Entlastung

Exoskelett greift VW-Arbeitern unter die Arme

Elektronik
13.09.2018 08:30

Erfunden wurden sie, um Querschnittgelähmten wieder das Laufen zu ermöglichen: Exoskelette. Dann entdeckte das Militär die sogenannten Außenskelette - Orthesen mit Gelenken und Motoren, die sich Soldaten umschnallen, um schwere Lasten zu tragen und ausdauernder laufen zu können. Doch der größte Markt für Exoskelette dürfte in der Industrie liegen - etwa bei den Autobauern.

Denn einem immer größeren Teil der alternden Belegschaft fällt es schwer, am Band über Kopf zu schrauben oder zu bohren. Volkswagen glaubt mithilfe des weltgrößten Prothesen-Herstellers Ottobock die Lösung gefunden zu haben: den „Paexo“. Das 1,9 Kilogramm leichte Oberkörper-Skelett wird wie ein Rucksack umgeschnallt und soll das Gewicht von den Armen auf die Hüfte ableiten - und damit die schmerzenden Schultern entlasten.

„Ein Exoskelett ist vielleicht die intensivste Form der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter. Der Arm wird damit praktisch zum Roboter-Arm“, sagt Patrick Schwarzkopf vom VDMA-Fachverband Robotik und Automation. Mit dem „Paexo“ fühle sich der eigene Arm so leicht an, als wenn man im Schwimmbad auf dem Wasser gleite, sagt Sönke Rössing, der Chef der Industrie-Sparte von Ottobock. Und weil das Gerät so leicht sei, könne es auch eine ganze Acht-Stunden-Schicht getragen werden.

30 Volkswagen-Mitarbeiter in der slowakischen Hauptstadt Bratislava haben den „Paexo“ schon getestet - 80 Prozent von ihnen sagten, sie würden das Exoskelett auch Kollegen empfehlen. Nun spricht VW mit dem Hersteller aus dem niedersächsischen Duderstadt über einen Einsatz in der Serien-Produktion, wie Rössing sagt. Ein VW-Sprecher erklärte, die Gespräche stünden vor dem Abschluss.

Milliardenmarkt
Das 99 Jahre alte Familienunternehmen Ottobock, das mit Prothesen für die Veteranen des Ersten Weltkriegs groß geworden ist, könnte mit „Paexo“ eine völlig neue, größere Kundengruppe erschließen. Rian Whitton, Analyst des Technologie-Marktforschungsinstituts ABI Research, schätzt den Markt für industrielle Anwendungen von Exoskeletten in zehn Jahren auf 1,76 Milliarden Dollar (1,52 Milliarden Euro). 126.000 Exoskelette sollen dann im Einsatz sein. 2018 würden 3900 Stück für 67 Millionen Dollar verkauft.

Große Konkurrenz
VW ist allerdings nicht der einzige Autobauer, der mit Exoskeletten experimentiert. Zahlreiche Start-ups tummeln sich neben Medizintechnik- und Roboter-Herstellern auf dem Feld. Der größte Rivale von Ottobock, die isländische Össur, arbeitet zusammen mit der Robotik-Tochter von FiatChrysler, Comau, an einem Oberkörper-Exoskelett, das im Dezember vorgestellt werden soll.

Ford testet seit dem vergangenen Jahr in zwei US-Werken ein ähnliches Produkt von Ekso Bionics Holdings. BMW hat in seinem US-Werk in Spartanburg eine Exoskelett-Weste von Levitate Technologies (Video unten) ausprobiert. Und bei der Volkswagen-Tochter Audi kommt der „Chairless Chair“ des Schweizer Start-ups Noonee zum Einsatz, mit dem die Arbeiter am Band sitzen statt stehen.

Exoskelett für den Haushalt geplant
Ottobock verkauft das „Paexo“ übrigens für 5000 Euro. 
Rössing träumt jedoch bereits von ganz anderen Zielgruppen: Kollegen, die sein Exoskelett am Wochenende ausleihen wollten, um ihre Wohnung zu renovieren, haben ihn auf die Idee gebracht. Jetzt plant der Ottobock-Manager eine vereinfachte Version für den privaten Gebrauch, die nicht mehr kosten soll als ein gutes Elektrowerkzeug.

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