Das kleine Coupé

Mercedes CLC 220 CDI: Polierte Speerspitze

Motor
17.03.2009 10:46
Ein guter Jäger hat sich schon vor Tausenden von Jahren auf eine gute Speerspitze verlassen und sie zwecks besseren Jagderfolgs feingeschliffen und weiter verbessert, anstatt eine völlig neue anzufertigen. Beim Mercedes CLC verhält es sich ganz ähnlich: Er ist im Prinzip das altbewährte „Sport-Coupé“, trägt aber den Schliff der aktuellen C-Klasse – und er bleibt eine echte Speerspitze im Stuttgarter Programm. Im Test der CLC 220 CDI.
(Bild: kmm)

Speerspitze deshalb, weil Mercedes mit dieser Modellreihe, die seit 2001 gebaut wird, immens erfolgreich dabei ist, Kunden anderer Marken ins Haus zu holen. 70 Prozent derer, die sich den Zweitürer zugelegt haben, besaßen noch nie vorher ein Auto mit Stern. Und zwei Drittel blieben der Marke anschließend treu.

Dass der Einsteiger-Mercedes im Prinzip ein gelifteter Alter ist, fällt nicht auf. Die Front trägt die aktuelle C-Klasse im Gesicht, auch die Heckpartie leuchtet aktuell. Bei genauerem Hinsehen fällt natürlich auf, dass die Karosserie unverändert ist und dort, wo früher Leuchten und Durchsichtiges waren, jetzt lackierte Blenden ihren Platz gefunden haben. Das sind einige der - wie man bei Mercedes beteuert - 1.100 im Vergleich zum Vorgänger neuen Teile.

Jedenfalls sieht das Heck jetzt nach Mercedes statt nach „Was-soll-denn-das-sein?“ aus. Nachteil: Sicht nach hinten ist kaum noch vorhanden. Was wiederum einen Vorteil hat: Wenn man die hinteren Sitzlehnen umklappt (geht kinderleicht) und den bis zu 1.100 Liter großen Kofferraum komplett nutzen möchte, kann man sehr hoch stapeln, ohne die Sicht durch die Heckscheibe zu beeinträchtigen, weil deren Unterkante gefühlt erst knapp unter dem Dachhimmel beginnt.

Klar, dass man den CLC nicht ohne Park-Piepserl bestellen darf, es sei denn, man hat den sechsten Sinn und spürt, wie viel Platz noch nach hinten ist. Doch die Parktronic hat einen Nachteil, auf den ich gleich zu sprechen komme.

Zeiger auf Ecstasy
Der CLC soll offenbar nicht nur bei Fremdkunden ganz allgemein, sondern insbesondere bei den Jüngeren fette Beute machen. Das kleinste Mercedes-Coupé macht optisch auch einen recht sportlichen Eindruck, schießt mit der Jugendorientierung aber etwas übers Ziel hinaus. So wirkt das Karomuster auf Tacho und Drehzahlmesser eigentlich nur pubertär, ebenso deren Zeiger, die wie auf Ecstasy einmal ans Skalenende und zurück flippen, wenn man die Zündung einschaltet.

Scotty, parken!
Besonders lässig soll sicher auch die Anzeige der Parktronic sein, die in Gelb und Rot wirkt wie eine Reminiszenz an Star Trek. Was ja nicht so schlimm wäre, wenn sie durchgehend leuchten würde. Aber: Während der Fahrt leuchtet nix; erst wenn man langsam fährt, so ungefähr Schritttempo, flashen die rot-gelben Balken ins Blickfeld und ziehen unweigerlich den Blick an. Dabei ist es völlig unerheblich, ob sich im Umkreis von einem Kilometer ein Hindernis befindet oder nicht, also ob es einen Anlass für eine solch plakative Warnung gibt. Das macht Mercedes in den meisten anderen Baureihen besser, nämlich sogar perfekt! Im SL sieht sie ähnlich aus, wirkt aber nicht so pubertär.

Sehr schön, sehr gelungen und sehr angenehm ist das optionale Glaspanoramadach, dessen vordere Hälfte sich öffnen lässt. Es gibt dem Auto eine edle Note, den Insassen Licht und bei Bedarf Luft und vor allem den Hinterbänklern eine tolle Aussicht. Die brauchen sie auch zur Entschädigung für die beengten Platzverhältnisse. Wenigstens geht der Einstieg dank Easy Entry relativ leicht vonstatten. Weniger gelungen ist die Platzierung der Fensterheberknopferln und die unpraktischen, weil unübersichtliche Heizungsregulierung.

Das Fahren geht in Ordnung
Auch wenn er ein Einsteiger mit ein paar Eigenheiten ist: Der CLC ist ein Mercedes und fährt sich auch so. Trotz optionalem Sportfahrwerk kann getrost die Schwiegermama auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Er liegt zwar gut und hart, übertreibt’s aber. Die sehr angenehmen serienmäßigen Sportsitze haben jedenfalls ihre Berechtigung. Die Direkt-Lenkung fühlt sich nicht so direkt an, wie sie heißt; in Sachen Direktheit und Feingefühl gibt es durchaus noch Potential.

Common-rau
Der 2,2-Liter-Turbodiesel im Testwagengehört eher zu den rauhen Gesellen, der aus seinem Selbstzünderdasein kein Hehl macht. Er ist zwar kräftig und kann richtig anpacken, für ein Coupé, das Sportlichkeit transportieren soll, wirkt er mir mit seinen 150 PS bei 4.200/min. und 310 Nm bei 2.000/min. aber doch eine Idee zu schwach auf der Brust. Immerhin wiegt es an die 1,6 Tonnen. Dass dieser Eindruck höchst subjektiv ist, zeigen die Fahrleistungen auf dem Papier: Mit Fünfgangautomatik 9,4 Sekunden für den Standardsprint und 219 km/h Spitze sind eine Ansage. Beim Skiurlaub zu zweit und voll beladen hätte es aber dennoch ein bisserl mehr sein dürfen. Aber auch für Leistungsfetischisten ist was im Angebot, etwa ein CLC 350 mit 272 PS.

Die Aufpreisliste ist zwar nicht so lang wie bei der echten C-Klasse (so gibt es zum Beispiel weder Allradantrieb noch „Pre-Safe“), gibt aber dennoch einiges her, was Spaß macht und den Preis in die Höhe treibt. Billig sind die Extras nicht, aber auf manches kann man ohnehin gut verzichten. Der Regensensor zum Beispiel ist sein Geld nicht wert, da funktioniert jede Intervallschaltung besser.

Der CLC ist zwar nicht der ganz große Wurf, dürfte aber als Speerspitze weiterhin funktionieren, insbesondere wegen der gefälligeren Optik. Man muss sich halt im Klaren darüber sein, dass man in Wahrheit kein aktuelles Auto kauft, so sehr sich der CLC auch an die neue C-Klasse anbiedert. Dafür gibt es den CLC schon knapp unter 30.000 Euro; der Testwagen kostet allerdings knapp 50.000 Euro…

Stephan Schätzl

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(Bild: kmm)



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