Es ist ein mittelschwerer Klettersteig, der "Zimmereben". Hunderte Male zog sich Jasmin bereits an den Klettergriffen und Metalleinlagen in Richtung Gipfel empor. Sie könnte den Weg wohl im Schlaf meistern. Eine Routine, die sie jetzt beinahe das Leben kostete.
Jasmin kletterte nämlich ohne Sicherung. Sie überwand die Schlüsselstellen und erreichte den leichten Quergang ohne Probleme. Da passierte es: Sie rutschte aus und fiel 30 Meter in die Tiefe - ungebremst. "Es ist ein Wunder, dass sie überlebt hat", sagt Bergretter Michael Knauer. So etwas habe er in 25 Dienstjahren noch nicht gesehen. "Jasmin fiel auf einen Haufen Gestrüpp und wurde derart gefedert, dass sie relativ unbeschadet davonkam." Relativ unbeschadet heißt: Schwere Schädel- und Wirbelverletzungen. "Aber sie wird überleben", atmet Knauer auf.
Knauer: "Tag für Tag sehe ich viel Leichtsinn"
Die Freude über Jasmins Sieg gegen den Tod wird bei Knauer durch den Leichtsinn der Alpinistin getrübt. "Tag für Tag erlebe ich, dass sich erfahrene, einheimische Kletterer in Lebensgefahr begeben. Die Wenigsten benutzen die Sicherungsseile, aber Routine ist tödlich", weiß Knauer. Einen Touristen oder Anfänger schützt die Angst, ein Profi will trainieren, schnell sein. "Die Sicherungen behindern die Profis in ihrer Schnelligkeit. Sport darf aber nicht zum Spiel mit dem Leben werden." Passieren kann immer was: Ausrutschen, Steinschlag oder Griffbruch.
Knauer hat sie zu Hunderten gesehen, die Leichen in den Bergen, tote Körper auf schroffem Fels. Und er ist ihn leid, diesen Leichtsinn. "Jeder muss sich an die geltenden Regeln im alpinen Raum halten. Es tut weh, ein Mädchen reglos am Fuße eines Berges zu sehen."
von Matthias Holzmann, Tiroler Krone
Symbolbild
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