Wende im Prozess

“Es gab sonst keinen, der die Drecksarbeit machte”

Salzburg
05.02.2016 11:12

Der Prozess um Monika Rathgeber endete mit einer notgedrungenen Wende in der Verteidigungslinie, sonst wäre es noch schlimmer gekommen: Wie ein Schauprozess um nur eine zentrale Figur, die für alles herhalten muss, begann die Verhandlung gegen die Ex-Finanzbeamtin, zittrige Stimme, dann wieder Wut und Aufbäumen, dann die Tränen. Gespielte Verzweiflung? Eher Ohnmacht nach Bekanntwerden des gesamten Ausmaßes.

Jahrelang lief es bestens, niemand hat hinterfragt was sich da im Finanzreferat des Landes abspielte - oder man wollte es gar nicht. Wenn es ein Problem gab, rief man "Monika" an: Die hatte in ihrer 80-Stunden-Woche die Lösung für jede Finanzierung - egal ob sie am Ende legal war oder nachgeholfen wurde. Wie sie das umsetzte, interessierte offenbar niemanden, am wenigsten ihren Finanzchef Eduard Paulus: "Monika, das Budget ist dein Problem", bekam sie offenbar vom mittlerweile pensionierten Hofrat zu hören. Unter Vorsitz von Richter Dr. Günther Nocker musste sich die 44-jährige Innviertlerin wegen schweren Betrugs und Urkundenfälschung in 96 Fällen verantworten. Sie legte zunächst Teilgeständnisse ab, gab zu, Schadensfälle manipuliert zu haben und Unterschriften in zumindest 22 Fällen auf Verträge kopiert zu haben.

Immer die eigene Prämisse vorangestellt, das Beste für das Land zu wollen. Alles hätte sie dafür getan. Ihre selbst gestellte Aufgabe war es, die ihrer Meinung nach zu Unrecht zu knapp bemessenen Fördergelder für bedürftige Gemeinden besser zu verteilen: "Ich war ja nicht mal richtig zuständig, aber es gab sonst keinen, der die Drecksarbeit machte", schluchzte Rathgeber. Eine Art "Robin Hood"-Prinzip, wie der Staatsanwalt meinte. Jeder sollte etwas davon haben, ihr ging es um (aus gesetzlicher Sicht absolut falsche) Gerechtigkeit: "Es war Null für den Katastrophenschutz budgetiert, ich hätte gar nicht so viel umschichten können für den Ernstfall. Immer wieder habe ich an höheren Stellen urgiert, ohne Gehör." Und dennoch hat man von allen Seiten Rat bei ihr gesucht, auch mit einem gewissen Druck, selbst wenn es vom Bund schon "Nein" hieß. "Haben wir noch Argumente für die Finanzierung?", schrieb ihr ein früherer Partei-Sekretär - "Monika" hatte sie. Drei Jahre nach Auffliegen des Finanzskandals fand sich Rathgeber vor Gericht wieder - als vorerst einzige: "Denn die, die im Dunkeln stehen, die sieht man sieht", formulierte es Verteidiger Kurt Jelinek.

Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic listet die schweren Vorwürfe im Zeitraum 2008 bis 2012 auf, die aufhorchen ließen: Um gesetzeswidrig Mittel aus dem Katastrophenfonds des Bundes für das Land oder für Gemeinden zu lukrieren, habe sie Schadensfälle in großem Ausmaß verändert, erhöht oder frei erfunden. So habe Rathgeber einen Schadensbetrag von 1600 Euro in den Schadenslisten verändert und dann 67.000 Euro an den Bund weitergeleitet. Adamovic führte die krassesten Beispiele an: Für das Entfernen von Bäumen auf der Pass-Gschütt-Straße wurden Kosten von 248 Euro aufgelistet, doch Rathgeber hat von dem für den Katastrophenfonds zuständigen Finanzministerium 277.248 Euro gefordert und bekommen.

Urteil: Zwei Jahre bedingt, eins unbedingt
Die kleine Gemeinde Rußbach machte 155.441 Euro für eine Schneeräumung geltend, doch weil der Schadensfall nicht förderungsfähig war, hat die Angeklagte Schäden an Straßen und Brücken angegeben, um Gelder zu erhalten: "Es ist geradezu die Regel gewesen, dass willkürlich massiv Beträge dazugeschlagen wurden", sagte Adamovic. 11,9 Millionen wurden demnach betrügerisch herausgelockt, diese Gelder hat Rathgeber wiederum auf ein Rücklagenkonto gelegt, um andere nicht "finanzierungswürdige" Projekte zu fördern. Profitiert haben die Gemeinden, die sich über den plötzlichen Geldsegen gefreut haben. Rückfragen? Fehlanzeige. Am frühen Abend dann die Wende, auch weil es aussichtslos war: Rathgeber schwenkte auf ein Vollgeständnis um, der Schöffensenat kam ihr entgegen: Ein Jahr unbedingt, zwei bedingt - nicht rechtskräftig.

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