13.700 Kilometer trennen die 27-jährige Victoria aus New York und die 21-jährige Sarah aus Manila. Trotzdem haben die Frauen eine gemeinsame Leidensgeschichte: Sie wurden Opfer desselben Mannes, der sich ihr Vertrauen erschlich, ohne ihr Einverständnis pornografische Aufnahmen von ihnen anfertigte und diese dann über den Krypto-Messenger Telegram verbreitete. Die Fotos wieder aus dem Netz tilgen? So gut wie unmöglich ...
Gegenüber dem IT-Portal „Mashable“ berichten Victoria und Sarah von ihrem in Kanada lebenden Exfreund Gabriel - wie viel sie gemeinsam gelacht hätten, wie tief ihre Verbindung vermeintlich war. Doch Gabriel war nicht, wer er zu sein vorgab.
Während er Fernbeziehungen mit den beiden Frauen führte, fertigte er bei virtuellen Schäferstündchen Videomitschnitte und Fotos in expliziten Posen an - und veröffentlichte diese nach Ende der Beziehung auf Telegram. Inklusive Links zu Social-Media-Profilen der beiden Frauen, die nun mit anzüglichen Kommentaren Fremder bombardiert wurden.
Sarah kontaktierte Leidensgenossin in den USA
Dass der vermeintliche Traumprinz ein Sex-Unhold war, wurde zuerst Sarah bewusst, als sie von Social-Media-Nutzern auf die Fotos aufmerksam gemacht wurde, die von ihr im Netz kursierten. Sie stellte fest, dass auch Victoria Opfer von Gabriel geworden war - und kontaktierte ihre fast 14.000 Kilometer entfernt lebende Leidensgenossin, die gerade eine neue Beziehung eingegangen war und aus allen Wolken fiel.
Ich hatte viel über Rachepornos gelesen und dachte immer, das käme von Partnern mit einem Hang zum Missbrauch oder von Typen, die wütend sind und ihre Ex zurückhaben wollen.
Racheporno-Opfer Victoria
Die beiden Frauen waren fassungslos. „Er hat dafür gesorgt, dass ich mich sicher fühlte. Ich habe ihm vertraut“, erinnert sich Sarah. Auch für Victoria war die Entdeckung ein Schock: „Ich hatte viel über Rachepornos gelesen und dachte immer, das käme von Partnern mit einem Hang zum Missbrauch oder von Typen, die wütend sind und ihre Ex zurückhaben wollen. Gabriel war immer freundlich zu mir - während er Rachepornos verschickt hat.“
Rachepornos laut Telegram-AGB an sich verboten
Die erniedrigenden Clips und Fotos wieder aus dem Internet tilgen? Fast unmöglich: Der Krypto-Messenger Telegram mit Sitz in Dubai gilt als notorisch unkooperativ bei der Löschung illegaler Inhalte - auch, wenn in den Nutzungsbedingungen klargestellt wird, dass „illegale pornografische Inhalte auf öffentlich sichtbaren Telegram-Kanälen“ nicht geduldet würden. Es gibt auch eine Meldestelle für solche Inhalte.
Leider sorgt die Kombination ihrer Architektur und globaler Unterschiede in der Rechtsprechung und bei der Content-Moderation dafür, dass Telegram der perfekte Ort ist, um Rachepornos zu verbreiten.
Ysabel Gerrard, Universität Sheffield
„Leider sorgt die Kombination ihrer Architektur und globaler Unterschiede in der Rechtsprechung und bei der Content-Moderation dafür, dass Telegram der perfekte Ort ist, um Rachepornos zu verbreiten“, sagt Ysabel Gerrard, Soziologin der Universität Sheffield in Großbritannien, die sich mit Content-Moderation auf digitalen Plattformen befasst.
„Unsere Fotos sind jetzt da draußen“
Dass die auf Telegram aufgetauchten Aufnahmen von ihnen dort wohl noch lange abrufbar bleiben werden, wissen auch die beiden Racheporno-Opfer. Selbst wenn die Gruppen, in denen ihre Fotos verteilt wurden, gelöscht würden, gibt es keine Garantie dafür, dass nicht irgendein Nutzer die Fotos gespeichert hat und später wieder hochlädt.
Unsere Fotos sind immer noch im Internet. Wir wissen nicht sicher, ob das die einzige Gruppe war, in der unsere Fotos landeten. Ich will jetzt, dass er dafür bezahlt!
Racheporno-Opfer Sarah
„Uns ist klargeworden, dass unsere Fotos jetzt da draußen sind“, sagt Victoria. Ihr wichtigstes Anliegen sei nun Gerechtigkeit, sagt auch Sarah. „Der Schaden kann nicht wieder gut gemacht werden. Unsere Fotos sind immer noch im Internet. Wir wissen nicht sicher, ob das die einzige Gruppe war, in der unsere Fotos landeten. Ich will jetzt, dass er dafür bezahlt!“
Gabriel wurde verhaftet - ein Etappensieg
Das könnte im konkreten Fall auch tatsächlich gelingen, weil der Täter in Kanada lebt, wo es Gesetze gegen die nicht einvernehmliche Verbreitung privater Sexaufnahmen gibt. Dort haben die Opfer Klage gegen ihren Peiniger eingereicht - und damit tatsächlich eine Verhaftung und einen Prozess erwirkt. Es könnte ein langes juristisches Tauziehen werden, doch für Sarah und Victoria ist es ein Lichtblick, ein wichtiger Etappensieg.
Sie hoffen, mit ihrer Geschichte auch die Telegram-Betreiber aufzurütteln und fordern aktivere Maßnahmen gegen Rachepornos. Während bei Facebook, Twitter oder Reddit seit Jahren streng gegen den Upload nicht einvernehmlicher Sex-Aufnahmen vorgegangen wird und unter anderem mit Bilderkennung aktiv nach solchen Bildern gefahndet wird, verfolgt Telegram solche Inhalte kaum. Nicht umsonst geriet das Netzwerk erst kürzlich wieder in die Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass dort Gruppen existieren, in denen Chatbots hochgeladene Fotos von Frauen vollautomatisch in Fake-Nacktfotos verwandeln.
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