Richter-Befangenheit

„Das gibt es sonst nur noch in Russland“

Politik
05.03.2024 07:30

Nach dem Falschaussage-Prozess gegen Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) fordern Ex-Minister und Anwälte: Richter sollten nicht selbst über ihre Befangenheit entscheiden.

Die Welle der Empörung rund um die mögliche Befangenheit von Richter Michael Radasztics im Kurz-Prozess ließe sich künftig verhindern. Dafür wäre eine Gesetzesnovelle nötig. Das Problem: In Österreich entscheidet der Strafrichter über Befangenheitsanträge gegen sich selbst. „Neben Österreich dürfen in Europa nur noch in Russland die Richter selber über sogenannte substanziierte Ablehnungsanträge entscheiden“, kritisiert Ex-Justizminister und Anwalt Dieter Böhmdorfer.

Grasser ruft Gerichtshof für Menschenrechte an
„Dieses Prozedere ist wirklich nicht optimal“, analysiert auch Gerhard Jarosch, ehemaliger Staatsanwalt, und erklärt weiter: „Der Gesetzgeber hat diesen Weg gewählt, um Prozesse nicht in die Länge zu ziehen. Wenn ein Antrag auf Ausschließung eines Richters etwa vom Oberlandesgericht entschieden wird, muss der Prozess unterbrochen werden“, so Jarosch. Nicht nur Ex-Kanzler Kurz, sondern auch Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser kennt die Misere. Letzterer will das Gesetz beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kippen und hat dort eine Beschwerde eingebracht.

Richter Michael Radasztics lehnte im Prozess gegen Sebastian Kurz den Befangenheitsantrag gegen ...
Richter Michael Radasztics lehnte im Prozess gegen Sebastian Kurz den Befangenheitsantrag gegen sich selbst ab.(Bild: Tomschi Peter)

Gleich zweimal war Grasser in seinem Verfahren rund um den Buwog-Skandal mit einer möglichen Befangenheit konfrontiert. Der Ehemann von Richterin Marion Hohenecker wünschte Grasser in den sozialen Medien baldige Strafhaft und Belästigung durch den Sexualstraftäter Josef Fritzl.

Disziplinarstrafe gegen Mann von Grasser-Richterin
Hoheneckers Ehemann ist selbst Richter und erhielt wegen der Äußerungen eine sehr hohe Disziplinarstrafe. Die Richterin selbst ortete keine Befangenheit, nur weil ihr Mann seine Aversion gegenüber Grasser öffentlich geäußert hatte. Auch beim Referenten am Verfassungsgerichtshof, der Grassers Beschwerde bearbeitete, soll der Anschein der Befangenheit bestehen.

Spitzenanwalt Norbert Wess fordert daher ebenfalls eine Änderung der Judikatur. „Ein - allenfalls - befangener Richter kann wohl schwer subjektiv über seinen eigenen objektiven Anschein der Befangenheit entscheiden. Interessanterweise ist das auch im Zivilrecht anders geregelt. Nur nicht im Strafrecht.“

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