Gase, Hitze, Gefahr

Wie gefährlich ist ein E-Auto-Brand im Tunnel?

Motor
07.10.2021 13:28

Bilder von brennenden Elektroautos machen immer wieder die Runde und verunsichern Autofahrer. In Deutschland wurden bereits einzelne Tiefgaragen wegen der im Fall eines Feuers hohen Brandlast für E-Autos gesperrt. Die TU Graz hat nun in Brandversuchen ermittelt, wie brandsicher österreichische Tunnels in einem solchen Fall sind.

(Bild: kmm)

Tunnelanlagen werden auch von immer mehr Elektroautos benutzt. Dadurch steigt die Gefahr, dass auch eines während der Durchfahrt zu brennen beginnt - nicht weil E-Autos besonders oft brennen, sondern einfach weil es mehr werden. Und im Fall des Falles gehen von Stromern andere Gefahren aus als von Verbrennern.

Was passiert, wenn die Batterie eines E-Fahrzeugs Feuer fängt? Wie heiß wird es, welche Gase entstehen und welchen Risiken sind Einsatzkräfte oder andere Menschen, die sich im Tunnel aufhalten, ausgesetzt? Im Tunnelforschungszentrum „Zentrum am Berg“ der Montanuniversität Leoben haben Experten unter Federführung der TU Graz mithilfe von Brandexperimenten im Großversuch die Auswirkungen von Bränden von E-Fahrzeugen auf die Sicherheit von Tunnelbenutzern und die -infrastruktur untersucht.

Die Forschenden haben dazu Batteriemodule wie auch drei mit Lithium-Ionen-Batterietechnologie betriebene und zwei dieselbetriebene Pkw und Kleintransporter im Testtunnel in Brand gesetzt. Nach einer Brandzeit von zehn Minuten wurden die Löschversuche gestartet.

Österreichische Tunnels sind fit genug
Die gute Nachricht nach den experimentellen und numerischen Untersuchungen, an denen Experten der TU Graz, die Montanuni Leoben, des Bundesfeuerwehrverbands und von ILF Consulting Engineers Austria beteiligt waren: Das Gefahrenpotenzial ist nicht wesentlich kritischer zu bewerten als bei Bränden von Pkw mit herkömmlichen Verbrennungskraftmotoren. „Österreichische Tunnelanlagen sind fit genug für die Herausforderungen, die mit brennenden E-Fahrzeugen einhergehen“, hält Peter Sturm vom Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der TU Graz fest.

Die von mehr als 30 Sensoren gemessene Wärmefreisetzung der brennenden E-Fahrzeuge im Tunnel war mit 6 bis 7 Megawatt etwas höher als bei dieselbetriebenen Vergleichsfahrzeugen (5 MW). Das bringt laut den Experten jedoch keine neuen Risiken oder Gefahren mit sich. Die Brandlast eines konventionellen Lkw liege zum Vergleich bei etwa 30 MW. „Es wird beim Brand der E-Fahrzeuge zwar etwas heißer, aber dadurch nicht grundlegend gefährlicher im Tunnel. Die gemessenen Temperaturen im Fluchtbereich liegen für alle Brandversuche unterhalb der 60-Grad-Grenze. Das ist zwar keine angenehme Temperatur, aber Flucht und Brandbekämpfung sind noch möglich“, fasst Sturm zusammen.

Geringe Gefahr durch giftige Gase
Bei einem Brand entstehen gefährliche Gase, insbesondere Fluorwasserstoff und Kohlenmonoxid. „Allerdings führt die thermisch bedingte Rauchgasschichtung im Tunnel dazu, dass sich diese hoch konzentrierten Brandgase überwiegend in oberen Bereichen des Tunnels sammeln und damit außerhalb des für Menschen relevanten Bereichs. Das heißt, die Fluchtwege sind nicht davon betroffen“, erklärte der Fachmann.

Keine Entwarnung für Parkgaragen
Die Belüftungssysteme haben laut Sturm einen großen Anteil am vergleichsweisen geringen Risiko in den Straßentunnelanlagen: „Die gibt es zum Beispiel in Parkgaragen nicht oder zumindest nicht in vergleichbarem Ausmaß. Das bedeutet, Brände von E-Fahrzeugen in Garagen stehen gefahrentechnisch auf einem anderen Blatt Papier und müssten dringend genauer untersucht werden. Unsere Messergebnisse deuten jedenfalls auf ein ernstzunehmendes Gefahrenpotenzial hin“, warnt der Grazer Forscher.

Antriebsart macht teilweise einen Unterschied
Die Antriebsart des brennenden Fahrzeugs mache nur in Bezug auf Schäden an Struktur und Materialien des Tunnels laut den Experten keinen relevanten Unterschied: Betonschäden durch Abplatzungen seien bei Bränden von Nutzfahrzeugen bei beiden Fahrzeugkategorien zu erwarten. Das Schadensbild falle in etwa gleich aus.

Unter den Löschmethoden funktionierte die Brandbekämpfung mit Wasser am besten. „Allerdings zeigen die Erfahrungen, dass sich bei Lithium-Ionen-Akkus ein Löscherfolg erst dann einstellt, wenn das Wasser das Innere der Batterie erreichen kann“, so Stefan Krausbar vom Österreichischen Bundesfeuerwehrverband. Jedenfalls würden sich Löschdauer und Löschmittelbedarf erhöhen. Der Einsatz von Löschlanzen habe sich als effektiv erwiesen, allerdings müssen die Einsatzkräfte dafür speziell geschult werden. Das Löschwasser war nach der Verwendung höher mit Schwermetallen belastet - vor allem mit Nickel. Damit steigen die Kosten in der Entsorgung, wie Günter Rattei von der Asfinag ausführt.

„Weitere Tests dringend notwendig“
Projektleiter Sturm betonte die Wichtigkeit von weiteren Untersuchungen: Die Brandauswirkungen von batterieelektrisch betriebenen Nutzfahrzeugen - Bussen und Lkw - habe man nur mittels numerischer Simulation basierend auf Annahmen zur Brandentwicklung, -dauer und Schadstofffreisetzung hochskaliert. Umfassende Brandexperimente im Großversuch würden die Aussagegüte daher deutlich verbessern. Selbiges gelte für die konkrete Gefahrenlage bei E-Fahrzeugbränden in Parkgaragen. „Bei aller Freude über den Vormarsch alternativer Antriebssysteme dürfen solche sicherheitsrelevanten ‘Hausaufgaben‘ nicht vernachlässigt werden.“

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(Bild: kmm)



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