Zeitreise

Wien – zwischen Schönheit und Abgrund

Reisen & Urlaub
06.01.2018 10:30

2018 feiern wir 100 Jahre Wiener Moderne. Eine der wohl wichtigsten Kunst- und Kulturepochen österreichischer Geschichte – die kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges ihren Höhepunkt erlebte. Begeben Sie sich mit uns auf Spurensuche.

Die Damen trugen extravagante Hüte – oder Bubikopf. Die Herren (Geistes-)Haltung – und ein gewisses „laissez-faire“. Man traf einander in den Cafés und Salons der Stadt. Saß in Schanigärten – genoss den Sommer am Semmering – oder auf dem Lido von Venedig. Der Nährboden für Neues war geschaffen. Natur-und Geisteswissenschaften verschmolzen. Künstler wie Gustav Klimt, Egon Schiele, Otto Wagner und Koloman Moser prägten das Kultur- und Stadtbild nachhaltig. Dazwischen flanierten erotische Musen à la Alma Mahler.

Wien um 1900. „Es muss damals in Wien ganz interessant gewesen sein!“, meinte der Schriftsteller Hermann Bahr süffisant – da sich der Schmelztiegel der Donaumonarchie selbst zum Zentrum der intellektuellen und künstlerischen Macht erschaffen hatte. Paris, London, Berlin – nichts dagegen. Auch architektonisch. Kreatives Schaffen von Otto Wagner, welcher 1841 in eine wohlhabende Bürgerfamilie hineingeboren wurde. Einst sein Konterfei sogar unsere 500-Schilling-Banknote zierte.

1894 hat man ihm die Gestaltung der Wiener Stadtbahn übertragen. Er entwarf Haltestellen sowie Viadukte und Brücken – die noch heute das Stadtbild von Wien prägen. Wagner gab den urbanen Verkehrsmitteln eine spezielle Ästhetik – Eisen wurde quasi das neue Gold.

Als Juwel bis heute gilt auch die Station am Karlsplatz im Herzen von Wien. Ebenso wie das Ensemble der Häuser an der Wienzeile am Naschmarkt. Dort kommt es zu einer spontanen Begegnung im Stiegenhaus mit Frau Ingeborg. Seit mehr als 60 Jahren lebt sie schon im Ensemble des Majolikahauses, welches 1898 erbaut wurde. Aufzug, Stiegengeländer, Fliesen, Postkasten – alles original Otto Wagner. Sie nimmt uns mit in ihre 180-Quadratmeter-Wohnung im vierten Stock. Türbeschläge, Kastenfenster, Ornamente, alte Tapeten – wir gehen quasi auf Zeitreise.

Kurz nach 1900 nach der künstlerischen Aufbruchsstimmung konnte der Visionär Wagner schließlich zwei Bauten realisieren, die seinen Weltruf als Wegbereiter der modernen Architektur begründeten: die Postsparkasse nahe der Ringstraße sowie die Kirche am Steinhof.

„Oh Gott, ist die aber scheußlich" 
Aber genau dort blieb dem Jahrhundert-Architekten auch ein Eklat nicht erspart. Kam doch Franz Ferdinand zur feierlichen Eröffnung und sprach vor allen Gästen: „Oh Gott, ist die aber scheußlich.“ Otto Wagner erwiderte mutig: „Zu Maria Theresias Zeiten waren die Kanonen auch verziert – aber heute schießen sie deutlich besser!“

1918 – kurz vor dem Ende des ersten Weltkrieges – starb Otto Wagner, der wie kein anderer in Wien seine architektonischen Spuren bis heute hinterlassen hat.

Ingrid Altermann, Kronen Zeitung

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