Neue Untersuchungen

Ist die Einkommensschere nur ein Mythos?

Österreich
05.04.2012 11:44
Die Zahlen klingen zunächst einmal beeindruckend. Mit dem "Equal Pay Day" prangern Frauenrechtlerinnen an, dass ihre Geschlechtsgenossinnen 25,5 Prozent weniger verdienen als Männer. Bis zum 5. April hätten sie also quasi gratis gearbeitet. Doch neueste Erhebungen sprechen nun eine andere Sprache. Die lange als fix betrachtete Schere zwischen den Geschlechtern existiert so vielleicht gar nicht.

"Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!" Mit diesem einleuchtenden Slogan zieht das Austro-Netzwerk "Business & Professional Women" in den Kampf um Gehaltsgerechtigkeit. Die Organisation veranstaltet seit 2009 den "Equal Pay Day". Laut Statistik Austria verdienen Frauen um 25,5 Prozent weniger als Männer. Anders ausgedrückt könnte man sagen, dass Frauen das erste Jahresviertel kostenlos arbeiten. Und genau diese Marke war am Donnerstag erreicht. Ein symbolträchtiger Tag.

Eine schreiende Ungerechtigkeit, so könnte man meinen. Doch wenn man das Thema nüchtern betrachtet und mit neuesten Zahlen unterlegt, dann kommen Zweifel auf, ob es bei uns wirklich so unfair zugeht.

"Unterschiede sind vernachlässigend gering"
"Die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen sind vernachlässigend gering", sagt Anna Maria Hochhauser, Generalsekretärin der Wirtschaftskammer Österreich. "Die Lohnschere tritt vor allem deshalb auf, weil man Äpfel nicht mit Äpfeln, sondern mit Birnen vergleicht." Hochhauser hat neueste Zahlen vorliegen, die durch das seit Juli 2011 geltende Gesetz zur Einkommenstransparenz erstmals erhoben werden konnten. Große Unternehmen ab 1.000 Mitarbeiter müssen seitdem ihre gezahlten Gehälter aufschlüsseln.

Und die Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache. "Die behaupteten Lohnunterschiede gibt es nicht. Das kann aber auch nicht verwundern, denn es gibt ja auch keine unterschiedlichen Kollektivverträge für Männer und Frauen", so die WKÖ-Frau.

Vor allem ein statistisches Problem?
Das Hauptproblem: Der "Equal Pay Day" vergleicht einfach die Durchschnittseinkommen von Männern und Frauen. Dabei berücksichtigt er aber keine strukturellen Unterschiede, zum Beispiel, dass die Geschlechter oft in völlig verschiedenen Branchen arbeiten. Auch regionale Unterschiede, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit und Qualifikation finden hier keinen Niederschlag.

Wenn man diese Faktoren aber miteinrechnet, schrumpft der Unterschied auf einmal deutlich. Und auch für diese - nunmehr "bereinigte" - Lücke gibt es laut WKÖ-Frau Hochhauser zumeist triftige Gründe. "Männer legen zum Beispiel mehr Wert auf ein hohes Gehalt und verhandeln dementsprechend. Frauen hingegen setzen auf andere Faktoren, beispielsweise auf das Betriebsklima und die Vermeidung von Überstunden. Das schlägt sich dann natürlich auch im Gehalt nieder."

Schwangerschaft und Kinderbetreuung als Hemmschuh
Also alles nur Hysterie von Frauengruppen? Nicht ganz. Denn zum einen ist es nach wie vor Fakt, dass typische "Frauenbranchen" oft schlechter bezahlen. Und zum anderen wirken sich auch Schwangerschaft und Kinderbetreuung immer noch negativ auf Karrierechancen samt Gehaltsaussichten aus. Diese letzten Lücken muss nun die Politik schließen. Bis es so weit ist, muss der "Equal Pay Day" weiter gefeiert werden, aber an einem ganz anderen Datum. Wenn es nach den Berechnungen renommierter internationaler und österreichischer Forscher geht, dann in der zweiten Jännerhälfte.

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