Cybercrime

So tobt der digitale Weltkrieg, den keiner bemerkt

Web
22.09.2020 08:55

„2015 werden erstmals mehr Cyberverbrechen als Fahrraddiebstähle gemeldet.“ Es ist nur ein Nebensatz im hinteren Teil der Buches, verdeutlicht jedoch wie kaum ein anderer Satz dem Laien, worum es in Huib Modderkolks „Der digitale Weltkrieg, den keiner bemerkt“, geht. Von Hackerangriffen über Spionageaktionen bis hin zu Cyberkriegen, nimmt der niederländische Journalist den Leser mit auf eine Reise in die undurchsichtigen Weiten des Web.

Es war ein einziges unvorsichtig gelegtes Kabel, das 2011 Hackern Tür und Tor zur niederländischen Zertifizierungsstelle DigiNotar öffnete. Microsoft, Google und eine lange Liste anderer Unternehmen vertrauten blind in diese digitalen Zertifikate, die die Echtheit ihrer Websites garantieren sollten - bis Hacker ein Leck bei DigiNotar ausnützten und Fälschungen in Umlauf brachten. Es ist, als gäbe es plötzlich gefälschte Pässe, die von den echten nicht zu unterscheiden sind - das Vertrauen in die Originale wäre von einem Tag auf den anderen weg. Der Vorfall hatte Auswirkungen in gigantischem Ausmaß: Gehälter konnten nicht ausbezahlt werden, Einwohner konnten nicht mehr mit PIN-Code bezahlen und Mangos verfaulten in Containern, weil ohne Zertifikate auch im Hafen nichts mehr funktioniert.

Digitale Probleme mit analogen Folgen
Digitale Probleme haben reale Folgen in der analogen Welt, macht Modderkolk deutlich. Das Bild der Mangos ist nur eines von vielen, mit denen er die abstrakten Problematiken für den Leser verständlich machen und hinter die Anonymität blicken will, die das Internet seinen Nutzern verschafft. Auch wenn die Themen eine gewisse Müdigkeit hervorrufen und schnell zu Desinteresse führen, sei es wichtig, sich damit zu befassen, betont der Autor und bemüht sich um den menschlichen Faktor in all seinen Erzählungen. So erzählt er beispielsweise die Geschichte von Edwin, einem achtzehnjährigen Hacker, der sich 2012 ins Netzwerk des größten niederländischen Telekomanbieters KPN hackte. Als der Angriff aufflog, wurde er wegen Computermissbrauchs schuldig gesprochen, kam ins Gefängnis und beging ein paar Jahre später Selbstmord.

Oder er erzählt von Robin, die für eine australische Firma Audiofragmente transkribierte, bis sie nach Monaten dahinterkam, dass sie Privatgespräche mitanhörte, ohne dass die Betroffenen Bescheid wussten oder ihr Einverständnis gegeben hatten.

Die Geschichte des somalischen Hirten Omar, der bei einem amerikanischen Militäreinsatz seine Töchter und ein Bein verlor, weil die NSA vom niederländischen Geheimdienst AIVD Informationen zum möglichen Aufenthaltsort eines Terroristen bekommen hatte, wirft die Frage auf: Wer trägt eigentlich die Verantwortung? Ist es der AIVD, der die Informationen beschaffte? Ist es die NSA, die mit den Informationen etwas anfing? Und: Ist der technologische Fortschritt das alles wert?

Auch für Unwissende geeignet
Technisch nicht so versierte Leser und Leserinnen können beruhigt sein: Die anfängliche Unwissenheit des Autors, der sich sein Wissen in jahrelanger Recherche erarbeiten musste, hilft Lesern bei Verständnisproblemen. Man lernt quasi gemeinsam mit dem Autor mit. Dennoch ist die Lektüre zum Teil so frustrierend, wie es die Recherche für den Autor gewesen sein muss. Viele Fragen bleiben unbeantwortet und oft steht am Ende die ernüchternde Erkenntnis: Offiziell beweisen lässt sich kaum etwas. Der Versuch des Autors, ein spannendes Sachbuch zu schaffen, gelingt also nur zum Teil.

Zum Schluss gibt der Autor dem Leser noch ein paar Tipps mit auf den Weg. Simple Tipps, die jeder kennt und deren Sinnhaftigkeit kaum jemand anzweifelt, die aber dennoch meistens unbeachtet bleiben: Signal statt WhatsApp zu nützen; nicht dasselbe Passwort für mehrere Konten zu verwenden; sich für Suchmaschinen zu entscheiden, die die Privatsphäre ihrer Nutzer respektieren. Keine Hexerei - eigentlich.

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