Pflege

Alltag hinter der „Schleuse“

Vorarlberg
27.07.2020 12:24

Der Corona-Alltag in den Vorarlberger Spitälern war für jenen Teil der Belegschaft, der voll im Einsatz stand, eine extreme Herausforderung - nicht nur körperlich ...

Eine Pflegerin aus einem Vorarlberger Landeskrankenhaus hat zuletzt mit ihren Schilderungen gegenüber der „Krone Vorarlberg“ einigen Staub aufgewirbelt. Sie berichtete von immensen Belastungen und mangelnder Unterstützung. Nun hat sich eine weitere Pflegekraft gemeldet und erzählt, wie die Corona-Zeit das Spitalspersonal an seine Grenzen gebracht hat:

Michaela (Name von der Redaktion geändert) war während der Hochphase der Pandemie in der Triage und in der „Schleuse“ im Einsatz. Durch die Triage mussten alle Patienten und Besucher, um auf COVID-19-Symptome kontrolliert zu werden. Wer Symptome aufwies, wurde in die „Schleuse“ gebracht, also in eine separierte Abteilung, in welcher weitere Untersuchungen stattfanden. Eine echte Massenabfertigung: Pro Tag wurden zwischen 200 und 500 Patienten in der Triage voruntersucht, etwa ein Drittel davon landete in der Schleuse. Zum Knochenjob gesellte sich auch noch ein erhebliches gesundheitliches Risiko: Denn eigentlich hätte das Personal FFP2- oder FFP3-Masken tragen sollen, doch gerade am Anfang waren diese Mangelware. „Die Maske war ein Gut, das du beinahe mit deinem Leben geschützt hast“, erzählt Michaela. Notgedrungen mussten die Mitarbeiter ein- und dieselbe Maske bis zu elf Tagen tragen - dabei galt eigentlich die dringende Empfehlung, den Mund-Nasen-Schutz täglich zu wechseln. „Da kann ich aber niemandem einen Vorwurf machen. Unser Arbeitgeber hat von überall her Masken bestellt, nur ist die Ware nicht angekommen.“ Stattdessen wurden die Maskenlieferungen an den Grenzen abgefangen und beschlagnahmt. 

Sehr wohl hätte der Arbeitgeber aber darauf Einfluss gehabt, den Beschäftigten Zeit zum Durchatmen zu geben. So wurden etwa in der Schleuse die Masken über einen viel zu langen Zeitraum durchgetragen. „Aus medizinischer Sicht sollte die Maske nach 75 Minuten heruntergenommen und eine 30-minütige Pause gemacht werden. Das war in der Schleuse nicht einmal annähernd möglich. Dort ist man bis zu zweieinhalb Stunden ununterbrochen dringestanden, um Patienten zu versorgen.“ Viele Kollegen hätten durch die Belastung Hautprobleme bekommen. „Das reichte von Reizungen bis hin zu Spannungsblasen, Hämatomen und offenen Stellen.“

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Du trägst die Maske plus Visier oder Brille, einen Schutzmantel und Handschuhe - da schwitzt man wie ein Schwein, in der Brille hat sich das Wasser gesammelt. Zwischenzeitlich habe ich gedacht, jetzt kippe ich jeden Moment um

Eine Pflegekraft

In der Schleuse musste das Personal zudem in „Vollmontur“ arbeiten, was eine zusätzliche Tortur war. „Du trägst die Maske plus Visier oder Brille, einen Schutzmantel und Handschuhe - da schwitzt man wie ein Schwein, in der Brille hat sich das Wasser gesammelt. Zwischenzeitlich habe ich gedacht, jetzt kippe ich jeden Moment um.“

Und zu allem Überdruss mussten sich die Mitarbeiter oft noch von Patienten und Besuchern zum Teil auf das Übelste beschimpfen lassen. „Die Zugangsbeschränkungen haben vielen Angehörigen nicht gepasst, wir haben die Wut dann abbekommen. Gott sei Dank gab es einen Security.“ Der psychische Stress sei enorm gewesen. Der Krankenhausbetriebsgesellschaft wirft Michaela vor, sich zu wenig mit dieser Problematik befasst zu haben: „Einmal ist ein Mann mit einem Herzinfarkt eingeliefert worden - und ich musste seiner Frau und den drei Kindern sagen, dass nur eine Person zu ihm darf. Im schlimmsten Fall ist so jemand zwei Stunden später tot und seine Kinder konnten sich nicht von ihm verabschieden.“ Ihr Wunsch: Sollte sich die Corona-Lage noch einmal so zuspitzen, müsse das Personal besser geschützt und zum für Entlastung gesorgt werden.

Umso bewundernswerter ist es, dass es unter den Mitarbeitern kein Jammern und Klagen gab. „Alle haben ihre Bestes gegeben, die interne Solidarität war groß.“ Dafür gab es auch von allen Seiten Applaus. „Viel übrig geblieben ist davon aber leider nicht“, spielt Michaela auf die angekündigten Sparmaßnahmen des Landes an. Zwischenzeitlich war sogar von einer Nulllohnrunde die Rede. „Dafür fehlt mir jedes Verständnis. Mit Wertschätzung hat das jedenfalls nichts zu tun.“

Ebenso schlimm sei, dass keine Personalaufstockung geplant sei. „Wir hatten schon vor der Coronakrise einen Mangel, dass es die Sau graust.“ Allein in den Ambulanzen hätten sich tausende Überstunden angesammelt, an einem Abbau sei aber nicht zu denken. Ob Michaela glaubt, dass die Krankenhausbeschäftigten auch im Falle einer zweiten Welle klaglos alles hinnehmen werden? „Das bezweifle ich ganz stark.“

P. Vondrak

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