Live im Gasometer

Cypress Hill: Kein Platz für Trendanbiederung

Musik
15.12.2018 07:00

Nach unzähligen Festival-Auftritten kommen die US-Hip-Hop-Legenden Cypress Hill in wenigen Tagen endlich für eine Einzelshow nach Österreich und spielen im randvollen Wiener Gasometer. B-Real und Sen Dog feiern da nicht nur das neue Album „Elephants On Acid“, sondern auch ihr 30-Jahre-Jubiläum. Grund genug, um mit den beiden einen Blick zurück zu werfen.

(Bild: kmm)

Es gibt bekanntermaßen Bands, ohne die könnte kein Festivalsommer über die Bühne gehen. Die kalifornischen Punkrocker The Offspring sind so jene, die quasi jährlich zwischen Nova Rock und Frequency pendeln, aber trotz unsteter Qualität nicht an Popularität verlieren. Die Sommerfeste könnte man sich aber auch nicht ohne die vorbeiziehenden Weed-Wolken von Cypress Hill vorstellen. B-Real, Sen Dog, DJ Muggs und Eric Bobo gehören nicht nur zu den beliebtesten, sondern auch erfolgreichsten Hip-Hop-Acts in österreichischen Gefilden. Und das obwohl - oder vielmehr weil - man sich seit Jahren jeglichen Trends verweigert, keinen Platz für Autotune oder Cloud-Hype hat und sich stur an die Erfolgsformel der 90er-Jahre hält. Kein Wunder, dass das am 18. Dezember stattfindende Einzelkonzert im Wiener Gasometer seit vielen Wochen restlos ausverkauft ist.

Vertonte Tüte Gras
Doch erstmals seit acht Jahren beruft sich das Kiffer-Quartett nicht nur auf Legendenverwaltung, sondern kreuzt mit neuem Material durch die Lande. „Elephants On Acid“ ist der unzweideutige Name des ersten Albums seit 2010 und landete hierzulande auf Platz 16 der Album-Charts - obwohl nicht jeder so glücklich mit dem neunten Studiorundling der Kalifornier war. Zu experimentell sei es ausgefallen, monierten manche Kritiker. Andere stießen sich an den arabischen Zutaten oder am Fehlen von ins Ohr gehenden Hooks und Melodien. Fürwahr - Cypress Hill haben sich 2018 etwas kreativer gespielt und selbst herausgefordert. Anstatt den x-ten Aufguss ihrer Klassiker „How I Just Kill A Man“ oder „Insane In The Brain“ zu reproduzieren, ließ man lieber wieder DJ Muggs in den Vordergrund und versuchte sich an Loops und spielerischen Sound-Fragmenten. Quasi die Vertonung einer ordentlichen Tüte Gras und somit wohl doch wieder programmatisch für die beliebten Urgesteine.

Cypress Hill ist für die umtriebigen Rapper Sen Dog und B-Real auch der Rückzugsort, an den sie sich fallen lassen und die Probleme dieser Welt vergessen können. Als politische Sprachrohre haben sich in den letzten Jahren die Prophets Of Rage (B-Real - 2019 auch am Frequency) und Powerflo (Sen Dog) herauskristallisiert. Bei Cypress Hill geht das Duo nun nicht unpolitisch vor, lässt in Songs wie „Jesus Was A Stoner“ aber doch lieber den Chill-Modus im Vordergrund. „Ohne eine Botschaft würde die Musik keinen Sinn macht“ erklärt uns Sen Dog im Interview, „es wird immer Millionen von Menschen geben, die sich mit deinen Texten identifizieren und etwas für sich rausziehen können.“ B-Real pflichtet seinem Kompagnon bei: „Das war immer schon der Unterschied zwischen Cypress Hill und Bands wie Public Enemy oder Rage Against The Machine. Sie sprachen politisch zu uns und prangerten das Establishment an. Bei Cypress Hill singen wir eher über uns und wie es uns in unserer direkten Umgebung geht.“

Respekt vor der Geschichte
B-Real ist bewusst, welche Macht die Musik von Cypress Hill mittlerweile erreicht hat. „Wir kommen aus einem Bereich der Welt, wo niemand hören wollte, was wir zu sagen haben. Jetzt sind wir an einem Platz angekommen, wo viele warten, was wir zu sagen haben - das ist absolut einzigartig. Musik ist im Endeffekt wie eine Therapie. Sie kann dich heilen, inspirieren, aber auch manchmal verrückt machen. In jeder Kunstform gibt es Yin und Yang. Den schmalen Grat zwischen positiv und negativ. Selbst wenn wir manchmal dunkle Songs schreiben, erstrahlt am Ende immer das Licht des Optimismus.“ Trotz der ambitionierten anderen Projekte ist und bleibt Cypress Hill die wichtigste Band. „Ohne diese Band könnten wir die anderen gar nicht machen“, weiß B-Real, „der Terminplan ist herausfordernd, aber es gab dahingehend noch nie Konflikte.“ Sen Dog pflichtet ihm bei: „Wir haben eine lange und erfolgreiche Geschichte und pflegen sie mit viel Respekt. Aber man braucht im Leben auch mal Abwechslung, damit alles aufregend und frisch bleibt.“

Die Pioniere des Westcoast-Rap fühlen sich auch nach 30 Jahren nicht ausgelaugt und genießen es, die Früchte der harten Arbeit zu ernten. Erfolg ist für B-Real nicht automatisch mit kommerziellen Zahlenspielen konnotiert. „Obwohl wir viel Spaß haben, spüren wir auch die Verantwortung, die wir mit dieser Band ausstrahlen. Wir wollen den Menschen immer etwas geben, was ihnen hilft. Natürlich haben wir im Laufe der Jahre auch viele Fehler gemacht, aber dahingehend geht es ohnehin allen gleich. Wir haben bislang alle Täler durchschritten und funktionieren als Band heute besser als je zuvor.“ Ein wichtiger Baustein ist nicht zuletzt die Freundschaft, die unter den Musikern herrscht. „Wir sind wie Brüder. Wir sind ehrlich und können uns alles erzählen. Wir sind nicht nur zusammen auf Tour, sondern sehen uns auch Football- und Basketball-Spiele an. Für die Lakers und die Dodgers muss immer Zeit sein! Das Credo von uns war immer, dass die Familie zuerst kommt. Dazu zählt auch unsere Crew, ohne die wir niemals diesen Erfolg haben würden.“

Coolster Job der Welt
Der Gig im ausverkauften Gasometer wird eine Mischung aus Nostalgie und Gegenwart - eine bunte Werkschau auf mittlerweile drei Dekaden kultigem Hip-Hop. Für den bereits 53-jährigen Sen Dog ist die Live-Performance immer das absolute Highlight. „Früher war ich immer nervös, heute habe ich Hummeln im Hintern und kann es kaum erwarten, bis es losgeht. Eine Liveshow ist physisch und psychisch extrem reinigend.“ Für den um fünf Jahre jüngeren B-Real ist auch klar, dass eine solche Hallen-Tour nicht mehr ganz unvorbereitet über die Bühne gehen kann. „Fitness ist ein wichtiger Faktor. Bei vielen in unserem Alter merkst du deutlich, dass sie abseits der Bühne wenig für sich tun. Wie bei allen anderen Dingen, hat man auch bei Konzerten manchmal keine Lust, sich 80 Minuten auszupowern, aber es gehört zum Geschäft dazu. Und wenn du mal wirklich einen Hänger hast, musst du dir nur in Erinnerung rufen, dass du den coolsten Job der Welt hast.“

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