Krise in Deutschland

Müntefering löst Beck als SPD-Chef ab

Ausland
07.09.2008 20:51
Was als glanzvolle Kür des Kanzlerkandidaten der deutschen Sozialdemokraten gedacht war, endete in einem trotzigen Abgang des Parteichefs. Kurz vor halb fünf am Sonntagnachmittag sprach Frank-Walter Steinmeier dann den Satz, dessen Inhalt zu diesem Zeitpunkt längst bekannt war: "Ich bin bereit, die SPD als Spitzenkandidat in diese Wahl zu führen." Die eigentliche Nachricht des Tages folgte im nächsten Satz: Der 52-Jährige übernimmt zusätzlich kommissarisch den Parteivorsitz. Kurt Beck (Bild rechts) schmeißt hin, Steinmeier wird Kanzlerkandidat und vorübergehend auch SPD-Chef, so schnell wie möglich folgt ihm dann Franz Müntefering (links).

Das Bild, das sich am Sonntag um die Mittagszeit am Schwielowsee in Brandenburg bot, sprach Bände: Durch den Vordereingang gingen um 12.58 Uhr nacheinander die Parteivize Steinmeier, Peer Steinbrück und Andrea Nahles sowie Fraktionschef Peter Struck und Generalsekretär Hubertus Heil ins Tagungshotel. Drei Minuten später, fast unbemerkt, schlich Beck durch den Hintereingang zu den knapp 50 Genossen, die hier seit zwei Stunden eigentlich auf den Beginn der Klausurtagung gewartet hatten.

Die Botschaft, die Beck seinen Parteikollegen am idyllischen Seeufer mitzuteilen hatte, war so knapp wie überraschend: Der Mann, der seit Wochen sagte, er warte auf den "richtigen Zeitpunkt" zur Verkündung des Kanzlerkandidaten, schmiss die Brocken als Parteichef hin - gerade zu dem Zeitpunkt, als er sich mit Steinmeier in der K-Frage geeinigt hatte.

Beck gibt entnervt auf
Denn das sollte eigentlich am Schwielowsee verkündet werden: Steinmeier macht's, Beck bleibt als Parteichef eng an seiner Seite. Als am Samstagabend der "Spiegel" und die "Berliner Zeitung" vorab die sorgsam geheim gehaltene Neuigkeit verbreiteten, platzte dem seit langem sichtlich frustrierten Beck der Kragen. Es habe ihm aufgrund der Vorgänge der vergangenen Wochen "die Kraft gefehlt", das Amt weiter zu führen, sagte Beck dann in der Sitzung.

Steinmeier zerknirscht - Beck geht wortlos
Ein eilig einberufenes Krisentreffen mit der engen Parteispitze in der nahegelegenen Ortschaft Ferch hatte am Sonntagmorgen die überraschende Wendung gebracht. Die zerknirschte Mine Steinmeiers, als die Parteioberen mit zweistündiger Verspätung am Tagungshotel eintrafen, ließ keinen Zweifel mehr. Nach nur einer Viertelstunde verließ Beck - ebenfalls durch den Hintereingang - das Hotel ebenso wortlos wieder, wie er gekommen war.

Parteianhänger atmen auf
Die Botschaft, die sein Abgang aussandte, war unmissverständlich: Beck und die Partei gehen getrennte Wege. Er selbst wird es wohl als Putsch, Intrige oder Dolchstoß bewerten, sieht sich als Opfer einer Medienkampagne. Manch andere in der Partei atmen auf angesichts des ihrer Meinung nach überfälligen Befreiungsschlags.

Kampfansage gegen Merkel vom neuen Kanzlerkandidaten
385 Tage bis zur Bundestagswahl bleiben der SPD, um mit der neuen Führung aus dem seit langen Zeiten währenden Umfragetief zu gelangen. "Heute beginnt nicht der Wahlkampf, aber für uns die Aufholjagd für die Bundestagswahl 2009", sagte Steinmeier. Die SPD brauche eine starke Führung und ein starkes Zentrum. Eine Kampfansage an Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel lieferte er gleich mit: "Ich trete nicht an, um auf Platz zu spielen."

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