"Tag des Abschieds"

Aufstand in Ägypten am Freitag mit neuem Höhepunkt

Ausland
04.02.2011 15:59
Der Volksaufstand in Ägypten hat am Freitag auf einen neuen Höhepunkt erreicht: Zehntausende Demonstranten versammelten sich erneut auf dem Tahrir-Platz in Kairo und trotzten dort allen Beschwichtigungsversuchen. Vertreter der Regierung wurden mit lauten Buhrufen verscheucht, Parolen wie "Nieder mit Mubarak, nieder mit dem Regime!" wurden mit gehängten Puppen untermauert. Die Übergriffe der Mubarak-Schlägertruppen auf Demonstranten und Ausländer halten indes weiterhin an. Politischer Druck auf die Machthaber kommt aus den USA.

Mit Freitag lief das Rücktrittsultimatum der Protestbewegung an den Machthaber ab. Der Kampf um eine demokratische Wende könnte nun vollends eskalieren. Die Organisatoren der Massenkundgebung hatten in der Nacht auf Freitag zu einem Sternmarsch zum Tahrir-Platz aufgerufen. Zu Tagesanbruch waren unter den Tausenden Regimegegnern Rufe wie "Lasst uns Hosni Mubarak stürzen!" zu hören (siehe "Krone"-Vor-Ort-Bericht in der Infobox). Der Freitag wurde zum "Tag des Abschieds" von Mubarak erklärt. 

Augenzeugen berichteten, in der Innenstadt hätten insgesamt mehrere Tausend Soldaten Stellung bezogen. Die Armee rollte erstmals Stacheldraht an den Zugängen zum Platz aus, um Ausweiskontrollen sicherzustellen. An einer Brücke beim Tahrir-Platz standen die Menschen Schlange. Polizisten waren, abgesehen von einigen Beamten der Verkehrspolizei, nicht zu sehen.

"Nieder mit Mubarak!"
Beim Freitagsgebet auf dem Tharir-Platz rief der Imam Khalid al-Marakbi dann die Regierung auf, Vertreter zu Verhandlungen auf den Platz zu schicken, der zum Symbol des Protests geworden ist. Während des Gebets für die während der Unruhen getöteten Demonstranten weinte der Geistliche. Am Ende riefen zahlreiche Gläubige die an Mubarak gerichtete Aufforderung "Verschwinde, verschwinde!". Am frühen Nachmittag stieß auch der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, zu den Demonstranten. Er hatte zuvor eine Kandidatur bei den Wahlen nicht ausgeschlossen. 

Verteidigungsminister Mohammed Hussein Tantawi, der sich zuvor in Begleitung mehrerer Armee-Generäle auf den Tahrir-Platz begeben hatte, hatte die Demonstranten aufgefordert, sich mit der Entscheidung Mubaraks zufriedenzugeben, nach Ablauf der regulären Amtszeit im September nicht wieder zu kandidieren. "Es reicht, der Mann hat euch doch gesagt, dass er nicht nochmals antreten wird", sagte Tantawi. "Nieder mit Mubarak, nieder mit dem Regime!", riefen die Demonstranten, in der Mehrzahl Anhänger der Moslembrüder. 

Vereinzelte kleinere Zusammenstöße
Bei den Zusammenstößen mit den Schlägertruppen des Regimes waren seit Mittwoch 13 Menschen getötet und Hunderte weitere verletzt worden. Viele der Verwundeten werden in improvisierten Lazaretten auf dem Tahrir-Platz versorgt. Bis Freitagabend war es nur zu kleineren Zusammenstößen gekommen. 

Ein Augenzeuge in Kairo sagte, kleinere Schlägertrupps versuchten, den Regimegegnern den Weg abzuschneiden. Mubarak-Anhänger hätten außerdem Demonstranten mit Steinen beworfen, berichtete ein Reporter des arabischen Senders Al-Arabiya. Vereinzelte Zusammenstöße wurden auch aus den Städten Alexandria und Port Said gemeldet. Die Brutalität der Mubarak-Schlägertruppen stachelt mittlerweile aber auch die Demonstranten an: In der Sinai-Stadt El Arish griff eine Gruppe bewaffneter Männer die Zentrale der Geheimpolizei mit Panzerfäusten an.

Mubarak: "Wenn ich gehe, bricht Chaos aus"
Mubarak will ungeachtet der anhaltenden Proteste und Gewaltexzesse vorerst im Amt bleiben. In einem Interview des US-Senders "ABC" bekräftigte er am Donnerstagabend seine grundsätzliche Bereitschaft zum Rückzug, sagte jedoch: "Aber wenn ich heute zurücktrete, wird Chaos ausbrechen." Nach Angaben des Senders hält sich Mubarak mit seiner Familie im schwer bewachten Präsidentenpalast in Kairo auf. Mittlerweile haben sich auch die USA und die EU deutlich gegen ihn gestellt (siehe Infobox).

"Ich habe es satt, im öffentlichen Leben zu stehen", sagte der 82-Jährige. "Ich habe genug, ich möchte gehen." Die Furcht um ein Chaos im Land halte ihn jedoch davon ab. "Ich kümmere mich nicht darum, was die Menschen sagen, sondern um Ägypten", sagte der 82-Jährige, der seit 30 Jahren an der Macht ist. Zu den regulären Wahlen im September meinte Mubarak: "Ich habe niemals vorgehabt, nochmals anzutreten." Er habe auch nicht geplant, dass sein Sohn Gamal ihn als Präsident ablöst. Zugleich betonte Mubarak, er werde nicht aus Ägypten flüchten. Er werde zu Hause sterben.

Österreicher werden weiter evakuiert
Indes urlauben noch 500 Österreicher nach Angaben des Außenministeriums in Ägypten. Sie sollen bis Sonntag mit regulären Flügen in die Heimat zurückgebracht werden, erklärte Ministeriumssprecher Peter Launsky-Tieffenthal am Freitag. Dieser Plan sei aber auch von äußeren Umständen abhängig, vor allem, ob die Urlauber trotz der Ausgangssperre rechtzeitig den Flughafen erreichen. Österreicher, die "unmittelbar" ausreisen wollen, gebe es jedoch "kaum mehr". Ein erneuter Einsatz der Bundesheermaschine ist deshalb derzeit nicht geplant.

Bei den "regulären" Flügen handelt es sich laut Launsky-Tieffenthal um den täglichen AUA-Linienflug von Kairo nach Wien sowie "ohnehin geplante" Charterflüge am Samstag und Sonntag. Der Sprecher zeigte sich zuversichtlich, dass die freien Plätze auf diesen Flügen ausreichen würden: "Der AUA-Linienflug am Donnerstag aus Kairo zurück nach Wien hatte über 50 freie Plätze." Aus der Sicht des Krisenstabes dürften demnach alle Urlauber, die unmittelbar ausreisen wollen, auf diesen Flügen untergebracht werden.

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