Da lenken alle viere

Renault Mégane RS: König des Kurvenreichs

Motor
28.01.2018 19:33

Renault greift auch mit der neuen Generation des Mégane RS nach der Krone der Kompakt-Raketen. Zwei Fahrwerke stehen zur Wahl, ebenso manuelles oder automatisches Getriebe, dazu serienmäßig Allradlenkung. Unter der Haube werkt der 1,8-Liter-Motor aus der Alpine, allerdings mit 280 statt 252 PS. Da bleiben eigentlich keine Wünsche offen…

(Bild: kmm)

Natürlich gibt es Fahrmodi, die man per Knopfdruck oder Touchscreenstreicheln anwählt. Die viel wesentlichere Entscheidung ist aber bereits vor dem Kauf zu treffen: Sport- oder Cup-Fahrwerk? Der Unterschied: gut 2000 Euro mehr, zehn Prozent härtere Federn/Dämpfer, nochmals weniger Bodenfreiheit und ein Torsen-Sperrdifferenzial.

Beiden gemeinsam ist der Turbo-Vierzylinder, der nun statt zwei nur noch 1,8 Liter Hubraum aufweist. Dafür liefert er 15 PS sowie 30 Newtonmeter mehr als zuletzt. Damit schafft der 1,3-Tonner (ab 1332 kg) den Hundertersprint in 5,8 Sekunden. Egal, ob mit manuellem oder Doppelkupplungs-Sechsganggetriebe. Nur beim Höchsttempo unterscheiden sie sich: 255 km/h manuell, 250 km/h Automatik. Der Normverbrauch liegt bei rund sieben Liter auf 100 Kilometer.

Der größte Unterschied ist aber die Handbremse: elektrisch bei der Automatikversion, ein echter Handanker beim manuellen Getriebe.

Unaufdringlich, aber schnell
Der Renault Mégane RS macht schon optisch unmissverständlich klar, wes Geistes Kind er ist. Sechs Zentimeter breiter als seine zivilen Brüder, ausgestellte Kotflügel, breitere Spur, Seitenschweller, Dachspoiler, Mittelauspuff im fetten Diffusor (der den Auftrieb vermindern soll) hinten, ein Formel-1-inspirierter Splitter vorne. LED-Scheinwerfer sind Serie. Trotz alledem lässt einen der Renault Mégane RS in Sachen Optik ziemlich in Ruhe, er sieht sportlich, aber nicht aufdringlich aus.

So könnte man auch das Standard-Sportfahrwerk beschreiben. Die Kritik an der Härte des Vorgängers haben sie bei Renault ernstgenommen, jetzt steckt durchaus Komfort drin - trotz Tieferlegung auf 10,1 Zentimeter. Mit beteiligt sind die Stoßdämpfer mit hydraulischem Endanschlag, die das Fahrzeug auf schlechten Straßen besser kontrollierbar machen, kaputter Asphalt bringt den Wagen nicht aus der Ruhe.

Hier auf den kurvigen Straßen rund um Jerez de la Frontera liegt der RS hervorragend. Da spielt auch die serienmäßige Allradlenkung ihren Trumpf aus und sorgt für eine Extraportion Stabilität: Je nach Geschwindigkeit lenken die Hinterräder bis zu 2,7 Grad entgegengesetzt zu den Vorderrädern oder bis zu ein Grad mit ihnen. Die Grenze liegt bei 60 km/h bzw. im Race-Modus bei 100 km/h. Die Lenkung agiert direkt und recht gefühlvoll, dank des dicken Lenkradkranzes hat man erst recht das Gefühl, den Mégane absolut im Griff zu haben. Auch bei hohem Tempo gelingt es, geschmeidig einzulenken und Kurven ohne Korrekturen zu durchcarven.

Auffallend wenig merkt man in der Lenkung von den 280 PS und den 390 Nm (ab 2400/min.), die an den Vorderrädern, aber eben nicht am Lenkrad zerren. Das kommt von der speziellen ISAS-Vorderradaufhängung mit entkoppelter Lenkachse, die aus dem Vorgänger-RS übernommen wurde.

Betörend-röhrender Alltagssportler
So kann man sich uneingeschränkt am emotionalen Motor- und Auspuffsound erfreuen. Vor allem im Race-Modus röhrt es vernehmlich, schnarrt es beim Hochschalten und spotzt es beim Runterschalten. Die Zündunterbrechungen beim Schalten mit den Lenkrad-Paddles sind herrlich. Der Auspuff hat zwar keine Klappen, leitet das Abgas aber - je nach Druck - auf unterschiedlichen Wegen und sorgt so für die passende Geräuschkulisse. Zusätzlich wird der Klang über die Lautsprecher unterfüttert, wie es inzwischen üblich ist. Dennoch klingt alles ziemlich authentisch. In den anderen Modi herrscht akustisch mehr oder noch mehr Zurückhaltung.

Nette Spielerei: Am zentralen Display kann man, wenn man zwischendurch Zeit hat, allerhand Fahr- und Motorparameter ablesen, auch Beschleunigungszeiten etc. Dafür werden 40 Sensoren herangezogen. Und gegen Aufpreis kann man per Handy oder Action Cam seine Fahrt aufzeichnen und Geschwindigkeit etc. ins Bild einblenden lassen.

Die Automatik schaltet je nach Fahrmodus sanft oder richtig schnell, jeder Zug am Schaltpaddle wird umgehend umgesetzt - zumindest wenn man das Paddle erwischt. Die beiden sind feststehend montiert und so kurz, dass man sie leicht verfehlt. Große Bitte nach Frankreich: Bringt sie am Lenkrad an oder schmeißt den Audio-Bediensatelliten raus, dann können die Paddles länger sein.

Sirius-Gelb exklusiv für den seriösen Sportler
Dann ist es Zeit für den richtigen Sport, also den Renault Mégane RS mit Cup-Fahrwerk. Für dieses Geschoss gibt es eine exklusive Lackierung namens "Sirius-Gelb", mit etwas Phantasie und englisch ausgesprochen serious, also ernsthaft gelb. Solcherart ausgerüstet geht es auf die MotoGP-Strecke von Jerez. Und jetzt zeigt der RS so richtig, wo Jean-Jacques den Bordeaux holt:

Wo vorher noch ein Rest Unbestimmtheit im Fahrwerk zu finden war, ist jetzt alles superpräzise und knochentrocken. Start per serienmäßiger Launch Control, wie ein Pfeil schießt der Franzose vorwärts. Geschaltet wird jetzt obligatorisch (nicht immer hundertprozentig sauber) manuell und natürlich bin ich im Race-Modus unterwegs, der die Stabilitätskontrolle komplett deaktiviert, ebenso den Drehzahlbegrenzer. Im roten Bereich warnt jedoch ein Piepsen vor dem Überdrehen und mahnt zum Hochschalten.

Kurventanz auf der Rennstrecke
Ich bremse weit in die Kurve hinein, das Heck setzt sanft zum Überholen an, bevor ich ans Gas gehe und ganz entspannt Richtung Scheitel slide. Wieder aufs Gas, das Sperrdifferenzial verteilt die Kraft dahin, wo sie Halt findet, nichts zerrt in der Lenkung, sauber nehme ich das Tempo mit auf die Gerade. Der Sportsitz hält mich dabei gut, lediglich ausgangs der Ayrton-Senna-Schikane habe ich etwas Mühe, beim Hochschalten in den dritten Gang Halt zu finden.

Untersteuern tritt nur auf, als ich einmal zu früh auf Start-Ziel einlenke und mir dann am Kurvenausgang der Platz ausgeht. Auf Start-Ziel geht es rauf bis in den Fünften, dann im Dritten wieder slidend durch Kurve eins. Es ist herrlich! Und die Bremsen? Die Brembos halten. Vorne mit 355er-Scheiben und Vierkolben-Sätteln bestückt, hinten nur je ein Kolben und 290 mm. Für 1350 Euro Aufpreis bestehen die Scheiben aus Alu-/Grauguss-Verbundmaterial.

Das Einzige, was mich stört: Beim starken Bremsen aktiviert sich die Warnblinkanlage! Was in einem normalen Auto auf öffentlichen Straßen im Notfall eine gute Idee ist, will ich im Race-Modus schlicht nicht haben. Das ist also die zweite Bitte, die ich nach Boulogne-Billancourt schicke.

Unterm Strich:
Renault unterstreicht den Ruf, großartige Kompaktsportler bauen zu können. Der Mégane RS ist sicher einer der Besten seiner Klasse. Und das bei einem Basispreis von sehr angemessenen 35.740 Euro - deutlich weniger als etwa für den martialisch auftretenden Honda Civic Type R, der wiederum aktuell noch den Nordschleifenrekord für Fronttriebler hält (7:43,8 min.). Bei Renault ist man zuversichtlich, dass dies nur noch eine Frage der Zeit ist.

Der neue König?
Im Mai kommt der RS auf den Markt. Auch wenn kaum Wünsche offen sind, einer wird ein halbes Jahr später noch erfüllt, wenn diesem heißen Gerät ein noch heißeres zur Seite gestellt wird: Der Renault Mégane Trophy wird nicht nur serienmäßig mit Cup-Fahrwerk kommen, sondern auch mit 299 PS. Spätestens dann wird es Zeit für den Nordschleifen-Rekord-Versuch. Vielleicht in Very-Sirius-Gelb.

Warum?

  • Sehr sportliches, aber dennoch recht komfortables Fahrwerk in der Standardversion
  • Astreines Rennstreckengerät mit Cup-Fahrwerk
  • Günstiger Preis

Warum nicht?

  • Schaltpaddles des Doppelkupplungsgetriebes zu kurz

Oder vielleicht

Peugeot 308 GTi, Seat Leon Cupra, Honda Civic Type R, Hyundai i30 N

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(Bild: kmm)



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