"Hat eigenen Zauber"

Professor Girtlers Liebeserklärung ans Wirtshaus

Österreich
24.02.2016 22:46

Das klassische Wirtshaus, das ich seit meiner Studentenzeit kenne, hat einen eigenen Zauber. Es wird von noblen und weniger noblen Leuten aufgesucht, es bietet die Möglichkeit des Rückzugs, um sich zu entspannen, Freunde zu treffen, um sich im Gespräch von der Last des Alltags zu erholen oder um revolutionäre Ideen zu spinnen.

Letzteres taten dereinst die alten Sozialdemokraten in einem Wirtshaus in Hainfeld, in dem sie ihr Parteiprogramm entwickelten. Von Viktor Adler, der zu den Gründern unserer Republik gehört, wird erzählt, dass er in den Parlamentspausen mit seinem Sekretär Schacherl gerne ein Wirtshaus aufsuchte, um Bier zu trinken, etwas zu essen, aber auch, um sich in einer wohltuenden Atmosphäre zu besprechen.

Ein Wirtshaus kann auch zur Gesundung eines Menschen, der an der Seele leidet, beitragen. Mein Vater, praktischer Arzt im Gebirge, riet Patienten, wenn sie Depressionen hatten, in ein Wirtshaus zu gehen, eine Kleinigkeit zu trinken und mit dem Wirt oder mit dem Kellner zu reden. Wirte und Kellner können hervorragende Psychiater sein, sie können oftmals bei Problemen durch Gespräche helfen. Das klassische Wirtshaus hat meist große Tische, um die sich eine ganze Gesellschaft scharen kann, um miteinander zu zechen und Ideen zu spinnen.

Wirtshäuser haben eine lange Geschichte, sie reicht in die Zeit der Römer zurück, in der man die Wirts- oder Gasthäuser als tabernae bezeichnete. Im Wort "Taverne" leben sie weiter. Das Gasthaus strahlt Geborgenheit aus, es bietet Speis und Trank für das leibliche Wohl, aber auch die Möglichkeit zu Gesprächen und des Rückzuges vom Trott des Alltags.

Ich kannte ein Wirtshausehepaar, Karl und Zita Hradetzky, die in ihrem kleinen Wirtshaus Spatzennest im siebenten Wiener Bezirk sorgsam darauf achteten, dass die Gäste sich "wie zu Hause" fühlten. Der alte Wirt meinte einmal: "Der Wirt muss einen Schmäh haben. Er muss mit den Leuten reden können, ebenso die Kellner." Er fügte hinzu: "Der Unterschied zu manch anderen Gasthäusern liegt in der persönlichen Art, wie der Wirt und sein Personal dem Gast begegnen. Für uns ist der Gast keine Nummer, wir haben die Pflicht, mit dem Gast zu fühlen, seine Sorgen, wenn er dies will, und seine Freuden zu teilen. Das ist der große Unterschied." Es ist zu hoffen, dass es diese Wirtshäuser mit diesen Wirtsleuten weiterhin geben wird.

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