Milde Sorte

Mercedes S 400 Hybrid – Sparen in Ruhe und Luxus

Motor
12.07.2010 12:35
Mercedes pfeift auf Toyotas Vorreiterrolle in Sachen Hybridantrieb und hat mit dem Facelift der „Flaggserie“ S-Klasse einen Hybridantrieb auf den Markt gebracht, der moderner ist als der nipponesische: Im S 400 Hybrid kommt die Power erstmals aus Lithium-Ionen-Batterien - die nicht mal Platz wegnehmen.
(Bild: kmm)

Die Akkus sind platzsparend im Motorraum untergebracht (bei BMW erblasst man vor Neid), nur die normale Autobatterie steckt im Kofferraum, der wie in allen S-Klassen 560 Liter schluckt. Der Elektromotor schmiegt sich nur 4,5 Zentimeter schlank zwischen dem 3,5-Liter-Benzinmotor und die Siebengangautomatik. Der kleine Stromer unterstützt mit seinen 15 kW (20 PS) und 160 Nm den 279-PS-V6, der unten herum etwas schwachbrüstig ist, dafür oben rum sparsam. So steht immer genügend Leistung zur Verfügung, wenn man sie braucht.

Die Mildversion eines Hybrids
Das Umschalten zwischen Benzinmotor, zusätzlichem E-Motor und Energierückgewinnung passiert völlig nahtlos, der Fahrer bekommt davon praktisch nichts mit - es sei denn, er lässt die Grafik auf dem Display mitlaufen und sieht den jeweiligen Kraftfluss. Rein elektrisch fährt der S 400 nicht, es handelt sich um einen sogenannten Mildhybrid. Was er allerdings gut kann, ist automatisch starten und stoppen, und das zeigt er auch sehr häufig.

Beim Heranrollen an eine rote Ampel etwa schaltet der Motor schon früh ab und läuft sofort wieder an, wenn man weiterfährt. Tatsächlich ist es eher ein „Wiederanlaufen“ statt eines Startens, weil der Benziner fast ansatzlos einfach wieder läuft. Im Wesentlichen fällt das nur auf, wenn man z.B. rangiert, weil das Starten/Stoppen dann überhandnimmt. Wenn man dabei nicht hektisch wird, ist das aber kein Problem, und Hektik ist in einer S-Klasse ohnehin fehl am Platz.

In der Ruhe liegt die Kraft
Hier geht es generell sehr ruhig zu. Lärm bleibt draußen (sogar die Außenspiegel wurden windgeräuschoptimiert), Bodenunebenheiten lösen sich in der serienmäßigen Luftfederung auf. Als Kehrseite werden Lenkbewegungen leicht gefiltert (was einen echten Mercedesfahrer aber noch nie gestört hat) und das Bremsgefühl ist etwas schwammig. Letzteres kommt wohl zum Teil daher, dass beim Bremsen zunächst (zu 0,15 g) die Rekuperation einsetzt und Pedalgegendruck künstlich erzeugt wird. Gewöhnungsbedürftig ist in der Hinsicht vor allem das Starten und Losfahren, weil man nach dem Einsteigen normalerweise zu wenig stark auf die Bremse steigt. So bewegt sich der S 400, sobald man den Lenkstockhebel auf „D“ gestellt hat, obwohl man den Fuß doch auf der Bremse hat.

Netter Hybrid-Nebeneffekt: Der Tempomat lässt sich als Retarder einsetzen. Einfach eine niedrige Geschwindigkeit einstellen und deaktivieren, dann setzt Bremskraft ähnlich wie in Bus oder Lkw ein, sobald man am Lenkstockhebel zieht.

Insgesamt glänzt das System durch Unauffälligkeit, nicht mal auf der Waage löst es Stirnrunzeln aus, wiegt die komplette Hybridanlage doch nur 75 kg. Der Sechszylinder passt auch akustisch gut zum Charakter des Autos, obwohl ihm eigentlich mindestens zwei Zylinder fehlen, wenn man so will. Die Motorisierung ist für dieses 1.955 kg schwere Luxusschiff standesgemäß, auch die Fahrleistungen liegen auf hohem Niveau (0-100=7,2, 250 km/h abgeregelt). Wer über die technischen Vorgänge im Hintergrund auf dem Laufenden bleiben will, für den steht am Display mehr Info bereit als nötig, bis hin zu einer Energiebilanz, die rückblickend in Minutenschritten anzeigt, wie sich der Spritverbrauch entwickelt und wie viel Energie den Akkus zugeführt wurde. Im Schnitt kommt man übrigens durchaus mit unter 10 Litern aus (Normverbrauch 7,9 bis 8,1 l/100 km), was bei einem 90 Liter großen Tank zu einer sehr angenehmen Reichweite führt.

Manches neu in der neuen S-Klasse
Nicht nur der Hybridantrieb ist neu in der facegelifteten S-Klasse, sondern auch etwa eine Zusatzfunktion für die „Active Body Control“ (ABC). Diese elektronische Dämpfersteuerung stemmt sich jetzt sogar gegen Seitenwind – allerdings nicht im S 400 Hybrid. Da ist sie ebenso wenig erhältlich wie der Müdigkeitsassistent. Serienmäßig sind dagegen das (nicht in jeder Hinsicht ideal zu bedienende) „Comand APS“ samt Navi, Musikfestplatte mit Musikdatenbankabfrage, Intelligent Light System, aktives Kurvenlicht und Tempolimitanzeige im Display.

Bedienung und Komfort sind, wie man es von der S-Klasse erwartet. Das große Fach zwischen den Vordersitzen lässt sich von zwei Seiten öffnen und klingt beim Schließen wie ein massiver Kleiderschrank; die Stummtaste am Multifunktionslenkrad ist so intelligent belegt, dass sie sogar während einer Verkehrsfunkdurchsage auf CD zurückschaltet (weil  der Fahrer ja in dem Moment nur den Radiosprecher zum Schweigen bringen will); die Sitze sind extrem bequem, im Testwagen beheizt und belüftet, der Beifahrersitz auch vom Fahrersitz aus verstellbar. Die Menge an Verstellknöpfen in der Tür überfordert mich allerdings ein wenig, vor allem komme ich immer wieder mit meinem aufgestellten Knie an und schiebe dadurch während der Fahrt ungewollt meinen Sitz nach vorne.

Der Mercedes S 400 Hybrid ist eine ernsthafte Überlegung wert, wenn man Luxus liebt und trotzdem beim Autofahren kein allzu schlechtes Gewissen haben möchte. Der Verbrauch des Wagens bewegt sich auf einem Niveau, das vor nicht allzu langer Zeit in der Kompaktklasse normal war. Der Einstiegspreis von 102.900,-- in Österreich ist im Vergleich zu den anderen S-Klassen beinahe ein Schnäppchen: Der S 400 kostet knapp 2.000 Euro mehr als der S 350, der aus dem Sechszylinder 272 PS (also 7 PS weniger) rausholt, aber keinen Elektromotor unter der Haube hat. Zusätzlich ist auch noch das „Österreich-Technologie-Paket“ im Preis dabei (Navi, LED-Licht etc.). Der geringe Preisunterschied kommt nicht zuletzt daher, dass die NoVA hier 10 statt 14 Prozent beträgt. Insgesamt also ein wirklich gelungenes, stimmiges Gesamtpaket. Selbst wenn man Hybrid aus Prinzip kompliziert findet.

Stephan Schätzl

Warum?

  • Unauffälliges, aber effektives Hybridsystem.
  • Sehr geringer Aufpreis.

Warum nicht?

  • Rein elektrischer Betrieb wäre schon fein.
  • Unverbindliches Verhältnis zur Fahraktivität.

Oder vielleicht …

  • BMW ActiveHybrid 7 – 450-PS-Achtzylinder, 20-PS-E-Motor, 0-100=4,9, Normverbrauch 9,4 l/100 km
  • Lexus LS 600h - 394-PS-Achtzylinder, 165-kW-Elektromotor, 445 PS Systemleistung, 0-100=6,3, Normverbrauch 9,3 l/100 km
Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

(Bild: kmm)



Kostenlose Spiele