Fakt oder Fake?

Foren-Mythen: „Gentherapie“ und „Notfallzulassung“

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17.02.2024 15:00

Im zweiten Teil unserer Reihe rund um Verschwörungsmythen in Bezug auf Corona beschäftigen wir uns mit den Impfungen. Gerade dieses Thema ließ und lässt immer noch die Wogen hochgehen, Stichwort Impfpflicht. Diese wurde in Österreich zwar Anfang 2022 beschlossen, trat aber nie in Kraft. Dennoch kursieren gerade dazu viele falsche Behauptungen, etwa, dass diese laut Verfassungsgerichtshof nicht verfassungskonform gewesen sei. Wir wollen uns im Folgenden zunächst einmal mit der Frage nach der Art der Impfungen beschäftigen.

Eine Aussage in Verbindung damit ist folgende:

Zitat Icon

Behauptung: Die Corona-Schutzimpfungen sind keine richtigen Impfungen, sondern eine „Gentherapie“ und wurden mit einer „Notfallzulassung“ durchgeboxt!

 

Grundsätzliches zu den Corona-Schutzimpfungen
Arten und Funktionsweisen von Impfstoffen

Wir haben hier die vier am häufigsten auftretenden Behauptungen zusammengeführt und wollen nun einzeln auf diese eingehen. Eingangs müssen wir dafür aber ein paar grundlegende Fakten zu den Corona-Impfungen klarstellen. Es ist zu betonen, dass sich über die Jahre hinweg, in denen wir mit Corona konfrontiert sind, natürlich auch auf diesem Teilgebiet einiges getan hat. So wird die Entwicklung der Coronavirus-Varianten laufend überwacht und die Impfstoffe werden entsprechend angepasst. In Österreich wurden verschiedene Arten von COVID-19-Impfstoffen verwendet. Die neuartigen mRNA-Impfstoffe sorgten dabei für besonders große Aufregung, da diese im Zuge zur Erforschung von Corona erst zugelassen wurden.

Im Zusammenhang mit Impfungen ist zunächst mal wichtig zu klären, wie diese generell funktionieren: Bei einer Impfung wird das Immunsystem des Körpers dafür trainiert, sich gegen bestimmte Krankheitserreger oder deren Gifte zu verteidigen. Dazu verabreicht man einen abgeschwächten oder toten Erreger, der das Immunsystem dazu anregt, spezifische Abwehrstoffe zu bilden. Dadurch lernt der Körper, wie er mit diesem Erreger umzugehen hat, wenn er später tatsächlich mit ihm in Kontakt kommt und kann ihn schneller und effektiver abwehren. Diesen Ablauf nennt man „aktive Immunisierung“. Während einige Impfungen nur einmal im Leben verabreicht werden müssen, um ihren Schutz zu entfalten, müssen anderen in regelmäßigen Zeitabständen aufgefrischt werden.

(Bild: EVA MANHART)
  • Lebendimpfstoffe: In ihnen sind Erreger enthalten, deren schädliche Eigenschaften entfernt wurden. Bisher gibt es keinen Corona-Impfstoff dieser Art.
  • Totimpfstoffe: Diese enthalten inaktivierte Viren, die keine Krankheit mehr auslösen können, aber das Immunsystem zur Bildung von Antikörpern anregen. Ein Beispiel ist der Impfstoff der Firma Valneva.
  • Vektorimpfstoffe: Hier wird der genetische Bauplan für den Bestandteil des Virus, in diesem Fall das Spike-Protein des Coronavirus, in harmlose Trägerviren („Vektoren”) eingebaut, die dann injiziert werden. Sie übertragen den DNA-Bauplan in den Zellkern. Innerhalb der Zelle wird die DNA in mRNA umgeschrieben, die dann als Vorlage für die Produktion der Spike-Proteine dient. Diese werden dann zur Zelloberfläche transportiert und sind somit für die Immunzellen erkennbar, wodurch das Immunsystem aktiviert wird und Antikörper gegen das Spike-Protein produziert. Corona-Impfstoffe dieser Art gibt es von AstraZeneca und Johnson&Johnson.
  • mRNA-Impfstoffe (Boten-RNA-Impfstoffe): Auch hier werden nur ausgewählte Virusgene in Form von Nukleinsäuren genutzt, die den menschlichen Zellen als Bauanleitung, in diesem Fall für das Spike-Protein, dienen. Wie auch bei Vektorimpfstoffen produzieren die Körperzellen dieses Protein nach der Impfung, was eine Immunreaktion auslöst. Sie unterscheiden sich von den Vektorimpfstoffen hauptsächlich in der Art des Bauplans (DNA bei Vektorimpfstoffen, mRNA bei mRNA-Impfstoffen) und bei der Umhüllung (Adenovirushüllen bei Vektorimpfstoffen, Fetthülle bei mRNA-Impfstoffen). Hier sind BioNTech/Pfizer und Moderna zu nennen.
  • Proteinbasierte Impfstoffe: Diese Impfstoffe enthalten direkt das Spike-Protein oder Teile davon und lösen so eine Immunreaktion aus. In diese Kategorie fällt der Impfstoff von Novavax.
Aktuelle Impf-Empfehlung

Seit Mai 2023 dominieren bezüglich Corona weltweit die Omikron-Virusvariante XBB.1 und ihre Sublinien. Dagegen wurden die XBB.1.5-angepassten Impfstoffe von BioNTech/Pfizer, Novavax und Moderna entwickelt. Es handelt sich also um monovalente Impfstoffe; das bedeutet, dass sie nur die Antigene oder Toxine eines einzigen Krankheitserregers oder eines Subtyps eines Erregers enthalten. Sie bieten sowohl vor älteren Varianten Schutz als auch vor der nun vorherrschenden Subvariante, und sind EU-weit zugelassen.

Seit Herbst 2023 ist, unabhängig von der Zahl der vorausgegangenen Impfungen oder Infektionen, für eine Grundimmunisierung eine einmalige Impfung mit diesem angepassten Impfstoff ausreichend. Auch eine Auffrischungsimpfung ist mit diesem Impfstoff möglich, aber nicht zwingend erforderlich. Personen mit starkem Immundefizit benötigen spezielle Impfpläne. Zusätzliche Impfungen könnten je nach individuellen Bedürfnissen erforderlich sein. Möglich ist eine Impfung je nach Zulassung der einzelnen Impfstoffe ab dem sechsten Lebensmonat (BioNTech/Pfizer ab sechs Monaten, Moderna ab dem vollendeten 30. Lebensjahr, Novavax ab dem vollendeten 12. Lebensjahr).

Empfohlen wird eine Impfung Personen über 60 Jahren, Schwangeren und Personal im Gesundheitswesen. Besonders anzuraten ist die Impfung außerdem Personen mit chronischen oder schweren Erkrankungen und mit Immundefekten und sämtlichen damit zusammenhängenden Krankheitsbildern. Auch onkologischen Patientinnen und Patienten, Übergewichtigen, Personen mit Triosomie 21, Menschen mit Behinderungen und Menschen, die in Alten- und Pflegeheimen betreut werden, wird eine Impfung dringend nahegelegt. Ist man von Long COVID betroffen, benötigt man dahingehend eine individuelle Betreuung.

(Bild: stock.adobe.com - Peter Atkins)
Was steckt hinter der Behauptung

Um das herauszufinden, müssen wir die einzelnen Teile der Aussagen genauer unter die Lupe nehmen. Fest steht, dass diese und ähnliche im Netz nach wie vor präsent sind und von unterschiedlichen Agitatoren und Agitatorinnen weiterverbreitet werden. Sie beruhen zumeist auf Ängsten, besonders vor neuen Technologien wie jener der mRNA, auf Missverständnissen in der Kommunikation, aber auch auf klarer Desinformation.

(Bild: thodonal - stock.adobe.com)
Behauptung eins
„Die Corona-Schutzimpfungen sind keine richtigen Impfungen, sondern eine Gentherapie“

In anderen Worten möchte man damit ausdrücken, dass insbesondere die mRNA-Impfstoffe zu Veränderungen in den Genen der Geimpften führen. Wie diese Impfstoffe funktionieren, wurde bereits weiter oben dargestellt. Die Befürchtung einer „Manipulation unserer Gene“ ist diesbezüglich aus folgenden Gründen wissenschaftlich unbegründet:

  • Chemische Struktur
    Die Informationen der RNA können allein aufgrund der unterschiedlichen chemischen Struktur der beiden nicht in die menschliche DNA eingebaut werden.
  • Lage der DNA
    Außerdem befindet sich die DNA im Zellkern, während die Botenmoleküle nur ins Zellplasma wandern. Dort werden sie abgelesen und rasch abgebaut. Es ist daher absolut ausgeschlossen, dass es unsere DNA durch die Impfung beeinflusst wird. Genauso wie es ausgeschlossen ist, durch die Impfung die Erkrankung zu bekommen, denn die Corona-Eiweiße selbst können die Krankheit nicht auslösen.
(Bild: vitstudio/stock.adobe.com)
Behauptung zwei
„Die neuartigen Impfstoffe wurden mit einer Notfallzulassung durchgeboxt“

Bei einer Notfallzulassung in diesem Zusammenhang handelt sich um eine Ausnahmeregelung, die es ermöglicht, Impfstoffe einzusetzen, obwohl längere Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit noch fehlen. Damit zusammenhängend ist eine gewisse Unsicherheit der Präparate bis hin zu einer Gefährlichkeit zu verorten. Das ist jedoch nicht korrekt. Auch bei einer Notfallzulassung müssen nämlich strenge Sicherheitsstandards eingehalten und die Impfstoffe weiterhin gründlich geprüft werden. Allerdings sind die erforderlichen Daten in diesem Fall weniger detailliert. Zudem sind folgende Punkte zu beachten:

  • Situation in der EU
    Es gab tatsächlich Anträge auf Notfallzulassungen von Corona-Impfungen, denen stattgegeben wurden. Allerdings nicht in der EU, sondern beispielsweise in den USA oder in China. In Österreich war das demnach nicht der Fall.
  • Bedingte Marktzulassung
    In Europa setzte man vielmehr auf eine bedingte Marktzulassung. Bei einer solchen finden umfassendere Prüfungen statt. Darüber hinaus tragen die Herstellenden mehr Verantwortung für die Sicherheit des jeweiligen Präparats. 
  • Rolling-Review-Verfahren
    Zudem galten Rolling-Review-Verfahren, bei denen statt ganz am Ende noch während der Entwicklung eines Mittels neue Erkenntnisse dazu geprüft werden. Solch ein Verfahren ist dadurch zeitsparend, aber deshalb nicht unsicherer. 
  • EMA-Zulassungsverfahren
    Außerdem ist zu bedenken, dass die mRNA-Technologie nicht vollständig neu ist, sondern seit mehr als drei Jahrzehnten etwa in puncto Impfungen gegen Tollwut oder für Krebstherapien beforscht wird. Corona wirkte dafür nur als Beschleuniger. Die bei uns verwendeten Impfstoffe haben jedenfalls ein vollständiges Zulassungsverfahren der Europäischen Arzneimittel-Agentur durchlaufen. 
  (Bild: AP)
 
Conclusio zur Behauptung

Wie auch bei unserem ersten Teil zu Corona-Mythen ist hier zu beobachten, dass solche Aussagen entweder komplett falsch sind oder nur zum Teil stimmen. Die Corona-Schutzimpfung verändert jedenfalls nicht unsere Gene und Notfallzulassungen gab es bei uns auch keine. Es zeigt sich einmal mehr, dass manche Menschen neuen Verfahren, besonders in der Medizin, mit großer Skepsis, Sorgen und Ängsten gegenübertreten. Skepsis ist generell nichts Schlechtes und Sorgen und Ängste können berechtigt sein. Lassen diese allerdings keinen vernünftigen Zugang zu Tatsachen mehr zu, wird es kritisch.

Sie haben nun zu diesen beiden Teilbehauptungen genug Material in der Hand, um dagegen zu argumentieren. Im nächsten Teil der Reihe werden wir uns dann noch einmal genauer mit Fake News rund um den Nutzen der Impfungen beschäftigen. 

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