucht, sieht sich von Reinhold-Stecher-Kunstwerken umgeben. „Mit der Mappe unterm Arm ist er oft gekommen, hat seine neuen Aquarelle aufgestellt und sie kommentarlos einfach einmal wirken lassen“, erinnert sich Paul Ladurner gut an das Ritual. Malen, das war dem Bischof Meditation, Kraftquelle, Gebet. Den Anstoß gab Freund Paul: „Als ich ihm den Malkasten brachte, wirkte er nicht wirklich begeistert.“ Sein Gespür sollte Ladurner jedoch nicht trügen. Ehefrau Inge wird die „kindliche Freude“ niemals vergessen, als Stecher die ersten Entwürfe mitbrachte.

Loslassen, wenn es dem guten Zweck dient
Heute verwalten die Ladurners den umfangreichen Nachlass des Bischofs. Und sie halten es wie er – lassen gerne Bilder los, wenn es einem guten Zweck dient. „Reinhold hat den Leuten einen Erlagschein in die Hand gedrückt und gesagt: Zahlt, was ihr meint.“ Und das war über die Jahre nicht wenig. Stecher konnte mit seinen Kunstwerken viel Gutes bewirken.

Aber nicht nur damit. Stechers noch größere Begabung war das Wort. Seine Kunst im Umgang mit der Sprache. Zum 100. Geburtstag hat Paul Ladurner beim Tyrolia-Verlag das Lesebuch „Herz ist Trumpf“ mit einigen der schönsten Texte des 2013 verstorbenen Kirchenmannes herausgegeben. „Das hat er können - spontan ein Gedicht formulieren“, konstatiert Paul Ladurner und rezitiert dann die „Lyrik auf der Seceda“, entstanden bei einer der letzten gemeinsamen Wanderungen in Südtirol. Ein Abschiedsgedicht: Melancholisch - und dennoch heiter. Typisch für ihn, findet sein Freund: „Eine Essenz seines Wesens. Ernst, zugleich aber humorvoll und selbstironisch.“

„Reinhold wollte nicht an der Spitze stehen“
Ob gläubig oder ungläubig: Von Stechers Charisma und Humor schwärmen jene, die ihn gekannt haben, heute noch. Beeindruckt hat aber vor allem – wie seine Wegbegleiter es beschreiben – „seine Liebe für die Ausgegrenzten und sein Mut, sich für sie einzusetzen“. Die Ladurners wissen aber auch, dass Stecher am Anfang ein Bischof wider Willen war. „Er wollte nicht an der Spitze stehen. Er wollte ein ganz normaler Priester sein. Nach Ruhm und Bekanntheit hat er nie gestrebt.“ Kirchenvolk, Klerus und die Freunde haben ihn schließlich zur Annahme des Amtes gedrängt. Es war klar, dass kaum ein besserer zu finden sein würde. Bei einer Begegnung drückte es ein Bauer prosaisch aus: „Sei g’scheit, nimm’s decht o. Sonst nehmen s’ am End an ondern Deppen.“

Keine Scheu vor Kritik an der Amtskirche
Einfach hat es Reinhold Stecher der Amtskirche nie gemacht. Er war ein kritischer Geist – und sprach Missstände offen an. „Mangelnde Barmherzigkeit“ warf er einmal in einem Brief an den Vatikan den Würdenträgern in Rom vor. Auch die Sexualmoral der katholischen Kirche brachte ihn in Rage. „Manchmal tun sie so, als stünde Gott wie ein Polizist vor jeder Schlafzimmertür“, klingen den Freunden Stechers Worte noch im Ohr. „Er hat immer gesagt: Gott ist ja kein Buchhalter, der abrechnet. Über solche verbogenen Bilder konnte er sich aufregen.“

Morddrohungen für Verbot von Anderl-Kult
Weit über die Grenzen Tirols hinaus erlangte Stecher für sein bischöfliches Verbot des antisemitischen Anderl-Kults in Rinn Bekanntheit. „Dafür hat er sogar Morddrohungen erhalten“, erinnert sich Paul Ladurner. Mehr als 600 Briefe habe er selbst beantwortet, ergänzt seine Frau. Er habe den Diskurs nie gescheut, „auch wenn Vertreter dieses absurden Kults im Club 2 über ihn hergefallen sind“. Die Ladurners sind überzeugt: Diese Auseinandersetzung hat das Tiroler Kirchenoberhaupt in seiner Überzeugung und Überzeugungskraft gestärkt.

Was wird bleiben vom Volksbischof? Viele junge Menschen in Tirol haben ihn gar nicht mehr erlebt. Die Ladurners sehen das Licht seines Wirkens zumindest indirekt auch in Zukunft leuchten. „Er war ein Hoffnungsträger, ein Träger der Zuversicht. Er konnte die Menschenfreundlichkeit Gottes vorstellbar machen.“

Im Hause Ladurner bleibt der Freund ohnehin unvergessen. Bei seinem letzten Besuch brachte er ein Aquarell vom Höttinger Bild im Schnee mit. Als ihn Inge darauf ansprach, meinte er nur: „Ach, das lasse ich jetzt da.“ Und dann ging er.

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