Nachbestzung im VfGH

Nach Brandstetter-Abgang: Nun ist Regierung am Zug

Politik
04.06.2021 13:11

Nach dem Rückzug von Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter als Höchstrichter (wegen publik gewordener Chats mit dem suspendierten Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek) ist jetzt die Bundesregierung am Zug, einen Nachfolger zu bestimmen. Zeitvorgaben gibt es dafür keine, im Verfassungsgerichtshof hat man immer wieder längere Phasen offener Stellen erlebt.

Dem Bundespräsidenten zur Ernennung vorgeschlagen werden die 14 Mitglieder und sechs Ersatzmitglieder des VfGH offiziell nicht von den Parteien, sondern - aufgeteilt - von Bundesregierung, Nationalrat und Bundesrat. In der Realität der Koalitionsregierungen wird das Vorschlagsrecht aber unter den Regierungsparteien aufgeteilt.

Brandstetter kam mit ÖVP-Ticket in den VfGH
Und da stellt sich nun die Frage, wie innerhalb der Regierung aufgeteilt wird. Denn Brandstetter kam auf einem ÖVP-Ticket in den VfGH. Aber seine Nachbesetzung jetzt ist die einzige absehbare in dieser Legislaturperiode - und somit die einzige Möglichkeit der Grünen in dieser Periode, ein zweites VfGH-Mitglied zu nominieren. Erst 2025, nach der nächsten regulären Nationalratswahl, erreicht die auf SPÖ-Vorschlag ernannte Claudia Kahr die Altersgrenze von 70 Jahren.

Gesetz erneuert: Cooling-off-Phase für Politiker 
Eine Neuerung für - künftige - Nachbesetzungen ist übrigens im geplanten (aber noch nicht beschlossenen) Informationsfreiheitsgesetz enthalten: Mit einer Cooling-off-Phase soll sichergestellt werden, dass ehemalige Regierungsmitglieder in Bund und Land, Abgeordnete sowie Angestellte oder Funktionäre einer Partei für drei Jahre nach Ende der jeweiligen Tätigkeit weder Richter noch Ersatzrichter werden können. Damit hätte der ehemalige Justizminister Brandstetter erst deutlich später in den Gerichtshof einziehen können.

Politik ernennt Höchstrichter: „Ist auf der ganzen Welt so“
Darin, dass Höchstrichter und VfGH-Mitglieder von politischen Organen ernannt werden, sieht VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter kein Problem, wie er sagt. Das sei „auf der ganzen Welt“ so. Wichtig sei aber, dass man Loyalitäten jenen gegenüber abstreift, von denen man gewählt wurde, betonte Grabenwarter.

VfGH im Arbeitsmodus
Am Freitag trifft Grabenwarter Ex-Justizminister Brandstetter - der seinen Rücktritt per 1. Juli angekündigt hat - noch zu einem Gespräch über organisatorische Fragen. Der VfGH war am Tag nach dem Rücktritt im Arbeitsmodus - wurde man doch in den letzten Vorbereitungen für die am Montag startende Session von diesen Ereignissen überrascht. Daran kann Brandstetter teilnehmen, er ist nicht mehr - wie zuvor - im Krankenstand. Er könnte sich aber auch durch ein Ersatzmitglied vertreten lassen.

Freie Stelle muss binnen einem Monat ausgeschrieben werden
Denn um die Funktionsfähigkeit des Gerichtshofes sicherzustellen, wenn ein Mitglied verhindert ist, gibt es neben Präsident, Vizepräsidentin und den zwölf Mitgliedern auch sechs Ersatzmitglieder. Sie können auch einspringen, wenn ein Posten länger vakant ist. Denn für Nachbesetzungen gibt es keine Fristen - nur die eine, dass ab dem Zeitpunkt der Vakanz die Stelle binnen einem Monat ausgeschrieben werden muss.

Der VfGH teilt zuvor der nominierenden Stelle - in Falle Brandstetters ist das der Bundeskanzler, weil die Bundesregierung das Vorschlagsrecht hat - mit, dass eine Richterstelle frei geworden ist. Rücktritte hat es immer wieder gegeben, oft aus gesundheitlichen Gründen (etwa der frühere Präsident Karl Korinek), aber nicht nur. Der Gerichtshof hat auch schon öfter längere Vakanzen erlebt. So war 2012 war eine Richterstelle fünf Monate nicht besetzt.

Ähnliche Sitaution im Juni 2019 mit Brigitte Bierlein
Problemlos weiterarbeiten konnte der VfGH - dank der Ersatzmitglieder - auch, als im Juni 2019 die damalige Präsidentin Brigitte Bierlein Bundeskanzlerin wurde. Die Entscheidung, dass Vizepräsident Grabenwarter (der den VfGH damals interimistisch führte) Präsident wird, fiel erst im Februar 2020, nachdem die Wahl geschlagen und die türkis-grüne Regierung gebildet war.

Wirklich vollständig besetzt war der Gerichtshof aber erst im April 2020, als Vizepräsidentin Verena Madner angelobt worden war. Sie ist das erste auf Vorschlag der Grünen nominierte VfGH-Mitglied. Grabenwarter und fünf andere Verfassungsrichter kamen auf einem ÖVP-Ticket in den Gerichtshof, zwei wurden unter Türkis-Blau von der FPÖ vorgeschlagen. Fünf Mitglieder sitzen auf SPÖ-Tickets.

VfGH-Präsident zieht Schlussstrich, Zadic noch nicht
Grabenwarter selbst will nach dem Rücktritt Brandstetters als Höchstrichter einen „Schlussstrich“ unter die Causa ziehen. Er sei „erschrocken und bestürzt“ über den Inhalt der Nachrichten gewesen, sagte er am Freitag im Ö1-„Morgenjournal“. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hingegen will in dieser Causa noch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Suspendierung Pilnaceks abwarten - und erwog angesichts des Chats eine Nachtragsanzeige. Was in einer solchen vorgebracht werden solle, wollte man im Zadic-Büro am Freitag nicht verraten.

Ob Pilnacek dauerhaft suspendiert wird, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Das Justizministerium hat dort nämlich Beschwerde gegen die Entscheidung der Bundesdisziplinarkommission eingelegt, die befunden hatte, dass eine (im Februar angesichts von Ermittlungen gegen ihn verhängte) Suspendierung nicht angebracht ist. Am Dienstag wurde darüber verhandelt, das Urteil ergeht schriftlich - und wird für nächste Woche erwartet.

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