WK-Präsident Walser

„Noch einen Lockdown darf es nicht geben!“

Tirol
01.08.2021 15:00

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Walser warnt vor Corona-Hysterie, Pandemie-Leugnern, erneutem Zusperren und finanzkräftigen, ausländischen Investoren, die nach der Krise auf Einkaufstour gehen. Einen nachhaltigen Schaden für Tirols Tourismus sieht er nicht.

„Krone“: Herr Präsident, die globale Wirtschaft scheint sich zu erholen. Auch in Tirol?
Walser: Ein Aufwärtstrend nach der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg ist auch bei uns erkennbar. Die Stimmung hat sich deutlich verbessert und die Prognosen sind gut. Trotzdem darf man nicht verkennen, dass wir noch lange mit der Aufarbeitung der Covid-Krise befasst sein werden. Und nicht zuletzt müssen wir alles tun, um keine weiteren Lockdowns, Rote-Listen für Urlaubsländer oder ähnliche existenzbedrohende Szenarien zu riskieren.

Wie soll Tirol aus Ihrer Sicht mit einer möglichen vierten Welle umgehen?
Diese Aufzählung von Wellen ist nur ein Teil der Wahrheit. Faktum ist, dass Europa die Fehler der letzten Monate nicht wiederholen darf. Ein kompletter Lockdown zum Beispiel der Tourismus- und Gastwirtschaft darf sich nicht wiederholen. Die Schweiz hat uns gezeigt, dass es im letzten Winter – sogar ohne Impfung – funktioniert hat. Und das bei keinen schlechteren Inzidenzen als bei uns. Nur hatten bei uns die Seilbahnen ein Minus von 95 Prozent zu verkraften und die Schweizer Bergbahnen zwischen 40 und 50 Prozent.

Wie soll man agieren?
Wenn wir die Impfinitiative weiter vorantreiben, bei Clustern rasch reagieren und bestimmte Regeln einhalten, kann unsere Gesellschaft wieder funktionieren. Zustände wie in Großbritannien, mit leeren Regalen und massiven Problemen, weil zu viele Menschen isoliert wurden, müssen wir mit aller Kraft verhindern. Ich halte wenig von Hysterie und noch weniger von Menschen, die die Thematik ganz verleugnen. Aber wir dürfen uns nicht zu Geiseln von Zahlen und Tabellen machen. Damit riskieren wir kollektive Neurosen – das schadet am Ende allen!

Wo gilt es anzusetzen, um die Wirtschaft in Tirol zukunftsfit zu machen?
Wie bei jeder Krise gibt es auch Gewinner und es gibt eine Reihe von finanzstarken Investoren, die nur darauf warten auf Einkaufstour zu gehen. Wir aber sind dazu aufgerufen, trotz freier Marktwirtschaft einen Ausverkauf unseres Landes und der wertvollsten Ressourcen zu verhindern. Unser Kulturraum, Wohnraum und auch das Tiroler Hochgebirge sind einzigartig und nicht austauschbar. Dasselbe gilt für unser immaterielles Landeserbe. Tirol darf nicht zum Spekulationsobjekt werden, sondern muss für die Tiroler ein Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsraum bleiben.

Sehen Sie einen Imageschaden nach den ganzen Verstrickungen von Tirol in die Corona-Krise?
Nein, zumindest keinen nachhaltig wirkenden. Tirol hat vor der Krise Maßstäbe gesetzt und wird dies auch in Zukunft tun, wenn es um verträglichen Tourismus geht, der letztlich auch den Bewohnern zugute kommt. Wir sind ein Wirtschaftsraum, der familiär strukturiert ist. Als Familie – egal ob im Tourismus oder in der Industrie – denkt man in Generationen und nicht in Quartalsergebnissen. Dieses Asset gilt es bedachtsam zu bewahren und gegebenenfalls zu verteidigen.

Dennoch stehen viele Menschen wirtschaftlichen Entwicklungen und besonders dem Tourismus in Tirol skeptisch gegenüber.
Das ist wahr, wobei man feststellen muss, dass speziell in den touristisch aktiven und erfolgreichen Regionen die Menschen sehr wohl wissen, dass die Tourismuswirtschaft absolut alternativlos ist.

Wie sehen Sie die Performance der VP-Koalitionen in Bund und Land?
Beide Koalitionen waren Experimente – und mehr oder weniger alternativlos. Besonders den Grünen ist es dabei oft schwer gefallen, ihrer Basis zu vermitteln, dass man „nur“ Juniorpartner ist. Was man aktuell auch an der Diskussion über bereits ausreichend diskutierte Straßenbauvorhaben sieht. Hier teile ich die Meinung von Kanzler Kurz: Die Energie- und Mobilitätswende muss Chancen eröffnen und nicht nur aus Rückschritten und Limits bestehen. Ohne Individualverkehr – auch wenn dieser mit E-Mobilen stattfindet – wird es bei uns nicht gehen.

Sehen Sie die Tourismusagenden bei LH Günther Platter in guten Händen?
Der Landeshauptmann hat den Tourismus zur Chefsache erklärt. Das ist gut so und dabei hat Günther Platter natürlich auch unsere volle Unterstützung.

Wie ist Ihr Verhältnis zum neuen Wirtschaftslandesrat Anton Mattle?
Ich kenne Toni Mattle seit Jahren – immerhin waren wir ja auch schon Bürgermeisterkollegen! Ich schätze ihn und uns verbindet eine freundschaftliche Beziehung, die weit über eine einfache Arbeitsebene hinaus geht. Ihn in dieser Phase zu wählen, war eine gute und richtige Entscheidung!

Aber Sie wollten doch selber auch Landesrat werden?
Ich bin gerne WK-Präsident und nach zweieinhalb Jahren auch nicht amtsmüde! Hier geht es nicht um ein „Wollen“ – sondern um die generelle Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Dass ich diese Bereitschaft habe, sieht man an meiner aktuellen Position und am Faktum, dass ich erneut antreten werde, um in meiner Heimatgemeinde Thaur Bürgermeister zu bleiben!

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