Blutbad in Belgien

Täter trug “Joker”-Schminke

Ausland
26.01.2009 11:57
Am Tag nach dem Blutbad in einer Kinderkrippe im belgischen Dendermonde, bei dem zwei Kleinkinder und eine Betreuerin getötet sowie zehn weitere Kinder teils schwer verletzt wurden, sind weitere Details über den erst 20 Jahre jungen Täter bekannt geworden. Offenbar hatte der junge Amokläufer die Tat geplant und setzte sich dabei als "Joker"-Figur gemäß dem letzten Batman-Film in Szene. Die Ermittler fanden außerdem ein kleines Waffenarsenal, das der 20-Jährige in der Umgebung der Kindertagesstätte "Fabelland" gebunkert hatte. Möglicherweise hatte er vor, weitere Einrichtungen zu überfallen.

Der Belgier wurde am Freitagabend nach stundenlangen Polizeiverhören einem Untersuchungsrichter vorgeführt und des dreifachen Mordes sowie des mehrfachen Mordversuchs angeklagt, gab Staatsanwalt Christan Du Four am Samstag bekannt. In den zehnstündigen Befragungen nannte er keinerlei Motiv für seine Taten und schwieg die meiste Zeit. Er war bisher – entgegen belgischen Berichten vom Freitag – weder als geisteskrank bekannt noch stand er unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. Der Mann sei auch nicht aus einer Psychiatrie geflohen, hieß es.

Der Messerstecher war am Freitagvormittag mit weiß geschminktem Gesicht und schwarz umrandeten Augen in die Kinderkrippe in der flämischen Kleinstadt Dendermonde eingedrungen und hatte mit einem 30 Zentimeter langen Messer gezielt auf Babys eingestochen, die in ihren Bettchen lagen. Dabei wurden zwei kleine Kinder und eine Betreuerin getötet. Zwölf weitere Babys und Kindergärtnerinnen wurden zum Teil schwer verletzt. Die Polizei hatte den Mann nach einer kurzen Flucht per Fahrrad in einem Nachbarort gefasst.

"Psychopathischer Fan des Jokers"
Belgische Zeitungen beschrieben den Täter wegen seiner Schminke als psychopathischen Fan des Bösewichts "Joker" aus dem Batman-Film "The Dark Knight", für dessen Darstellung der australische Schauspieler Heath Ledger posthum für den Oscar nominiert wurde. Wie die Zeitung "Le Soir" berichtete, verübte der Messerstecher die Bluttat genau ein Jahr und einen Tag nach Ledgers Tod durch eine Überdosis Medikamente. Laut Zeitungen gab sich der Mann im Polizeiverhör zudem arrogant und lachte den Beamten ins Gesicht - auch dies ein Verhalten ähnlich dem des Film-"Jokers".

Axt, schusssichere Weste und weiteres Waffenarsenal
Die Ermittler gaben weiters bekannt, dass der 20-Jährige bei seiner Verhaftung schwer bewaffnet war und noch dazu ein kleines Arsenal an zusätzlichen Waffen in der Nähe der Tagesstätte gebunkert hatte. Er trug bei seiner Verhaftung außer dem Tatmesser eine kleine Axt, eine Pistolenattrappe sowie eine schusssichere Weste bei sich. Ganz in der Nähe der Krippe seien weitere Messer sichergestellt worden, die sehr wahrscheinlich auch dem Beschuldigten gehörten.

Berichten belgischer Medien, wonach der 20-Jährigen einen Überfall auf eine weitere Kinderkrippe plante, bestätigte die Staatsanwaltschaft nicht. Über die weiteren Pläne des Mannes gebe es keine gesicherten Erkenntnisse, sagte Staatsanwalt Christan Du Four. Zeitungen hatten berichtet, der Mann habe einen Zettel bei sich getragen, auf dem der Name einer weiteren Betreuungseinrichtung für Kinder notiert gewesen sei.

Getötete Kinder waren sechs und neun Monate alt
Auch die Identitäten der Toten wurden bekanntgegeben. Demnach handelte es sich um ein neun Monate altes Mädchen und einen sechs Monate alten Buben sowie um die 54-jährige Leiterin der Kinderkrippe. Der Großteil der verletzten Opfer des Messerstechers wird am Wochenende die Spitäler verlassen können. Ein sechs Monate altes Baby und eines dreijähriges Kleinkind befinden sich laut des Genter Universitätskrankenhauses aber noch in einem kritischen Zustand. Sie seien jedoch außer Lebensgefahr. Nach Angaben eines weiteren Krankenhausvertreters wurden einige der Opfer von dem 20-Jährigen regelrecht verstümmelt. Sie benötigten deshalb die Hilfe von plastischen Chirurgen.

Vor der Kinderkrippe legten Bewohner am Samstag Blumen und Plüschtiere ab und zündeten Kerzen an. "Es ist wirklich unfassbar, was gestern passiert ist, für uns alle", sagte Maria Lorero. Und auch ein anderer Passant äußerte sein Entsetzen über die Bluttat: "Wir dachten, so etwas passiert nur in den USA, und jetzt erleben wir das in Belgien, in so einer kleinen Stadt", sagte Serge De Plecker.

Bürgermeister: "Unsere Stadt trauert"
Die Bluttat löste in der 44.000-Einwohner-Stadt Dendermonde in der Provinz Ostflandern Panik aus. "Unsere Stadt trauert über diese große Tragödie", erklärte Bürgermeister Piet Buyse am Freitag. "Dies war eine brutale Tat. Die wehrlosesten Menschen, sehr kleine Kinder, wurden getötet und viele andere schwer verletzt. Die Eltern stehen unter Schock, wie die gesamte Stadt." Buyse fügte hinzu: "Die einzig gute Nachricht ist, dass die beiden besonders schwer verletzten Kinder inzwischen außer Lebensgefahr sind." Eine Sprecherin der Regionalregierung, Leene Du Bois, sagte: "Niemand hätte sich vorstellen können, dass jemand so viel Leid anrichten kann." Der Messerstecher habe keine besondere Beziehung zu der Krippe. Zahlreiche Elternpaare mit ihren Kindern legten in der Nacht vor dem abgesperrten Eingang zur Tagesstätte "Fabelland" Blumen nieder und zündeten Kerzen für die Opfer an.

Offizielles Belgien steht unter Schock
In einem Beileidsschreiben an die Familien der Opfer zeigte sich am Freitag auch Ministerpräsident Herman Van Rompuy bestürzt. "Einmal mehr steht das Land unter Schock und ist erschüttert über diesen entsetzlichen Gewaltakt, der sich in einer Gesellschaft ereignet hat, die in Harmonie und Frieden leben möchte", schrieb er. Unvergessen sind in Belgien die Mädchenmorde von Marc Dutroux. "Wir sind schockiert", sagte Innenminister Guido De Padt auf einer Pressekonferenz. "Unsere Gedanken sind jetzt bei den Familien und den Mitarbeiterinnen der Kinderkrippe."

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