Katz-und-Maus-Spiel

Asyl beantragt: Enthüller Snowden “gesund und sicher”

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24.06.2013 16:39
China, Russland, Ecuador, womöglich Kuba: Um der US-Justiz zu entgehen, legt Edward Snowden sein Schicksal in die Hände von Ländern, die Washington misstrauisch bis feindselig gegenüberstehen. Der Enthüller des Spähprogramms PRISM baut auch auf die Hilfe von WikiLeaks, das in der Vergangenheit die USA ins Visier genommen hatte. Die Weltmacht schäumt vor Wut, US-Außenminister John Kerry warnte Moskau und Peking am Montag vor Konsequenzen. Unterdessen soll Snowden laut WikiLeaks-Chef Julian Assange in Begleitung einer Mitarbeiterin der Enthüllungsplattform "gesund und sicher" gelandet sein - wo, darüber wird derzeit noch gerätselt.

Snowden habe mit der Weitergabe von vertraulichen Informationen über die Internetüberwachung durch den US-Geheimdienst NSA sein Land "verraten", sagte Kerry am Rande eines Besuchs in Indien. Zuvor hatte das Weiße Haus die Regierung in Moskau bereits zur Zusammenarbeit gemahnt. Die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats, Caitlin Hayden, erinnerte daran, dass die US-Regierung in der Vergangenheit "zahlreiche ranghohe Kriminelle" an Russland ausgeliefert habe. Auch die Behörden in Hongkong und China habe Washington über "diplomatische Kanäle" wissen lassen, dass diese mit ihrem Verhalten dem beiderseitigen Verhältnis Schaden zufügten.

Katz-und-Maus-Spiel
Der Fall Snowden hatte sich über das Wochenende zu einem Katz-und-Maus-Spiel rund um den Globus entwickelt. Der 30-jährige Computertechniker, der als externer Mitarbeiter bei der NSA geheime Dokumente an sich gebracht hatte, versteckte sich seit Ende Mai in Hongkong. Als die US-Justiz am Freitagabend ein Strafverfahren wegen Spionage einleitete und einen Haftbefehl ausstellte, drohte Snowden in der chinesischen Sonderverwaltungszone die Auslieferung.

Die USA zogen den Pass des Flüchtigen ein, doch Snowden konnte die frühere britische Kronkolonie dennoch ungehindert verlassen. Am Sonntagnachmittag landete er mit einem Flug der russischen Airline Aeroflot in Moskau. Von dort wollte er russischen Medien zufolge über Kuba ins südamerikanische Ecuador weiterreisen, das nach eigenen Angaben einen Asylantrag Snowdens prüft.

Journalisten, die ebenfalls auf den Flug von Moskau nach Havanna gebucht waren, berichteten jedoch, dass der für Snowden reservierte Sitzplatz leer gewesen sei. Auch die russische Nachrichtenagentur Interfax meldete unter Berufung auf Sicherheitskräfte, dass der 30-Jährige nicht an Bord war. Ein Grund dafür könnte laut dem englischsprachigen Fernsehsender Russia Today sein, dass die Flugroute auch durch US-Luftraum führt. Die US-Luftraumüberwachung könnte die Maschine somit zur Landung zwingen.

Peking forcierte Ausreise "hinter den Kulissen"
Hongkong betonte indes, dass das US-Auslieferungsgesuch nicht den formalen Anforderungen entsprochen habe. Offenbar wollte aber vor allem die chinesische Zentralregierung, die großen Einfluss in der Metropole ausübt, eine Verwicklung in die heikle Snowden-Affäre vermeiden. Der Hongkonger Anwalt Albert Ho, der den US-Enthüller nach eigenen Angaben betreute, erklärte, Peking habe "hinter den Kulissen" die Ausreise Snowdens forciert.

China habe sich damit aus der Zwickmühle befreien wollen, das Verhältnis zu den USA nicht zu sehr zu belasten und gleichzeitig den Informanten nicht an die Amerikaner auszuliefern, schrieb die "New York Times" unter Berufung auf ungenannte Experten. Das Außenministerium in Peking gab sich hinsichtlich der Ausreise jedoch unwissend. "Die genauen Umstände sind uns nicht bekannt", sagte Außenamtssprecherin Hua Chunying am Montag.

Russland dreht Spieß um
Die russische Regierung schien dagegen keine Probleme damit zu haben, eine Rolle in dem Snowden-Drama zu übernehmen. Moskau ist verärgert über die ständige Kritik aus den USA beim Thema Menschenrechte - nun sieht Präsident Wladimir Putin eine Chance, den Spieß umzudrehen. Außerdem sei Snowden mit seinem Wissen über die US-Abhöraktivitäten ein gefragter Gesprächspartner für die russischen Geheimdienste, berichtete Interfax.

Snowden sieht sich selbst als Kämpfer für die Freiheit im Internet. Die Spähprogramme der Geheimdienste der USA und Großbritanniens machte er nach eigenen Angaben aus Angst vor einem Überwachungsstaat publik. Einen natürlichen Verbündeten fand er bei dieser Mission in WikiLeaks, das 2010 mit der Veröffentlichung von Hunderttausenden Geheimdokumenten des US-Militärs und der US-Diplomatie den Zorn Washingtons auf sich gezogen hatte.

WikiLeaks als Verbündeter
Die Enthüllungsplattform erklärte auf Twitter, sie habe Snowden dabei geholfen, politisches Asyl in einem "demokratischen Land" zu erhalten. Eigenen Angaben zufolge kontaktierte das WikiLeaks-Anwaltsteam um den ehemaligen spanischen Richter Baltasar Garzon die Verteidiger von Snowden. Laut WikiLeaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson griff die Plattform Snowden bei zwei Themen unter die Arme: Zum einen berieten die WikiLeaks-Anwälte das Juristen-Team um Snowden bei der Frage, in welchem Land die US-Behörden welche Zugriffsrechte haben, um eine Auslieferung von Snowden in die USA zu erreichen. Zum anderen stellten die Aktivisten Kontakte zu den Staaten her, die für ein politisches Asyl von Snowden in Frage kamen.

Sollte Snowden tatsächlich nach Ecuador weiterreisen, würde er sich damit in die gleichen Hände begeben wie WikiLeaks-Gründer Julian Assange. Assange, der in Schweden wegen einer Sexualstraftat vernommen werden soll, hat sich vor längerer Zeit in London in die ecuadorianische Botschaft geflüchtet. Die britische Regierung lässt ihn aber nicht nach Ecuador ausreisen. Die Enthüllungsplattform hatte zahllose Dokumente über die Aktivitäten von US-Geheimdienste und Diplomaten enthüllt.

Für das südamerikanische Land als Zufluchtsort spricht, dass Ecuadors Präsident Rafael Correa zu der Riege linksgerichteter lateinamerikanischer Staatschefs zählt, die regelmäßig gegen den "Imperialismus" der USA wettern.

Experte: "Snowden wäre in China sicherer gewesen"
Der deutsche Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom riet Snowden jedoch von einem Exil in Ecuador ab. Snowden wäre in China sicherer gewesen, wo ihn die dortigen Geheimdienste hätten schützen können, so Schmidt-Eenboom. Auf dem amerikanischen Kontinent müsse der Enthüller hingegen damit rechnen, von den USA entführt zu werden, glaubt der Experte.

US-Parlamentarier spottet über "Unterdrücker-Tour"
Nach Ansicht von US-Parlamentariern hat sich Snowden mit seiner Reiseroute jedenfalls als Anwalt für die Informationsfreiheit endgültig disqualifiziert. Der Republikaner Mike Rogers, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, schlug mit beißendem Spott vor, der Enthüller könne bei seiner "Unterdrücker-Tour" ja auch im Iran und in Nordkorea vorbeischauen.

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