Stimmen bloß erfunden

68-Jährige starb nach Brandstiftung: 13 Jahre Haft

Gericht
04.04.2024 18:43

Ende November loderten die Flammen in einem Wiener Wohnheim für psychisch Kranke – eine 68-Jährige erlag vor Ort einer Rauchgasvergiftung. Der Brandstifter (23) spricht von Stimmen, die ihm das Anzünden befohlen hätten. Es war alles nur gespielt, zeigt ein psychiatrisches Gutachten. Er ist sehr wohl zurechnungsfähig und muss nun 13 Jahre in Haft.

„Stellen Sie sich vor, sie sind Betreuer in einem Wohnheim. Mitten in der Nacht geht plötzlich der Feueralarm los, Sie gehen von einer Probe aus. Da steht eine Bewohnerin der Einrichtung vor Ihnen und schreit: Es brennt!“, schildert die Staatsanwältin lebhaft den Geschworenen. „Was sich für Sie jetzt wie ein schlimmer Albtraum anhört, ist für einen Wiener Betreuer und viele Bewohner tatsächlich passiert.“

 „Für eine Bewohnerin ist jede Hilfe zu spät gekommen“
In der Nacht von 26. auf den 27. November 2023 kam es in einem Wohnheim des Vereins LOK – Leben ohne Krankenhaus – im 23. Bezirk zu einem verheerenden Brand. Mit enormer Rauch- und Rußentwicklung, wie ein Sachverständiger berichtet. „Für eine Bewohnerin ist jede Hilfe zu spät gekommen“, hält die Anklägerin das traurige Schicksal einer 68-Jährigen fest. Sie starb an einer Rauchgasvergiftung.

Einmal Mord, fünfmal Mordversuch
Für den Tod gibt es laut der Staatsanwaltschaft einen Verantwortlichen: Ein 23-jähriger ehemaliger Bewohner der Einrichtung für psychisch Kranke, der in der Brandnacht eine Jacke in dem Gebäude entzündete. Im großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts muss er sich nun einer umfangreichen Mordanklage stellen – einmal vollendet, in fünf Fällen blieb es beim Versuch ...

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Sein Leben war eigentlich von Beginn an nicht einfach. Seit seiner Geburt ist er in ärztlicher beziehungsweise therapeutischer Behandlung.

Verteidigerin im Wiener Landesgericht

Warum? Der junge Wiener spricht von Stimmen, die ihm das Anzünden befohlen hätten. Seit Kinderjahren leide er unter diversen Krankheiten – Epilepsie, Autismus und später eine kombinierte Persönlichkeitsstörung. „Sein Leben war eigentlich von Beginn an nicht einfach. Seit seiner Geburt ist er in ärztlicher beziehungsweise therapeutischer Behandlung.“ Dazu kamen im Jugendalter Alkohol, Drogen und schließlich habe er Stimmen gehört. 

Unzurechnungsfähigkeit nur gespielt?
Für Beobachter scheint alles für eine Unzurechnungsfähigkeit zu sprechen. Der Experte, Psychiater Peter Hofmann, hält in seinem Gutachten aber fest. Trotz Persönlichkeitsstörung hätte der 23-Jährige genau gewusst, was er tat, als er die Jacke in dem Wohnheim anzündete. Er sei sehr wohl zurechnungsfähig, die Stimmen eine reine Schutzbehauptung. Die Version hält er auch vor dem Richter aufrecht.

Also bleibt auch für die Staatsanwältin weiter die Frage nach dem Warum: „Wenn es nicht die Stimmen waren, fragen Sie sich sicher zurecht, was ist denn dann das Motiv“, richtet sie sich an die Geschworenen – „Ich hab darauf momentan noch keine zufriedenstellende Antwort.“

Innere Stimmen als Schutzbehauptung bewertet
Die Stimmen waren es auf jedenfalls nicht, obwohl Gerichtspsychiater Peter Hofmann einräumt: „Ich stelle nicht in Abrede, dass der Angeklagte zwischendurch hin und wieder Stimmen hört. Was ich sagen will, ist, dass es keine schizophrene Entwicklung gibt.“ Vielmehr könne es sich um Halluzinationen nach übermäßigem Alkoholkonsum handeln – seit er 15 Jahre alt ist, trinkt der vierfach Vorbestrafte regelmäßig. Das mache ihn aber laut Hofmann nicht unzurechnungsfähig. Wegen seiner „komplexen Gesamtstörung“ sei er aber gefährlich, ein Unterbringungsfall. 

Und dem folgen die Geschworenen: Zwar verneinen sie die Mordvorwürfe, befinden den 23-Jährigen allerdings als zurechnungsfähig. Wegen Brandstiftung mit Todesfolge fasst er 13 Jahre im Gefängnis aus, zusätzlich auch eine Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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