Schon der Vorgänger des XF hatte nicht mehr den etwas barocken Auftritt früherer Jaguare, doch der neue macht so ziemlich alles besser, ist eleganter, bis zu 190 kg leichter - und hat vor allem kein Teil aus irgendeinem Ford drin (früher war Mondeo inside). Seit die Inder das Sagen haben (bzw. das Geld geben, aber das Sagen eigentlich den Briten überlassen), schärft Jaguar sein Profil deutlich und mit einem klar sportlichen Touch.
Die Ähnlichkeit zum kleinen Bruder XE ist geradezu Audi-esk, man muss schon genau hinschauen, um den Großen zu identifizieren, der das neue Zentrum der Marke darstellt. Fließende, coupéhafte Linien machen die Katze schon im Stand schnell, je nach Ausstattungsversion ziert eine edle Chromspange das Heck, die Katzenaugen leuchten (außer in der "Pure"-Ausstattung) in Bi-Xenon mit J-förmigem LED-Tagfahrlicht, Basis ist Halogen, LED-Scheinwerfer als Extra. Ansonsten hält durchaus Hightech Einzug, aber fahren wir erst einmal ein paar Runden, bevor wir uns weiteren Einzelheiten widmen.
Fahrerlebnis: Ganz großes Kino
Was das Fahrverhalten betrifft, dürfte der 5er-BMW das Ziel gewesen sein. Zwar hatte ich keinen zum direkten Vergleich zur Hand, aber die Briten sind diesem Ideal zumindest sehr nahe gekommen. Gefehlt hat er mir jedenfalls nicht. Man merkt dem Jag an, dass er dank Aluminium-Chassis extrem leicht ist (laut Jaguar ist der nächste Wettbewerber 70 kg schwerer).
Sogar mit dem Sportfahrwerk der Version R-Sport und dem 180-PS-Vierzylinder-Dieselmotor ist man im XF nicht nur sportlich, sondern souverän unterwegs. Wo der kürzlich gefahrene Testwagen des kleineren XE in dieser Konfiguration noch mit Unausgewogenheit enttäuschte, überrascht der XF mit schneidiger Unaufgeregtheit, präzisem Komfort und entspannender Ruhe. Mit dem maximalen Drehmoment von 430 Nm aus dem hier sehr leisen Motor fühle ich mich bereits bestens motorisiert, immerhin treffen sie hier auf nur 1.545 kg.
Die weiteren Motoren
Das genannte Triebwerk ist (wie im XE) auch als Spritsparvariante erhältlich. Es kommt dann zwar auf nur 163 PS und 380 Nm, glänzt dafür aber mit einem Normverbrauch von nur 4,0 l/100 (mit Schaltgetriebe, 4,1 mit Automatik).
Persönlich ein noch größerer Fan bin ich vom V6-Turbodiesel, der aus dem alten XF stammt, aber grundlegend überarbeitet wurde und nun 300 PS (+25 PS) und satte 700 Nm (+100 Nm) abliefert. Ein Genuss, es lebe der Sechszylinder! Okay, er bringt rund 150 PS mehr auf die Waage, aber er schiebt so geschmeidig an, dass es ein Genuss ist. Mit ihm kann man beinahe sportlich unterwegs sein, 6,2 Sekunden vergehen für den Stammtischsprint.
Topmotor ist der aus dem Jaguar F-Type bekannte, kompressoraufgeladene Sechszylinder-Benziner, der hier zahmer klingt und 340 oder 380 PS leistet. Beide werden optional mit Allrad- statt Heckantrieb angeboten, der Stärkere ist nur in der Version S (wie Sport) erhältlich.
Drei Fahrwerke zur Wahl
Jaguar rühmt die 50:50-Gewichtsverteilung - und zu Recht das Aluminium-Fahrwerk mit Doppelquerlenker-Vorderachse und Integral-Hinterachse. Das wird mit passiv gedämpft neben dem Sport- auch als Standardfahrwerk angeboten, aber auch mit adaptiven Dämpfern. Mit dem Standardfahrwerk ließ sich der große XF herrlich leichtfüßig über kurvige Bergstraßen in den Pyrenäen carven, ebenso komfortabel wie agil, und ist wohl die beste Wahl, wenn man nicht darauf besteht, die Dämpfung beeinflussen zu wollen. In jedem Fall liegt der XF sehr gut auf der Straße, sogar bei flotter Fahrweise im Regen ließ er den Allradantrieb nicht vermissen. Tadellos ist auch die elektromechanische Servolenkung, die mit Präzision und guter Rückmeldung glänzt.
Die bewährte Achtgang-Wandlerautomatik von ZF arbeitet weich und angemessen zügig, kann aber weder segeln noch rekuperieren. Basisausstattung ist ein manuelles Sechsganggetriebe, das nicht zum Test bereit stand.
Eleganter Innenraum mit nur leichten Schwächen
Bei Jaguar hat man Sinn für Feinheiten, daher klappen beim Motorstart die Lüftungsdüsen langsam aus, während der Automatik-Drehregler dem Fahrer geradezu in die Hand wächst. Weniger ist mehr, dürfte bei der Gestaltung die Maxime gewesen sein, alles wirkt elegant reduziert. Ähnlich wie im XE zieht sich eine eigene Ebene aus den Türen oberhalb des Armaturenbretts unter der Windschutzscheibe entlang, was den Briten sehr hochwertig erscheinen lässt, auch wegen der matten Holzblenden, die diesen Bogen zieren. Schade nur, dass alles Verchromte nur Plastik ist, dass sich das Holz wie Plastik anfühlt und dass der Übergang zu den Türen nicht passgenau gefertigt ist. Jaguar hat an der einen oder anderen Stelle noch Potential nach oben, was die Fertigungstoleranzen betrifft.
Optional bietet Jaguar ein Laser-Head-up-Display an, das die gelungene Optik leider zerstört, weil es einfach oben aufgesetzt wird und den beschriebenen Bogen unterbricht. Da es aber ohnehin flimmert und dadurch eher unangenehm auffällt, lässt sich der Verzicht leicht verschmerzen.
Ganz und gar nichts zu bemängeln gibt es an den Platzverhältnissen. Wo der XE noch an allen Ecken und Enden zwickt, überzeugt der XF mit Platz ohne Ende. Auf den vorderen Plätzen sitzt es sich hervorragend, die Türverkleidung ist sinnvoller gestaltet, kein Konkurrent bietet mehr Platz auf der Rückbank und auch der Kofferraum kann sich mit bis zu 540 Liter sehen lassen.
Einiges an Hightech hält Einzug
Mit Radar und Stereokamera ist der Jaguar XF auf der Höhe der Zeit, was die Assistenzsysteme betrifft (wenn man sie mitbestellt). Vom Abstandstempomaten mit Stauassistent bis zur Auto-Notbremse wird alles angeboten, was man braucht oder auch nicht braucht.
Jaguar hat einerseits das hauseigene Infotainment überarbeitet, der 8"-Touchscreen ist Serie (und auch der per Lenkrad bedienbare Bordcomputer ist jetzt logischer aufgebaut), andererseits haben die Briten ein völlig neues System entwickelt: InControl Touch Pro spielt alle Stückln, ist Ethernet-vernetzt, reagiert dank Quad-Core-Prozessor blitzschnell, wird aber erst Ende des Jahres verfügbar sein. Es lohnt sich aber darauf zu warten. In der Mittelkonsole steckt ein 10,2"-Bildschirm, die Tacho-/Drehzahlmessereinheit wird durch ein weiteres Display, mit 12,3 Zoll ersetzt, das frei konfigurierbar ist.
Unterm Strich
Gut gebrüllt, Jaguar, mit dem XF sind die Briten voll bei der Musik und eine echte Alternative zu den etablierten Vertretern der Business Class. Auch die Preise sind fair, bei 42.100 Euro fängt die Preisliste an. Da sind Dinge wie Torque Vectoring, Spurhalteassistent, Auto-Notbremse und Zweizonenklima dabei, aber warum um Himmels willen keine Xenon-Scheinwerfer? Gut, in Wahrheit werden die Wenigsten zur Einstiegsversion greifen. Wer auf den Cent schaut, wird wohl eher beim Skoda Superb fündig. Und wer sich für einen adäquat ausgestatteten Jaguar XF entscheidet, bekommt ein richtig gutes Fahrzeug, das tatsächlich Premium ist, aber weder Audi, BMW noch Mercedes heißt.
Warum?
Warum nicht?
Oder vielleicht …
… 5er BMW, Audi A6, Mercedes C-Klasse.
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