"Krone"-Rezension

Bryan Ferry verweigert den Sprung in die Moderne

Musik
05.12.2014 17:00
Bryan Ferry, einer der letzten großen Gentlemen des Pop, veröffentlicht mit "Avonmore" wieder einmal ein neues Studioalbum und lässt das Experimentieren sein. Der 15. Solo-Studiorundling des Briten lässt bei Ferry- und/oder RoxyMusic-Fans sicher keine Wünsche offen, schielt aber doch zu sehr in die eigene Vergangenheit.
(Bild: kmm)

Ein bisschen Zittern ist erlaubt. Treue Roxy-Music- bzw. Bryan-Ferry-Fans konnten sich im Vorfeld tatsächlich nicht ganz sicher sein, was ihnen ihr großer Held vergangener Avantgarde-Disco-Zeiten auf den vorweihnachtlichen Gabentisch legen würde. Wird es wieder ein verkrampft wirkender Jazz-Ausflug wie 2012 auf "The Jazz Age"? Oder beruft er sich doch auf alte Stärken, die ihn zurecht zum immerwährenden Kultobjekt in der Pop-Welt gedeihen ließen?

Unsichere Flucht
Der konservativ angehauchte Gentleman entschied sich für Letzteres und grub für "Avonmore" tief in der Vergangenheit, als Roxy Music noch die Lady Gaga ihrer Zeit waren und den schrillen Artrock auf die Discokugel-behangenen Tanzflächen transferierten. "Avalon" nannte sich das 1982 erschienene, legendäre Abschiedswerk von Roxy Music. Mit "Avonmore" versucht Ferry nicht nur beim Albumtitel die Klammer zur erfolgreichen Vergangenheit zu finden, nein, auch sein jugendliches Selbst auf dem Plattencover wirkt wie eine unsichere Flucht in die Hochzeiten seiner persönlichen Karriere.

Es ist der unbändige Wunsch, das Rad der Zeit zurückdrehen zu können, dem Alter ein Schnippchen zu schlagen und sich noch ein letztes Mal in die Lage der völligen Ehrerbietung versetzen zu können. Die Ehrerbietung seiner vielen Fans, die Ferry vor etwa 30 Jahren zu Recht aus der Hand fraßen, weil der Brite alles zu musikalischem Gold machte, was er berührte. Der "Avonmore"-Opener "Loop De Li" schmiegt sich schon früh und frech an die guten alten Tage. Ferrys flirrende Stimme, der sanfte Bombast in der Instrumentierung und das Träumerisch-Monarchische, das Ferry-Songs seit jeher über den Wulst an Pop-Veröffentlichungen hob, geben sich die Klinke in die Hand.

Hoch die Rotwein-Gläser
Mehr schmachtend als singend beruft er sich auch auf den folgenden Kompositionen zur Persönlichkeitsrückschau, lässt dabei den "Midnight Train" sanft durch den Äther gleiten, gibt sich auch "Driving Me Wild" themenverfehlend sanft und greift im opulenten Titelsong fast schon verboten tief in die klangliche Kitsch-Kiste. Aber wie soll man das dem stets gut gekleideten Gentleman übel nehmen? Ferry ist ein unverbesserlicher Pop-Crooner, bei dem sogar die Uptempo-Songs einen gewissen Smooth vermitteln und wo man als Hörer das Rotwein-Glas nicht zwingend auf der frisch polierten Glasplatte absetzen muss.

Das Name-Dropping auf der Platte (unter anderem tummeln sich The Smith's Johnny Marr, Red Hot Chili Peppers' Flea oder Dire-Straits-Legende Mark Knopfler auf "Avonmore") wäre indes gar nicht nötig gewesen, denn von einer eigenen Note der Genannten ist wenig bis nichts zu finden. Am Ende der mit zehn Songs eher schwach bestückten Platte setzt Ferry noch zwei sich völlig unterscheidende Cover-Versionen. Die üppig inszenierte Sondheim-Version von "Send In The Clowns" erstickt fast an der eigenen Opulenz, das Robert-Palmer-Cover "Johnny And Mary" hingegen ist der vielleicht spannendste und interessanteste Track auf dem Album. Das wiederum ist mehr dem norwegischen DJ und Produzenten Todd Terje und seinem loungigen Electro-Teppich als Ferry selbst geschuldet.

AC/DC des Art-Pop
"Avonmore" liefert gewohnte und routinierte Bryan-Ferry-Kost, die sich aber zu keiner Zeit aus dem eigenen warmen Kokon schält und der es in vielen Bereichen an Mut und Courage fehlt. Andererseits ist "Avonmore" aber genau das Album, auf das nicht nur die Die-Hard-Fans nach den jazzigen Ausflügen des 69-Jährigen gewartet haben. Bryan Ferry anno 2014 ist schlussendlich der AC/DC des gehobenen Art-Pops (und nein, das hier hat nichts mit Lady Gaga zu tun) – er verlässt sich auf seine Stärken und kommt damit durch. Alte Besen kehren nun einmal doch am besten.

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