Geplänkel zum Auftakt

Bachmann: Wie darf man über den Krieg schreiben?

Kärnten
27.06.2019 15:02

43. Ingeborg-Bachmann-Preis: Schwer gespalten war die Jury bereits am 1. Tag des Wettlesens; die Vormittagsrunde endete deshalb mit Verzögerung. Schon die Startnummer eins - Katharina Schultens aus Deutschland - stiftete mit dem Auszug aus dem Roman „Urmünder“ Unruhe. . .

Während Hildegard Keller meint, dass der Text „intensiv Verwirrung stiftet“ wird und Nora Gomringer sich „rausgekegelt“ fühlte, glaubt Klaus Kastberger, „dass man sich auch in 14 Tagen oder in drei Wochen noch daran erinnern wird“.

Die erste von sechs lesenden Österreicherinnen war Sarah Wipauer, die bisher noch kein Buch veröffentlich hat aber auf Twitter und ihrem Blog publiziert. Mit „Raumstation Hirschstetten“ unternimmt die Wienerin eine Art Familienaufstellung im Weltall. Die Kritiken: „Eine unterschwellige Art des Erzählens. . . Die irrsten Dinge werden so erzählt, als ginge es um Fakten. . . Der Text macht mir zu oft den Erklärbär . . . wahnsinnig lustig. . . sprachlich gut aufgelöst. . .“

Über eine Familienfeier, bei der Erinnerungen an den Krieg hochkommen, las die Schweizerin Silvia Tschui: „Der Wod“ musste harte Kritik einstecken: „Der sprachliche Umgang mit der Kriegsthematik ist nicht adequat. Der Text erinnert an ein Bilderbuch für Kinder.“  Und: „Der Text blendet die historische und soziale Realität aus und beschränkt sich darauf, einen minimalen Ausschnitt aus Kindersicht zu erzählen“.

Nora Gomringer, die den Text ausgewählt hat, verteidigt: „Der Text erklärt, wie Härte und Abscheu entstehen und wie der Krieg Nebengeschichten entstehen lässt, die tief in Familien eingreifen und Strukturen für immer verändern.“ Und für Michael Wiederstein spricht in dem Text eine Großmutter. Das sei doch etwas, was man sich bei dem Schweigen nach dem Krieg gewünscht hätte: „Dass die Großmutter erzählt.“

Aus einem dunklen Kärntner Tal

Als „Lokalmatadorin“ las am Nachmittag die gebürtige Kärntnerin Julia Jost aus „Unweit vom Schakaltal“. Sie beschreibt Zusammenkünfte von  Kindern im Wald, wo bereits unter den Jüngsten eine Stimmung von Macht und Missbrauch herrscht; Erwachsene, denen faschistoide Züge eingeschrieben sind oder ein Messer mit der Aufschrift „Meine Ehre heißt Treue“. . .

Der Text entlockte der Jury fast einhellig großes Lob. „Konkrete und dynamische Anschaulichkeit“ oder „metaphorischen Übertriebenheit“  lauteten die Kommentare. Der einladende Klaus Kastberger verwies auf die lange Tradition in Österreich - von Bernhard bis Winkler -, sich mit der nicht aufgearbeiteten Vergangenheit auseinanderzusetzen.

In ganz andere Gefilde entführte schließlich die Schweizerin Andrea Gerster, die in „Das kann ich“ aus der Sicht einer Großmutter vom Auseinanderbrechen der Beziehung ihres Sohnes berichtet. Dabei drängt sich die Erzählerin in den Vordergrund, um nicht nur ihren Enkel für sich zu beanspruchen, sondern auch für ihren Sohn, der für seine Frau - eine Chirurgin - alles aufgegeben hat, einmal mehr alles zu richten.

In der Jury löste der Text wenig Begeisterung aus. „Bieder, langweilig und schwerfällig“ lauten die Kommentare. Zwei Jurorinnen gefiel die Biederheit und die Anlehnung an einen „Telenovela-Absturz“.

Freitag lesen Yannic Han Biao Federer, Ronya Othmann, Birgit Birnbacher (AUT), der Newcomer Daniel Heitzler und Tom Kummer.

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