Wegen Isolationshaft

Gericht gibt Massenmörder Breivik teilweise Recht

Ausland
20.04.2016 17:05

Der Attentäter Anders Behring Breivik hat am Mittwoch einen Rechtsstreit mit der norwegischen Regierung gewonnen. Ein Gericht in Oslo gab der Klage des wegen 77-facher Tötung verurteilten Extremisten gegen seine harten Haftbedingungen statt. Breiviks langjährige Isolationshaft sei "unmenschlich" und verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, urteilte das Gericht. Der Staat muss auch Breiviks Prozesskosten in Höhe von fast 36.000 Euro übernehmen.

In der Frage der Einzelhaft folgte das Gericht weitgehend der Argumentation Breiviks: "Das Gericht ist zu dem Schluss gekommen, dass die Haftbedingungen eine unmenschliche Behandlung darstellen." Richterin Helen Andenaes Sekulic verwies insbesondere darauf, dass der 37-Jährige seit fast fünf Jahren in Einzelhaft sitze. "Das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung zählt zu den Grundwerten einer demokratischen Gesellschaft", heißt es in dem Urteil. "Das gilt auch für die Behandlung von Terroristen und Mördern."

Verstoß gegen Menschenrechtskonvention
Mit Breiviks Haftbedingungen verstießen die Strafvollzugsbehörden nach Auffassung des Gerichts gegen Artikel drei der Europäischen Menschenrechtskonvention, in dem es heißt: "Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden."

Nicht durchsetzen konnte sich Breivik hingegen mit der Klage gegen die Kontrolle seiner Kontakte zur Außenwelt. Der erklärte Rechtsextremist wollte erreichen, dass die Kontrollen seiner Korrespondenz und seiner Besucher gelockert würden. In den Beschränkungen sah er eine Verletzung von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der die Achtung des Privat- und Familienlebens regelt. Diesem Argument wollte das Gericht aber nicht folgen.

Überlebende reagieren unterschiedlich auf Urteil
In ersten Reaktionen bewerteten Überlebende des Massakers auf der Insel Utöya das Urteil unterschiedlich. "Das Urteil zeigt, dass der Rechtsstaat funktioniert und die Menschenrechte selbst in extremen Fällen respektiert", schrieb der Überlebende Björn Ihler im Kurznachrichtendienst Twitter. Ein weiterer Überlebender, Viljar Hanssen, kam zu einem anderen Schluss: "Ein Hoch auf den Rechtsstaat - aber das ist nun einfach absurd", schrieb er auf Twitter.

Breiviks Anwalt Oystein Storrvik hatte die Klage mit dem Hinweis zu rechtfertigen versucht, dass sein Mandant wahrscheinlich den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen müsse. Breivik war wegen der Anschläge zur Höchststrafe von 21 Jahren Gefängnis verurteilt worden, die Inhaftierung kann aber verlängert werden, wenn die Behörden in ihm eine Gefahr sehen.

Behörden halten Breivik für "extrem gefährlich"
In den Anhörungen zu dem Fall hatte Breivik keinen Ehrgeiz erkennen lassen, diesen Eindruck zu widerlegen. Er bezeichnete sich selbst als Neonazi, zeigte den Hitlergruß und begründete seine Klage auch damit, dass er intensiver mit seinen Anhängern kommunizieren wolle. Die Rechtsvertreter der Behörden hatten dagegengehalten, der 37-Jährige sei "extrem gefährlich" und müsse daran gehindert werden, weitere Anschläge über Anhänger außerhalb des Gefängnisses zu planen.

Breivik hatte im Juli 2011 zunächst acht Menschen bei einem Bombenanschlag in Oslo getötet und anschließend auf der Insel Utöya 69 Teilnehmer eines Sommerlagers der sozialdemokratischen Jugendorganisation erschossen. Dafür hatte ihn ein Gericht zu 21 Jahren Gefängnis verurteilt.

Norwegen legt prinzipiell großen Wert auf einen liberalen Strafvollzug, in dem der Rehabilitierungsgedanke Vorrang vor der Bestrafungsabsicht hat. Breiviks Haftbedingungen sind im internationalen Vergleich komfortabel. Im Hochsicherheitsgefängnis Skien belegt er drei Zellen: einen Schlafraum, ein Studierzimmer und einen Fitnessraum.

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