Lage spitzt sich zu

Tunesien: Ausgangssperre bis 27. August ausgerufen

Ausland
26.07.2021 21:23

Tunesiens Präsident Kais Saied hat nach der Entmachtung der Regierung eine abendliche Ausgangssperre ausgerufen. Diese gelte ab sofort bis zum 27. August von 19.00 Uhr bis 06.00 Uhr, hieß es am Montag in einer Erklärung des Präsidialamts auf Facebook. Ausnahmen gebe es nur für dringende medizinische Notfälle und Nachtarbeiter. Zudem dürften sich nicht mehr als drei Menschen in der Öffentlichkeit treffen.

In einem Video wies Saied Vorwürfe eines Putsches zurück. Er hatte am Sonntag überraschend Ministerpräsident Hichem Mechichi entmachtet und das Parlament kaltgestellt. Auch die Minister für Justiz und Verteidigung wurden entlassen. Saied habe am Montag einen entsprechenden Erlass verabschiedet, teilte das Präsidialamt mit. Damit müssen Verteidigungsminister Ibrahim Bartaji und die amtierende Justizministerin Hasna Ben Slimane ihren Posten räumen. Am Montag war es zu Straßenschlachten gekommen.

USA besorgt
Die US-Regierung äußerte sich indes angesichts der Zuspitzung der politischen Situation in Tunesien „besorgt“. Es gebe Gespräche des Weißen Hauses und des Außenministeriums mit tunesischen Politikern, „um mehr über die Lage zu erfahren, zu Besonnenheit zu mahnen und tunesische Bemühungen zu unterstützen, entlang demokratischer Prinzipien fortzufahren“, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, am Montag. In den vergangenen 24 Stunden sei in Tunesien viel passiert, sagte Psaki. Sie antwortete dabei nicht direkt auf die Frage, ob die US-Regierung das Vorgehen in Tunesien als „Putsch“ betrachte. Eine solche „rechtliche Feststellung“ müsse vom Außenministerium kommen, erklärte sie. Es gebe noch keine dahin gehende Schlussfolgerung.

Machtkampf
In dem Maghrebstaat liefert sich Saied seit Monaten einen Machtkampf mit der islamisch-konservativen Ennahda-Partei. Diese ist stärkste Kraft im Parlament, in breiten Teilen der Bevölkerung aber unbeliebt. Saied streitet mit dem nun abgesetzten Mechichi sowie mit Parlamentspräsident und Ennahda-Chef Rached Ghannouchi darüber, wie die Macht zwischen Präsident, Regierung und Parlament verteilt werden soll. Zuvor hatte Saied etwa die Ernennung von Ministern blockiert und angedeutet, dass er seine Macht ausbauen will.

„Keinen einzigen Tropfen Blut vergießen“
Der überraschende Zug Saieds trieb seine Unterstützer in der Nacht trotz einer Corona-Ausgangssperre zu Jubelfeiern auf die Straße. Sie zündeten laut Augenzeugen Leuchtfeuer und Feuerwerk, hupten in Autos, schwenkten Fahnen und sangen die Nationalhymne. Teils waren auf Videos Militärfahrzeuge zu sehen, die durch klatschende Gruppen von Tunesiern fuhren. Der seit 2019 amtierende Saied zeigte sich dort in der Nacht kurz und versicherte, es handle sich um keinen „Putsch“ und er wolle „keinen einzigen Tropfen Blut vergießen“. Gewalt werde aber umgehend mit Gewalt der Sicherheitskräfte beantwortet.

Büro von Al-Jazeera geräumt
Wie sich die Lage weiter entwickelt, bleibt abzuwarten. Am Montag schien Saied die Übernahme der Regierungsgeschäfte mit Hilfe des Militärs sichern zu wollen. Soldaten umstellten das Parlament sowie Gebäude der Regierung und des Staatsfernsehens in der Hauptstadt Tunis. Dort räumte die Polizei auch das Büro des TV-Senders Al-Jazeera - ohne Durchsuchungsbefehl, wie der Sender berichtete. Dem von Katar finanzierten Nachrichtenkanal wird vorgeworfen, Islamisten zu viel Raum zu geben.

Das Parlamentsgebäude in Tunis wurde noch am Abend geschlossen und von Sicherheitskräften umstellt. Diese hielten in der Nacht auch Parlamentspräsident Ghannouchi davon ab, das Gebäude zu betreten. Aufgebrachte Demonstranten und Ennahda-Anhänger zogen am Montag dorthin, forderten Zugang und eine „Umkehrung des Staatsstreichs“. Einige versuchten, über das Tor zu klettern, hinter dem ein gepanzertes Militärfahrzeug geparkt war. Laut Augenzeugen kam es auch zu Rangeleien zwischen Demonstranten und Unterstützern Saieds. Teils gab es Berichte über Angriffe auf Parteibüros der Ennahda.

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