Neue EP & Interview

Sharktank: Neuer Stern am leeren Crossover-Himmel

Musik
26.11.2020 06:00

Aus dem puren Zufall entstand diesen leidigen Corona-Sommer das österreichische Trio Sharktank, das mit der Single „Washed Up“, der brandneuen EP „Bad Energy“ und seiner Mischung aus Indie-Pop und Hip-Hop den Nerv der Zeit trifft. Rapper Mile und Sängerin Katrin Paucz geben uns im ausführlichen Interview Einblicke in die Entstehung der Band und was man für die Zukunft so alles geplant hat.

(Bild: kmm)

Mit dem inflationär gebrauchten Terminus „All-Star-Projekt“ sollten vor allem einheimische Indie-Plattenfirmen etwas spärlicher umgehen, doch bei Sharktank kann man zumindest von einem bunten und besonders spannenden Get Together sprechen. Das Projekt ist dem Faktor Zufall geschuldet, denn Rapper Mile alias Michael Lechner hat sich anfangs zur Eigeninitiative im Studio von Marco Kleebauer eingefunden, bis die beiden plötzlich eine Verbindung aus Indie und Hip-Hop fanden und im Frühling die EP „Dirty Leaks“ veröffentlichten. Zur Erklärung der handelnden Person ein kurzer Exkurs. Mile aus dem oststeirischen Weiz ist ein hierzulande bekannter Rapper, der schon mit Texta die Bühne teilte, aus Job- und familiären Gründen aber in den letzten Jahren wenig von sich hören ließ. Kleebauer dominiert mit Leyya regelmäßig die heimischen Alternative-Radioplaylists und produziert unter anderem Bilderbuch und Oehl. Bei Oehl sorgt die erst 20-jährige Katrin Paucz für das feine Live-Feeling zudem hörte man sie zuletzt Background-Vocals auf dem Debütalbum von Jansky singen. Paucz war schlussendlich auch das fehlende Glied, das zum Trio Sharktank mutieren sollte - im Juli 2020.

Einstand nach Maß
„Marco und ich hatten Lust auf eine Mischung aus straightem Rap und Indie, woraus ursprünglich ,Dirty Leaks‘ entstand“, erklärt Rapper Mile im Gespräch mit der „Krone“, „das Feedback war gut, aber wir hatten das Gefühl, dass wir noch mehr Melodien und etwas Musikalität brauchen würden. So kam Katrin ins Spiel und der Rest hat sich ergeben.“ Ein „match made in heaven“ könnte man behaupten, denn schon mit der ersten Single-Auskoppelung „Washed Up“ eroberten Sharktank für mehrere Wochen Platz eins in den FM4-Charts, wurden mehrere Hunderttausend Mal auf Spotify gestreamt und schossen auch auf YouTube durch die Decke. Dieses erste Ausrufezeichen als Einstand nach Maß zu bezeichnen würde ob des fulminanten Erfolgs zu bescheiden klingen. „Man kann so etwas nicht steuern, aber offenbar haben wir einen Moment eingefangen, der für die Leute da draußen eine Bedeutung hat. Der Song handelt prinzipiell davon, immer überarbeitet zu sein und in einem Kreislauf festzustecken, in dem man ziellos umhertreibt.“ Zum Erfolg geriet „Washed Up“ nicht zuletzt aufgrund des fröhlichen Beats, der dem eher schweren Inhalt bewusst leichtfüßig entgegengesetzt wurde.

Diesen ins Schwarze getroffenen Zeitgeist hätte man noch in den 90er-Jahren schlicht Crossover genannt, denn die Vermischung aus Hip-Hop und träumerischen Indie-Sounds ist bei weitem keine Revolution im Musikgeschäft. Sharktank verwandeln eine bekannte Formel aber mit zeitgeistiger Weitsicht und künstlerischer Kompetenz zu einem spannenden Klanggebräu, das eine klaffende Wunde in der einheimischen Szene zu schließen scheint. „Wir hatten niemals große Hintergedanken, wussten aber schnell, dass der Sound cool klingt“, versucht Mile die Zugangsweise zu erklären, „wir alle sind Fans unterschiedlicher Musikrichtungen und haben uns die Freiheit gegeben, all diese Einflüsse einzubauen. Im Fokus steht immer der Klang und nie das, was drumherum passiert.“ Sängerin Paucz gibt sogar zu, dass anfangs andere Pläne im Spiel waren: „Es gab kurz den Gedanken, das Projekt ganz anonym zu machen, um wirklich die Musik komplett in den Vordergrund zu stellen. Aber das kann man irgendwie nicht machen, denn sobald du etwas veröffentlichst, stehst du unweigerlich in der Öffentlichkeit. Das Tarnprinzip funktioniert heute nicht mehr so gut.“

Aus dem Bauch heraus
Das erste und mit Sicherheit nicht letzte Lebenszeichen hört auf den Namen „Bad Energy“, ist eine EP und beinhaltet vorerst einmal vier Songs, mit denen sich Sharktank nun einem breiteren Publikum vorstellen wollen. „Der Titel spiegelt unsere Liebe zum Widerspruch wider“, erklärt Mile, „einerseits die nachdenklichen, melancholischen Texte. Andererseits die energiegeladene und meist fröhliche Musik.“ Das fehlende Überraschungsmoment der dauerrotierenden Single „Washed Up“ machen Sharktank auf den drei anderen Songs mit spielerischer Finesse wett. Die Repeat-Taste wird beim Rezipienten zum konstanten Bearbeitungsinstrument, was nicht zuletzt der kurzweiligen und flotten Songs geschuldet ist. Zudem entstehen die Songtitel, so wie die Musik selbst, frei aus dem Bauch heraus. Dreht sich „Washed Up“ mitunter auch um Miles eigene Erfahrungen als Vater eines vierjährigen Sohnes, der im Alltag oft überfordert ist, resultiert „Too Much“ etwa aus einer Studiodiskussion darüber, ob die Verzerrer beim Einspielen nun nicht doch etwas zu laut gedreht sind. „Selbst wenn mir auf dem Weg zum Studio jemand die Vorfahrt nimmt, kann dieser Moment zu einem Song werden“, erklärt Paucz den Zugang zum Liederschreiben.

Das bandnamensspendende Haifischbecken ist übrigens durchaus mit dem Musikbusiness in Relation zu setzen. „Das geht in diese Richtung“, pflichtet Mile bei, „wir schwimmen alle in einem Becken mit vielen anderen hungrigen Fischen. Entweder versuchst du alle zu fressen, oder du machst dein eigenes Ding und ziehst dich selbst so gut wie möglich aus diesem Konkurrenzkampf heraus. Das ist unser Ansatz, weil wir von Anfang an wussten, dass unser Sound nicht auf Biegen und Brechen entstehen muss, nur weil etwas populär werden soll. Wir alle befinden uns in einem Sharktank, aber vielleicht sind wir genau der Hai, der nicht auf andere losgeht, sondern der in Ruhe für sich schwimmt.“ Liveauftritt haben Sharktank aus bekannten Gründen übrigens noch keinen zu Buche stehen, dafür aber - so es dann endlich mal klappt - genug Material dafür. „Der Workflow hat sich in den letzten Wochen gewaltig intensiviert“, lacht Mile, „bevorstehende Konzerte motivieren natürlich mehr zu schreiben, denn mit vier Songs kommen wir nicht weit. Mittlerweile kreieren wir bei jeder Session einen Song und das macht großen Spaß.“

Das Glas öffnen
Bis zum vollwertigen Debütalbum kann es also nicht mehr weit sein, obwohl man sich bezüglich der Veröffentlichungspolitik noch im Unklaren ist. „Anfangs wollten wir eine EP nach der anderen machen, aber es ist jetzt so viel Material da, das ein Album eine Überlegung ist. Mir persönlich ist es nicht so wichtig“, gibt Mile zu, „am Ende des Tages streame ich meine Musik und ganze Alben höre ich mir nur an, wenn ich wirklich Lust darauf habe. Ein Album bringt aber viel Material für ein Livekonzert mit und das ist langfristig unser Ziel.“ Auch wenn alle drei Mitglieder mehr oder weniger stark in anderen Projekten involviert sind, wird man Sharktank aufgrund des grassierenden Hypes nicht stiefmütterlich behandeln. „Wir zwingen uns jetzt nicht dazu 24/7 Material rauszupressen, aber es passiert ganz natürlich, dass wir außerhalb des Studios daheim einzeln an Texten arbeiten, Sounds basteln oder Gitarre spielen. Daheim füllt jeder sein Glas auf und im Studio wird es geöffnet, um die Schluckerl darin mit anderen zu teilen.“ Keine schlechte Ausgangsposition für eine Band, für die 2021 ein wahrlich großes Jahr werden könnte.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele