Streit mit Cameron
Sarkozy: “Chance verpasst, den Mund zu halten”
Wie die britische Tageszeitung "The Telegraph" am Montag berichtete, kam es nach Angaben von EU-Diplomaten im Streit um die richtige Strategie zur Rettung der Euro-Zone zwischen Sarkozy und Cameron zu einem ruppigen Wortwechsel. Demnach schnauzte der französische Staatschef sein Gegenüber an: "Wir haben es satt, dass du uns kritisierst und sagst, was wir tun sollen. Ihr sagt, dass ihr den Euro hasst, ihr wolltet nicht beitreten - und jetzt wollt ihr euch in unsere Treffen einmischen."
Zankapfel Banken-Rekapitalisierung
Die geplante bessere Kapitalausstattung für systemrelevante große europäische Banken ist seit Längerem Gegenstand von hitzigen Beratungen sowohl im Rahmen der Euro-Zone als auch der gesamten EU. Großbritannien hat mehrmals vor Alleingängen der 17 Euro-Länder gewarnt und verlangt, dass auch alle Staaten der Union, die nicht Mitglieder der Euro-Zone sind, am - angeblich - entscheidenden Treffen zur Euro-Rettung am Mittwoch in Brüssel teilnehmen können.
"Chance verpasst, Mund zu halten"
Sarkozy habe am Wochenende die britischen Einmischversuche im Zuge der Banken-Rekapitalisierung mehrmals mit harschen Worten abwehrt, berichtete am Montag auch die britische Nachrichtengentur PA. Am Sonntag hätte Frankreichs Präsident auf den erneut von Cameron vorgebrachten Wunsch nach mehr Mitspracherecht dann sogar entnervt geantwortet: "Du hast eine gute Chance verpasst, den Mund zu halten." Cameron wiederum verwies laut PA darauf, dass es sehr wohl im Interesse aller EU-Staaten sei, "einen starken und gesunden Euro zu haben". Das gelte auch für Großbritannien, immerhin gingen 40 Prozent der britischen Exporte in die Euro-Zone. Sicherheitshalber fügte der Premier aber hinzu: "Wir haben keine Absicht, der Euro-Zone beizutreten."
Miese Stimmung unter den EU-Granden
Überhaupt scheint der EU-Krisengipfel vom Sonntag in der Sitzung der Staats- und Regierungschefs offenbar mehr Krisenstimmung gebracht zu haben, als die - verkrampft zuversichtlichen - öffentlichen Verlautbarungen nach dem Treffen vermuten lassen. So berichtete Polens Regierungschef Donald Tusk, derzeit amtierender EU-Ratsvorsitzender, laut EU-Diplomaten von "dramatischen" Redebeiträgen in der Diskussion. Demnach sei jedem klar, dass in den kommenden Tagen über das Schicksal Europas entschieden werde. "Manche sagten, wirtschaftlich gesehen würden einige Länder untergehen, wenn wir keine raschen Entscheidungen fällen", soll Tusk gesagt haben.
Kritik an Rolle des deutschen Bundestags
Mehr oder weniger verklausuliert zeigten die Staats- und Regierungschefs auch mit spitzem Finger auf die Schwierigkeiten der deutschen Bundekanzlerin Angela Merkel. Die Sonderrolle des deutschen Parlaments, dessen Haushaltsausschuss über die Leitlinien zum aktuellen Euro-Rettungsschirm EFSF entscheiden muss, sorgt für Verständnislosigkeit in anderen EU-Staaten. So kritisierte Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker am Sonntag im Nachrichtenmagazin "Spiegel", dass der Bundestag notwendige schnelle Entscheidungen in der Krise behindere. Und auch der geschäftsführende belgische Regierungschef Yves Leterme bezeichnete die deutsche Situation als "nicht ideal".
Öffentlich demonstrierte Zuversicht
Vor der Öffentlichkeit waren am EU-Gipfel hingegen positive Meldungen angesagt: Sarkozy und Merkel bemühten sich in einer gemeinsamen Pressekonferenz vor allem darum, den Eindruck zu zerstreuen, es gebe Streit zwischen Berlin und Paris. "Frankreich und Deutschland sprechen mit einer Stimme", sagte Sarkozy. Zugleich versprach er: "Am Mittwoch wird es eine Einigung geben, welche die Finanzkrise eindämmt." Auch sein "Gegenspieler" Cameron verbreitete demonstrativ Optimismus: "Wir sehen, dass die Bestandteile eines umfassenden Paketes zusammenkommen."
Fünf Mega-Punkte harren der Lösung
Nun wollen die Granden der EU-Staaten am Mittwoch beim nächsten Gipfelgespräch ein Paket schnüren, das Europa nachhaltig aus der Schulden- und Bankenkrise herausführen kann. Wie EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy zum Abschluss des Gipfels am Sonntagabend erklärte, müssten fünf umfangreiche Punkte im Detail behandelt gelöst werden: ein entschiedenes Handeln aller Regierungen für tragfähige Finanzen und Wachstumsförderung, eine tragfähige Lösung für Griechenland, eine ausreichende "Firewall" gegen eine Ansteckungsgefahr durch einen flexibleren Euro-Rettungsschirm EFSF, die Banken-Rekapitalisierung sowie eine besser Steuerung der Euro-Zone.
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