Immer wieder ist die Rede davon, dass soziale Medien ein toxisches Umfeld im Kampf gegen den Klimawandel geschaffen haben. Aber Social Media von vornherein als „Klima-Killer“ und Befeuerer von Fake News zu verteufeln, sei nicht der richtige Ansatz, ist die Wissenschaftlerin Hannah Metzler der Meinung. Denn: „Social Media macht gesellschaftliche Konflikte sichtbar, ist aber nicht die Ursache.“
Auf Social Media kann jeder frei seine Meinungen äußern und Informationen publizieren, ob faktisch richtig oder nicht. „Jetzt ziehen empörende, polarisierende Inhalte natürlich viel eher Aufmerksamkeit an, als es eine nuancierte, wissenschaftliche Stellungnahme tut“, so Metzler, die am Complexity Science Hub (CSH) in Wien arbeitet.
Das wissen auch Agenturen, Politiker und Produzenten von Fake News und nutzen es, um emotionsgeladene, hetzerische Inhalte zu erstellen, die um die Aufmerksamkeit buhlen und in digitalen und sozialen Medien geteilt werden sollen. Glücklicherweise glauben Menschen nicht unkritisch jeglichen Informationen, die ihnen begegnen.
Alles auf die ‘bösen sozialen Medien‘ zu schieben, ist eine sehr bequeme Lösung. Wir müssen uns die Wurzeln des Problems anschauen und die liegen in unserer Gesellschaft.
Kognitionspsychologin Hannah Metzler
Menschen grundsätzlich skeptisch
„Starke Emotionen bedeuten nicht automatisch, dass wir von Fake News überrollt werden, dass Menschen einer Botschaft glauben und sie teilen“, so die österreichische Kognitionspsychologin. Menschen seien grundsätzlich sehr skeptisch und überprüften, ob etwas zu ihrer eigenen Weltanschauung passt. „Wenn Menschen in Postings beispielsweise wütend auf eine Fehlinformation über den Klimawandel reagieren, dann muss ich zuerst herausfinden, ob sie wütend sind, weil das eine Falschinformation ist, oder ob sie wütend sind, weil sie die Falschinformation glauben.“
Allgemein können Emotionen wie Wut auch motivieren, sich in Sachen Klimaschutz zu engagieren. „Wut ist eine sehr aktivierende Emotion“, so die Forscherin, „die sagt, ich muss gegen eine Ungerechtigkeit da draußen etwas tun.“
Die Expertin für Emotionen rund um die Verbreitung von Falschinformationen in sozialen Medien hat kürzlich federführend zu einem Bericht des Stockholm Resilience Centre über Klima-Fehlinformationen beigetragen. Der Klimawandel sei ein gutes Beispiel, das sehr einleuchtend einen Prozess zeigt, der immer rund um die Verbreitung von Falschinformationen passiert: Es bilden sich bestimmte soziale Gruppen, die stark die Meinung jener Menschen beeinflussen, die sich mit einer Gruppe identifizieren.
Es geht ums recht haben
Das bedeutet laut Metzler konkret, dass es auf der einen Seite Menschen gebe, die dächten, wir täten nicht genug und müssten dringend handeln, egal was es koste, und auf der anderen Seite gebe es die Leugner und Skeptiker. „Es verfestigen sich extreme Positionen, die nicht mehr sehr viel mit pragmatischen Dingen zu tun haben, wie etwa: Wie lösen wir den Klimawandel, während wir gleichzeitig schauen, dass es den Menschen und der Wirtschaft gut geht?“, erklärt die Forscherin: „Die Fakten gehen da ein wenig unter; es geht ums recht haben.“
Soziale Medien nicht Wurzel des Problems
In Social Media deshalb den alleinigen Sündenbock zu suchen, hält Metzler allerdings für den falschen Weg, denn Plattformen wie Twitter, Facebook, Instagram seien nicht die Ursache dieser Dynamik. „Alles auf die ‘bösen sozialen Medien‘ zu schieben, ist eine sehr bequeme Lösung. Wir müssen uns die Wurzeln des Problems anschauen und die liegen in unserer Gesellschaft. Es sind nicht die Algorithmen, die solche Debatten anstoßen. Die Debatten gibt es ohnehin. Wir haben eine Polarisierung rund um bestimmte Themen und Social Media macht die schlicht und einfach sichtbar und verstärkt dadurch die gefühlte Polarisierung.“
Die Psychologin zeigt sich auch skeptisch gegenüber dem Mythos der Echokammer. Der sogenannte Echokammer-Effekt beschreibt die Theorie, dass es durch den verstärkten virtuellen Umgang mit Gleichgesinnten in sozialen Netzwerken zu einer Verengung der Weltsicht kommt, weil man nicht mit anderen Meinungen konfrontiert wird. Aber die Forschung lege nahe, dass vielleicht das Gegenteil der Fall ist, so Metzler.
„Die wenigen Untersuchungen, die es zu Echokammern online und offline gibt, sprechen eher dafür, dass die Echokammern offline, also in unserem Arbeits- und Freundeskreis, noch stärker sind als in den sozialen Medien. Das bedeutet, dass wir erst durch Social Media auch anderen Meinungen ausgesetzt sind, und dadurch entstehen Konflikte.“
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.