Eine wunderbare neue Komödie mit ernstem Hintergrund zeigt, wie „frau“ ihren Orgasmus (wieder-)findet und rückt Lust und Liebe um die Lebensmitte punktgenau ins Zentrum geglückter Selbstfindung.
Das „Happy Ending“ geht auf. Wenn die Loslösung vom untreuen Ehemann (Marcus Strahl) in der Midlife-Krise endlich nicht mehr schmerzt, die Dildos, Peitschen und Vibratoren in der Schublade verschwinden, eine ungewöhnliche berufliche Aufgabe und neue Freundinnen Selbstsicherheit vermitteln, kommt Emma (Petra Kleinert) an. Bei sich, bei ihrem Körper - der so ganz und gar nicht dem dürren Ideal der Modemacher, dafür der Durchschnittsfrau in der Lebensmitte entspricht - und bei dem Orgasmus, von dem sie dachte, er hätte sich für immer verabschiedet.
Der neue heimische Film „Das kleine Vergnügen“ bricht humorvoll und hintergründig das Tabu um sexuelle Vorlieben, (Selbst-)Befriedigung und Lusterlebnisse auf. Dabei schafft es die österreichische Regisseurin und Produzentin Julia Frick mit sympathischem Witz, das Thema niemals ins Lächerliche, Peinliche oder Obszöne abgleiten zu lassen, jeder sexuellen Spielart ohne Vorurteile zu begegnen. Als die frustrierte Hausfrau Emma von der jungen Geliebten ihres Mannes erfährt, nimmt sie ihr Leben selber in die Hand und sucht sich einen Job - ausgerechnet als Geschäftsführerin in einem Sexshop mit Pornovideo-Kabinen im Hinterzimmer. In Kürze macht sie aus dem Schmuddelladen eine „Erotikboutique für Frauen“, gerät in allerlei Verwicklungen, Selbstfindungs-Szenarien und Beziehungsstrudel. Genial: Waltraut Haas als prüde Mutter.
Mutig, kultig, sexy: Weitere Publikumslieblinge wie Marcus Strahl, Petra Kleinert Reinhard Nowak, Ramesh Nair, Barbara Karlich uva. füllen die Kleinstadt um den Hauptcharakter Emma mit Leben, Liebe und Lust.
Das große O auf der Filmleinwand
„Ich habe gelesen, dass 40 bis 43 Prozent der Frauen über sexuelle Schwierigkeiten klagen. Da wollte ich weibliche Sexualität ins gesellschaftliche Gespräch bringen - positiv besetzt“, berichtet Julia Frick. Förderungen gab es keine, sie hat zusammen mit ihrer Schwester Alice als Co-Autorin, engagierten Schauspielern (siehe Kasten) und Crew den Spagat zwischen Comedy und sozialpolitischem Diskurs bravourös gemeistert. In der Wiener Lugner-City trafen wir die Filmemacherin zusammen mit Gesundheitspsychologin Dr. Kathrin Kirchheiner, AKH Wien, und Sexualpädagogin Bettina Weidinger zum Publikumsgespräch.
Trotz allgegenwärtiger sexueller Darstellungen in Alltag, Internet, Werbung, Musikvideos etc. orten die Expertinnen einen enormen Bedarf an Hintergrundinformation und stufen den Themenkreis immer noch als Tabu ein. „Es gibt wenig Sprache, für das, was beim Orgasmus passiert, da herrscht hohe Verunsicherung“, so Weidinger. Die gute Nachricht: Aus Sicht der Psychologin ist sexuelle Lust immer herstellbar, darf aber nicht vom Partner abhängig gemacht werden, sondern entsteht aus dem Erkennen der eigenen Bedürfnisse. Dr. Kirchheiner: „Es gibt kein Standardrezept, jede Frau ist anders. Ein erster Schritt wäre schon, sich einmal klarzumachen: Was ist eigentlich Erregung für mich? Wie fühlt sich das an?“ Na dann: Holen Sie sich den Orgasmus vom Film ins wirkliche Leben, meine Damen!
„Das kleine Vergnügen“ konnte bereits zahlreiche Preise bei internationalen Festivals einheimsen, wie z. B. als bester ausländischer Film in Los Angeles und Buenos Aires, den NDR Nachwuchsfilmpreis oder für die beste Nebendarstellerin (Waltraut Haas). Die Weltpremiere fand 2017 beim Montreal World Film Festival statt. Er läuft derzeit in österreichischen Kinos. Am So., 21. 10., findet um 12.00 im Lugner Kino in Wien nach der Filmvorführung um 13:30 ein Publikumsgespräch zum Thema „weibliche Sexualität“ statt.
Karin Podolak, Kronen Zeitung
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