Nach kurzer Krankheit

„Good Bye, Lenin!“-Star Michael Gwisdek gestorben

Adabei
23.09.2020 12:37

Mit „Familie Wöhler auf Mallorca“ war Michael Gwisdek im Februar 2019 ein Quotensieger im Fernsehen. Mehr als vier Millionen schalteten den ZDF-Film ein. Das war typisch für Gwisdeks Karriere: Er war ein Charakterkopf - und zwar einer, bei dem die Leute gerne zuschauten. Er war bereits zu DDR-Zeiten ein Star, erst am Theater, dann im Kino. Am Dienstag ist er im Alter von 78 Jahren gestorben - nach „kurzer schwerer Krankheit“, wie seine Familie am Mittwoch mitteilte.

Mit Filmen wie „Good Bye, Lenin!“, „Boxhagener Platz“, „Nachtgestalten“ und „Oh Boy“ war er ein Publikumsliebling. Auch im Fernsehen war er oft zu sehen: ob im „Tatort“, bei „Bella Block“ oder in „Donna Leon“. Gwisdek sagte: „Komödie ist das Schwerste.“ Aber er sei nicht festgelegt. „Charakterdarsteller würde ich gerne genannt werden.“

Privat waren Michael Gwisdek und die Schauspielerin Corinna Harfouch viele Jahre ein Paar. Sohn Robert wurde ebenfalls Schauspieler, Sohn Johannes Komponist. Später lebte Gwisdek mit seiner Frau, der Drehbuchautorin und Schriftstellerin Gabriela Gwisdek, auf dem Land vor den Toren Berlins. Er rauchte gerne und züchtete Kois.

Der 1942 geborene Gastwirtssohn aus Berlin-Weißensee lernte das Schauspielhandwerk an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ - wie viele prominente Kollegen. Mit dem Kino erfüllte sich ein Traum seiner Jugend. In den 50er Jahren zog es ihn, wie damals viele Ost-Berliner, bei Ausflügen im kleinen Grenzverkehr nach West-Berlin zum Filme schauen.

Gwisdek spielte in den 60er- und 70er-Jahren an verschiedenen Theatern in der DDR. Sein komödiantisches Talent brachte ihm bald Rollen im Kino ein. Entscheidend waren zwei Arbeiten: Die Literaturverfilmung „Dein unbekannter Bruder“ (1982) und das Boxer-Drama „Olle Henry“ (1983). Beide Filme gefielen den Zensoren nicht. Sie warfen ein Schlaglicht auf die Verlogenheit der ostdeutschen Gesellschaft zwischen verordnetem Duckmäusertum und sinnfreier Propaganda.

Das Publikum, darin geübt, zwischen den Zeilen zu lesen, feierte die Filme und den Hauptdarsteller. „Für uns war das toll, aufregend, ungewöhnlich“, so Gwisdek. „Aber es war einfach auch schlimm, nicht sagen zu können, was man dachte.“

Auch als Regisseur erfolgreich
Diese Situation prägte sein Regiedebüt „Treffen in Travers“ (1988), mit seiner damaligen Frau Corinna Harfouch und ihm selbst in den Hauptrollen. Gwisdek verlegte die Auseinandersetzung mit der Ausgrenzung Andersdenkender ins historische Gewand. Das Publikum verstand den Gegenwartsbezug des aufmüpfigen Kostümdramas aber sehr genau. Damit wurde Gwisdek endgültig zum Idol all jener, die sich nicht mehr widerspruchslos anpassen wollten.

Nach dem Fall der Mauer erfüllte sich sein Traum, über den roten Berlinale-Teppich zu gehen. 1999 erhielt Gwisdek einen Silbernen Bären als bester Hauptdarsteller in Andreas Dresens „Nachtgestalten“. Seine Trophäen-Ausbeute war groß und reicht vom Deutschen Filmpreis ́über den Deutschen Fernsehpreis bis zum Grimme-Preis.

Gwisdek konnte auch unbequem sein. Sein ZDF-Film „Schmidt & Schwarz“ (2011) gefiel ihm nicht. Das sagte er auch laut. Das war ungewöhnlich, weil Gwisdek in der Krimikomödie - neben Corinna Harfouch - die Hauptrolle spielte und seine Frau Gabriela das Buch geschrieben hatte. Beispiele für seine Berliner Schnauze finden sich viele, etwa in einem „B.Z.“-Interview von 2019, dort mit Blick auf die Politik: „Dit reicht mir jetzt! Wenn die DDR irgendwas erreicht hat, dann dass ich Nazis scheiße finde!“

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Ick komm‘ nicht dazu, Rentner zu sein.

Michael Gwisdek

Auch mit weit über 70 hatte Gwisdek noch viel zutun. In einer Krimi-Serie auf ZDFneo („Dead End“) spielte er den Leichenbeschauer Dr. Peter Kugel. In Lars Kraumes DDR-Drama „Das schweigende Klassenzimmer“ gab er den Westradio hörenden Onkel. Mit Henry Hübchen und Thomas Thieme drehte Gwisdek die Komödie „Kundschafter des Friedens“. Seine Beobachtung mit Mitte 70: „Ick komm‘ nicht dazu, Rentner zu sein.“

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(Bild: kmm)



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