Postenschacher normal?

ÖVP macht Wöginger die Mauer, Experten warnen

Innenpolitik
08.10.2025 22:37

Der Postenschacher-Prozess gegen ÖVP-Klubobmann August Wöginger sorgt weiter für Diskussionen – doch für die Volkspartei ist die Causa bereits abgehakt. Während Korruptionsexperten vor einer gefährlichen Verharmlosung warnen, rechtfertigte Ex-Minister und Mitglied des ÖVP-Ethikrats, Werner Fasslabend am Mittwochabend das Vorgehen des Parteifreundes.

Während die Affäre um Postenbesetzungen zum internationalen Imageproblem für Österreich werden könnte, sah Fasslabend im Interview in der ORF-„ZiB 2“ vielmehr „übliches politisches Handeln“. 

Klubchef kommt mit Diversion davon
Am Dienstag war Wöginger wegen Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit der Besetzung des Finanzamts Braunau, Ried und Schärding vor Gericht gestanden. Er akzeptierte eine Diversion über 44.000 Euro, wodurch das Verfahren eingestellt wurde. Politisch gilt die Sache für die Koalitionsparteien als erledigt – juristisch bleibt das Urteil noch nicht rechtskräftig.

Im Gespräch mit Margit Laufer betonte Fasslabend, es gehöre zur Aufgabe eines Abgeordneten, Wünsche und Beschwerden aus der Bevölkerung entgegenzunehmen – auch wenn es dabei um Bewerbungen für Positionen gehe. Entscheidend sei, „dass dadurch niemand benachteiligt wird“.

Nur Wünsche weitergetragen
Dass Wöginger die Schuld zunächst lange von sich gewiesen habe, erklärte der ehemalige Verteidigungsminister so: Der Klubobmann habe den Wunsch lediglich an den Generalsekretär des Finanzministeriums weitergeleitet, „er hat ja nicht versucht, irgendwelche Leute in der Kommission zu beeinflussen“. Die spätere Zustimmung zur Diversion begründete der Ex-Minister mit der Belastung durch das Verfahren: „Wenn man in der Position steht und ständig mit Vorwürfen konfrontiert wird, stellt das eine größere Belastung dar als die Übernahme der Verantwortung.“

Parteiauschluss für ÖVP kein Thema
Einen Ausschluss Wögingers aus der ÖVP hält Fasslabend für nicht gerechtfertigt. Der Ethikrat habe den Fall geprüft und nach einem Gespräch entschieden, dass kein Fehlverhalten im Sinne einer Schädigungsabsicht vorliege. Auch die Zahlung der Diversion sei mit dem Ethikkodex der Partei vereinbar: „Alle, die ihn kennen, gestehen ihm zu, dass er eine integre Person ist.“

Das Verhalten Wögingers sei im Rahmen der „üblichen Arbeit der Mandatare“ erfolgt. Fasslabend sprach zudem von einem „Kulturwandel“ in Österreich seit den 1950er-Jahren, betonte jedoch, dass die Besetzungsproblematik historisch gewachsen sei.

Auch für Koalitionspartner kein Gesprächsbedarf
Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger und Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) verzichteten nach der Regierungs­sitzung am Mittwoch auf scharfe Kritik, betonten aber die Notwendigkeit transparenter Besetzungsverfahren. ÖVP-Finanzstaatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl erklärte die Angelegenheit für abgeschlossen, Bundeskanzler Christian Stocker zeigte sich „erleichtert“, dass Wöginger das Gericht „als unbescholtener Mann“ verlassen habe.

Ganz anders die FPÖ: Auf Facebook bezeichneten die Freiheitlichen das Urteil als „Erfolg“ für die ÖVP und kündigten an, „das letzte Urteil sprechen die Wähler“. Parteichef Herbert Kickl kritisierte die Justiz scharf und sprach von einer „Verflechtung mit den Mächtigen“.

Korruptionsexperten warnen vor „gefährlichem Signal“
Scharfe Kritik kam von Korruptionsexperten. Franz Fiedler von Transparency International Österreich warnte vor der Bagatellisierung des Falls. Martin Kreutner bezeichnete die Entscheidung im Ö1-„Morgenjournal“ als gefährliches Signal: Trotz klarer Beweislage sei der Postenschacher als Kavaliersdelikt behandelt worden. Österreichs Ansehen im Kampf gegen Korruption könnte dadurch weiter leiden.

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