Wahnsinnsgeräte

Was MotoGP-Raketen von Straßen-Bikes unterscheidet

Motor
11.08.2016 06:37

Sie schauen irgendwie aus wie ganz normale Motorräder, aber MotoGP-Maschinen sind alles andere als das. Nicht nur weil sie teurer und bei Weitem stärker sind, wegen ihrer völlig eigenen Geometrie, bzw. so, wie sie eingestellt sind, sind sie für Normalfahrer nicht zu handlen. Red Bull hat die Unterschiede zwischen handelsüblichen Superbikes und der Creme de la Creme der Rennmotorräder zusammengetragen.

(Bild: kmm)

Eines gleich vorweg: Die MotoGP-Prototypen gibt es nicht zu kaufen - aber geschätzt werden die Werkzeuge von Marc Márquez & Co auf einen Wert von 2 Millionen Dollar aufwärts. Pro Stück. Immerhin sind es die unangefochten schnellsten einspurigen Fahrzeuge, die von 12. bis 14. August auf dem Red Bull Ring unterwegs sein werden.

Motor
Die 1000 cm³ Hubraum der MotoGP und die Vierzylinder-Bauweise sind auch bei den großen Straßen-Maschinen Standard, also wo kommt die Mehrleistung her? Schließlich ist von 280 PS die Rede. Zunächst rauben weder Katalysator noch Schalldämpfer Kraft. Den Rest besorgen nutzbare Drehzahlen von über 16.000/min, ermöglicht durch pneumatische Ventilsteuerung: Druckluft schließt die Motorventile schneller und verlässlicher, als es vergleichsweise träge Metallschraubenfedern könnten. Im Rennsport ist diese Technologie essentiell, für die Straße schlicht unbrauchbar.

Getriebe
Aus der Formel 1 stammt das sogenannte Seamless-Getriebe. Diese elektromechanischen Wunderwerke vollziehen den Wechsel der Gangstufen quasi verschliffen, ohne Kupplungseinsatz und Zugkraftunterbrechung. Davon profitieren Traktion und Fahrer, nicht unerheblich bei 500 bis 800 Schaltvorgängen pro Rennen.

Auf der Rennstrecken üblich: Die "verkehrte" Bedienung des Gangwahlhebels, das heißt erster Gang rauf, Rest runter. Nur so funktioniert das Hochschalten in Schräglage. Die Übersetzungsverhältnisse werden natürlich Rennen für Rennen angepasst.

Bremsen
Für Straßenmotorräder sind Metall-Bremsscheiben ausreichend, doch ein MotoGP Fahrer zieht bis zu 30% der Rennzeit am Bremshebel. Die Lösung lautet Carbon-Keramik-Bremsscheiben für das Vorderrad. Sie messen je nach Strecke 320 oder 340 mm Durchmesser, sind leichter und vertragen wesentlich höhere Temperaturen - 800 statt 600 °C ohne Fading. Bei Regen wird hingegen Stahl verwendet, denn Carbon käme nicht auf Arbeitstemperatur. ABS, wie in der Serie inzwischen üblich, gibt es in der MotoGP übrigens keines.

Reifen & Räder
Auf der trockenen Rennstrecke werden (natürlich nicht nur in der MotoGP) Slicks verwendet (profillose Reifen), auf der Straße sind sie wegen der Unfahrbarkeit bei Nässe illegal. Die Reifenmischungen unterscheiden sich je nach Strecke erheblich, am Sachsenring brachte Michelin erstmals einen asymmetrischen Aufbau zum Einsatz. Felgen werden aus ultraleichtem Magnesium angefertigt, ihr Durchmesser beträgt seit 2016 die handelsüblichen 17 Zoll (statt 16,5) - mit ein Grund für das schwierigere Handling der diesjährigen Bikes.

Fahrwerk & Chassis
1.5 g Bremsbeschleunigung und Schräglagen von über 60 Grad - Schwerarbeit für die Vorderradaufhängungen in der MotoGP. Deshalb sind die Upside-down-Gabeln mit 48 mm deutlich stärker als gewöhnlich. Federrate, Vorspannung und Dämpfung (Zug- und Druckstufe getrennt) ist wie beim Federbein im Heck einstellbar. Elektronische Dämpfungssteuerung ist verboten, für die MotoGP aber ohnehin zu langsam.

Was das Chassis, also den Rahmen und die Hinterachsschwinge angeht, so unterscheidet sich ein MotoGP-Bike weniger in der Bauweise, als in den Einstellmöglichkeiten der Fahrwerksgeometrie von der Serie. Dabei aber sehr.

Karosserie & Packaging
Die Hüllen von MotoGP-Prototypen sind selbstverständlich aus federleichter Kohlefaser gefertigt - unvorstellbar in der Massenfertigung. Wobei - Yamaha setzt den Werkstoff bei der YZF-R1M ein. Bei Gewichtsverteilung und Aerodynamik kann ein Prototyp ebenfalls aggressivere Wege beschreiten. Ein straßenzugelassenes Bike schleppt eine voluminöse Abgasanlage sowie Dinge wie Startermotor, Licht, Soziussitz und eine große Batterie mit. Die umstrittenen Frontflügel werden ab 2017 verboten.

Sensorik & Traktionskontrolle
40 bis 50 Sensoren trägt ein MotoGP-Motorrad, vom Reifendruck über verschiedene Motorparameter, Chassisbalance, Schräglage, Position bis hin zu den Drehgeschwindigkeiten von Vorder- und Hinterrad. Einige füttern die Motorsteuerung, die 2016 stark vereinheitlicht und vereinfacht wurde und die Teams so vor neue Herausforderungen gestellt hat. Genauso wie käufliche Traktionskontrollen verhindert sie Wheelies und Highside-Crashes, ist in der Rennsportversion hinsichtlich Präzision und sanfter Arbeitsweise aber weit überlegen.

MotoGP-Bikes für jeden
Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist und knapp 188.000 Euro im Sparschwein hat: MotoGP-Technik ist doch käuflich! Honda bietet mit der RC213V-S eine straßentaugliche Replika seines Weltmeisterschaftsmotorrads an, so wie es einst Ducati mit der Desmosedici RR getan hat. Freilich ohne pneumatische Ventilsteuerung, Slicks und Carbonbremsen, dafür mit Schalldämpfer, Scheinwerfer, Blinkern, Spiegel, Hupe und Nummerntafelhalter.

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(Bild: kmm)



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