Krise bewältigen

Auch die Psyche braucht im Notfall Erste Hilfe

Gesund
09.10.2023 06:30

Zeuge eines Unfalls? Opfer einer Katastrophe? Vom Partner betrogen worden? Den Arbeitsplatz verloren? Die Auslöser einer psychischen Krise sind vielfältig. Eine Expertin vom Roten Kreuz erklärt Strategien, wie man Betroffene im Notfall unterstützen kann. 

Pflaster, Verband, Heilsalbe: Passiert ein Malheur, wissen wir zumeist ganz gut, was zu tun ist. Auch bei gröberen Verletzungen oder Unfällen sind zumindest minimale Erste-Hilfe-Kenntnisse vorhanden. Aber was tun, wenn man jemandem in einer psychischen Krise beistehen muss?

Unfallzeugen stehen oft unter Schock
Anlässe gibt es leider genug: Tod oder nahender Tod eines Angehörigen, Trennung, Scheidung, eine schlechte medizinische Diagnose, Katastrophe, Jobverlust. Auch Unfallzeugen können sich in einer psychischen Schocksituation befinden. Deshalb ist es wichtig, dass man als Ersthelfer informiert ist, was Menschen im Ausnahmezustand brauchen.

„Wichtig ist zu wissen, auf welche Anzeichen man achten muss. Viele meinen, dass sich Betroffene offensichtlich bemerkbar machen, laut und gestresst reagieren. Aber - wie übrigens auch in physischen Ausnahmesituationen - brauchen oft die ruhigeren Menschen ganz besonders Hilfestellung.

Das heißt natürlich nicht, dass man den lauten nicht oder erst danach helfen soll, aber eben all die anderen nicht übersehen darf“, erklärt Prof. Dr. Barbara Juen, Leiterin der psychosozialen Dienste beim Österreichischen Roten Kreuz anlässlich des Welttages der psychischen Gesundheit, der am 10. Oktober stattfindet.

Als einfache Anleitung für rasches Eingreifen gelten die drei „L“: Look, Listen und Link, also Hinschauen, Zuhören und Hilfe vermitteln.

  • Beim Hinschauen geht es darum, eine Stress- bzw. Krisensituation als solche zu erkennen.
  • Als Nächstes sollte man durch Zuhören und Beobachten herausfinden, was genau das Problem ist und was die Person braucht.
  • Im dritten Schritt wird eine Lösung erarbeitet. Wenn möglich, die betroffene Person in diesen Prozess einbinden. Dringend anstehende Probleme sollten so schnell wie möglich angegangen werden. Wenn das nicht absehbar ist, sollte man sie an eine Stelle vermitteln, wo ihr weitergeholfen werden kann.

„Primär geht es darum, bedürfnisorientiert zu handeln, das heißt, herauszufinden, was jemand gerade jetzt im Moment braucht. Das kann zum Beispiel sein, Sicherheit zu vermitteln, zu signalisieren, dass man da ist, die Person nicht allein lässt und sie sich auf den Helfer verlassen kann.“ Hier kommt es bisweilen zu einem Missverständnis, das zwar gut gemeint ist, jemanden in einer psychischen Ausnahmesituation aber überfordert: Man bietet ihm unterschiedliche Lösungen an, erzählt vielleicht von sich und wie man selber schon durch schwere Zeiten kam, bringt Beispiele wie „wieder alles gut wird“.

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In der Akutsituation nicht Zukunftslösungen anbieten, sondern den Handlungsbedarf hier und jetzt erheben.

(Bild: ÖRK/Markus Hechenberger)

Prof. Dr. Barbara Juen, Leiterin der psychosozialen Dienste beim Österreichischen Roten Kreuz

Im Akutfall benötigen Betroffene aber häufig zunächst einen psychischen „Blitzableiter“, wollen nur, dass ihnen jemand zuhört, sie ernst nimmt. In dieser Phase haben sie noch gar keine Kraft, an Lösungen zu arbeiten. Je schlechter es dem Gegenüber geht, umso kürzer die Planungsphasen. Nach dem Prinzip: „Wir überstehen jetzt einmal die nächsten Stunden, und dann sehen wir weiter.“

Beratung & Chat

Das Jugendrotkreuz bietet Unterstützung, etwa durch das Projekt „time4friends“. Es handelt sich um eine Peer-to-Peer-Beratung - das bedeutet, dass ausgebildete Personen Gleichaltrigen zur Seite stehen. Diese sogenannten Peers sind in diesem Fall Jugendliche im Alter von 15 bis 18 Jahren, die anderen Jugendlichen Rat bieten, und das von 18 bis 22 Uhr.

In diesem Zeitraum haben sie in Zweier- oder Dreierteams täglich unter 0664/107 01 44 ein offenes Ohr für deren Anliegen. Die Kommunikation erfolgt schriftlich über den Nachrichtendienst WhatsApp. Alle Beratungsgespräche sind anonym und kostenfrei.

Das ist für Betroffene am wichtigsten und bringt auch nach und nach das Selbstbewusstsein zurück, dass man das Problem bewältigen kann. Dr. Juen: „Beim Roten Kreuz haben wir dafür einen Merksatz, der heißt: ,MIT dem anderen handeln und nicht FÜR ihn‘. Etwa sich überlegen, wie kann ich die Umgebung gestalten, dass es günstig und beruhigend auf ihn wirkt. Oder ob es Sinn macht, noch jemanden dazuzuholen. Aber eben nach Absprache mit dem Betroffenen.“

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