Alle Angeklagten machten „Hände hoch“ zum Amtsmissbrauchs-Vorwurf und so dürfte der Mega-Prozess gegen VP-Klubobmann und zwei ranghohe VP-nahe Finanzbeamte zum kurzen Prozess werden. Denn nach der schriftlichen Verantwortungsübernahme der beiden Beamten überraschte „der schwarze Gust“ mit einem inhaltlichen Geständnis: „Es tut mir leid, was ich damals ausgelöst habe.“
„Ein unabhängiges Gericht wird urteilen“, sagte Wöginger vor dem Schwurgerichtssaal, ehe um 10.01 die Vorsitzende Richterin des Schöffensenats, Melanie Halbig, das Verfahren aufrief. Etwas mehr als eine Stunde später folgte der Antrag der Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft auf Unterbrechung. Da die Richterin nach der Verantwortungsübernahme eine Diversion in Aussicht stellte, wollen die Ankläger darüber beraten, da „es ein Grenzfall ist“.
„Damals anders Politikverständnis“
Während die beiden Hauptangeklagten auf ihre schriftlichen Eingaben verwiesen, übernahm Wöginger mündlich die Verantwortung: Es tue ihm „sehr leid“, was er ausgelöst habe und würde „es heute nicht wieder so tun“. Doch damals sei das Politikverständnis ein anderes gewesen – „das ist keine Entschuldigung, sondern eine Erklärung“. Bedeutet übersetzt, es sei üblich gewesen, sich für Parteifreunde einzusetzen. Die Bestellung des Bürgermeisters zum neuen Finanzamtschef sei ihm aber „kein wichtiges Anliegen gewesen“. „Hätte ich gewusst, was das nach sich zieht, hätte ich anders gehandelt“, meinte der VP-Klubobmann, der dann von „schweren Belastungen im beruflichen und familiären Umfeld“ durch die dreijährigen Ermittlungstätigkeiten berichtet.
„Postenschacher wird verharmlost“
Zuvor hatten die Ankläger Oberstaatsanwalt Georg Kasinger und Roland Koch im mehr als 30-minütigen Eingangsplädoyer gemeint: „Postenschacher wird verharmlost und wird als Freunderlwirtschaft verniedlicht“ und: „So viel belastendes Material gab es noch nie.“ Es wurde vorgetragen, dass Wöginger (50) als Bestimmungstäter zwei VP-Parteimitlieder – einen Gewerkschafter und den damaligen Finanzamtschef Österreichs – gedrängt haben soll, einen befreundeten VP-Bürgermeister zum Chef des Braunauer Finanzamts zu machen. Kurz zuvor war dieser in einer Bewerbung fürs Finanzamt Freistadt abgeblitzt und jenes Kommissions-Mitglied, das dafür gesorgt hatte, wurde beim Bestellungsverfahren im Innviertel ausgetauscht. Und damit unterlag jene Finanzbeamtin, die das Finanzamt seit 2016 interimistisch geleitet hatte, im Hearing. Obwohl sie objektiv die bessere Wahl gewesen wäre. Das hatte 2021 eine Klage des Bundesverwaltungsgerichts festgestellt.
Der Live-Ticker vom Prozess zum Nachlesen:
Auswirkung des Ibizia-Skandals
Durch die Chat-Protokolle des Ibiza-Skandals kamen die mutmaßlichen Mauscheleien ans Tageslicht. Wöginger habe nach der Bitte des Bürgermeisters, „ein gutes Wort einzulegen“ beim damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, interveniert. Und zwar mehrmals zwischen Dezember 2016 und Februar 2017. Laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gab es „keine sachliche Begründung für seine Unterstützung“.
Ehemaliger Generalsekretär als Kronzeuge
Thomas Schmid, der als Kronzeuge im elftägigen Prozess hätte aussagen sollen, soll daraufhin auch mit dem obersten Finanzamtschef über die Zusammensetzung der Kommission gesprochen und auch Einfluss genommen haben, dass „der Richtige“ den Top-Job bekommt. Und der Gewerkschafter habe das Vorgehen abgesegnet und ist deshalb auch angeklagt.
Als die Begutachtungskommission im Februar 2017 tagte, schrieb der 60-jährige Finanzbeamte dem damaligen Generalsekretär Schmid: „Hi! mit bauchweh- aber:“, dazu gab's ein Daumen-hoch-Emoji. Antwort von Thomas Schmid: „Mein Held!“
Schriftliche Belege im Chat
Dann schrieb Wöginger nur 53 Sekunden später: „Wir haben es geschafft :-)). Der Bürgermeister schuldet dir was!“ Wöginger war daraufhin laut Anklage „total happy“. Der damalige Finanz-Generalsekretär informierte auch seinen Vorgesetzten, den damaligen ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling, dass die „Intervention von Wöginger“ erfolgreich war.
Diversion ist möglich
Bis kurz vor Prozessbeginn hatten sich alle drei Angeklagten als nicht schuldig bekannt. Elf Prozesstage mit der Aussage von 31 Zeugen sind anberaumt worden. Doch durch die nunmehrige „Verantwortungsübernahme“ aller Angeklagten könnte es deutlich schneller gehen. Die Richterin stellte eine Diversion in Aussicht mit einem „symbolischen“ Betrag für die Privatbeteiligte, also jene Kandidatin für den Finanzamtschef-Posten in Braunau, die aus dem Weg geräumt worden war.
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