Für stark und unverwundbar hielt sich Pfleger Herbert (58). Bis er selbst krank wurde. Lesen Sie das Protokoll eines Mannes, der umdenken musste.
Mein Glaubenssatz von früher: Einen echten Mann haut so schnell nichts um. Danach habe ich gelebt. Obwohl die Arbeit als Krankenpfleger anstrengend war und die Schichtdienste viel Kraft geraubt haben, echte Entspannung gönnte ich mir nie. Privat habe ich mich als starkes Familienoberhaupt gegeben, ich hatte alles im Griff.
Tief in mir drinnen hat es freilich anders ausgesehen. Damals wollte ich das nicht wahrhaben. Mit 45 Jahren bin ich noch einmal Vater geworden. Doch ich fürchtete, dass ich nicht mehr die nötige Energie und Geduld für ein kleines Kind aufbringen könnte. Gleichzeitig machte ich mir den Druck, fit zu bleiben. Meine junge Frau sollte schließlich stolz auf mich sein.
"Ich hielt mich für unverwundbar"
Im Spital galt ich als Leistungsträger, auf den immer Verlass ist. Diesen Ruf wollte ich nicht aufs Spiel setzen. Also verbrachte ich viel Zeit im Fitnessstudio mit Krafttraining. Ich war eitel, ehrgeizig, hielt mich für unverwundbar. Aus heutiger Sicht eine geradezu lächerliche Einstellung.
Wie ein Hohn traf mich 2009 der Schicksalsschlag auf der Langbank. Gerade hatte ich 30 Kilo mit beiden Armen hochgestemmt, als ich den Schmerz spürte. Es war, als würde mich jemand mit einer Faust zusammenquetschen. Ich bin lange genug mit der Rettung gefahren. Ich erkannte die Anzeichen des Herzinfarkts sofort. Trotzdem bin ich noch selbst mit dem Auto nach Hause gefahren. Wohl ein letzter Versuch, das Unabwendbare abzuwenden.
Doch dann schossen mir Bilder von meiner Tochter in den Kopf. Ich durfte sie nicht im Stich lassen. Erst dann spürte ich die Panik vor der eigenen Vergänglichkeit. Gerade noch hatte ich es ins Krankenhaus geschafft. Mit der Diagnose Herzinfarkt ist auch die Notfall-Maschinerie angelaufen. Man gab mir Lyse-Medikamente, ein Stent wurde gesetzt. Nach sechs Tagen Bettruhe durfte ich dann heim.
Neues Vertrauen zu eigenem Körper aufgebaut
Anfangs schaffte ich es nicht, alleine aus dem Haus zu gehen, vor lauter Angst, mein Herz zu belasten. Der Infarkt war eine Warnung gewesen. Meine vielleicht letzte Chance wollte ich nicht leichtfertig verspielen. Erst in der Reha-Klinik lernte ich, wieder Vertrauen zu meinem Körper aufzubauen - und auf ihn zu hören. Zum ersten Mal in meinem Leben spürte ich, was mir guttut. Und was nicht. Ich ersetzte den Kraftsport durch Ausdauertraining. Dann habe ich meine Wochenarbeitszeit auf 20 Stunden reduziert. Gesundheit war nun wichtiger als Geld.
Meine gewonnene Zeit verbringe ich mit meiner Familie, oder ich sportle in der Natur. Es gibt so vieles, was früher von mir unentdeckt blieb. Ich habe angefangen, mich für Kunst zu begeistern, und gehe mit meiner 13-jährigen Tochter auf Pop-Konzerte. Meine Ehe ist romantischer denn je, das Leben ist reicher und schöner geworden. Der Herzinfarkt hat mich letztlich gerettet.
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