Die Kardinalfehler

Todesserie: So gefährlich ist Arbeiten im Wald

Steiermark
20.01.2023 11:01

Gefühlt vergeht kein Tag mehr, ohne dass in der Steiermark ein Forstunfall gemeldet wird. 2021 gab es in unserem Bundesland sieben Todesopfer, heuer im Jänner bereits zwei!

Der Eindruck, dass nahezu täglich etwas passiert, wird durch die Statistik unterstrichen. Denn im Jahr 2021 - aus dem die letzten offiziellen Aufzeichnungen datieren - wurden in Österreich 1153 Forst-Verletzte verzeichnet. 301 Verletzte und ein ganzes Drittel der 21 Todesopfer entfiel dabei auf die Steiermark (gesamt, AUVA und alle anderen Versicherungen).

Die 2022er-Bilanz dürfte, so befürchten es jene, die sich auskennen, noch drastischer werden. Denn: „Nach Katastrophen gehen die Unfallzahlen sprunghaft hinauf“, weiß Martin Krondorfer, Leiter der Forstlichen Ausbildungsstätte Pichl. „Und im Vorjahr hatten wir ja eine massive.“

Am 18. August, als der Sturm mit bis zu 139 Sachen durch die Landschaft fegte, mit einer Wucht, die massive Stämme wie die berühmten Zahnstocher knickte, Äste zu Wurfgeschoßen werden ließ, Schneisen der Verwüstung zog. Und so für 400.000 Festmeter Windwurf sorgte. Damit sich der Laie etwas darunter vorstellen kann: Mit dieser Menge ließen sich 4000 Häuser bauen.

Damit waren eben auch viele Steirer im Wald beschäftigt, ein großer Teil ist jetzt erst bei den Aufräumarbeiten (siehe Interview unten). Viele sind nicht geübt, helfen nur mit. Können Gefahren nicht einschätzen.

Krondorfer: „Verspannte Stämme sind die am meisten unterschätzte, am wenigsten vorhersehbare Gefahr; sie sind Auslöser für die meisten Unfälle. Die schnellen mit einer Wucht hoch, die Tonnen entspricht. Wenn einem so eine Gewalt gegen Kopf oder Brustkorb prallt, dann geht das selten gut aus.“ Fallende Äste und Kronen gehörten zu den Unfallauslösern Nummer zwei.

Auch Profis sollten ihr Wissen auffrischen
Was aber kann man gegen die Gefahren tun? Krondorfer: „An der Ausrüstung liegt es nicht, im Gegensatz zu vor ein paar Jahren verfügt heute fast jeder über ein g’scheites Gewand, auf das die Industrie auch reagiert hat. Es ist nicht mehr so klobig wie früher. Aber: Das Schulungsangebot wird nicht voll ausgeschöpft. Die sollten nicht nur Anfänger machen, auch Profis, mindestens alle fünf Jahre. Damit Gewohnheit nicht zur zusätzlichen Gefahr wird.“

Martin Krondorfer, Chef der Aussbildungsstätte Pichl, im Interview

Herr Krondorfer, warum finden die meisten Waldarbeiten eigentlich im Winter statt? Warum gerade in der kalten Jahreszeit?
Das hat rein pragmatische Gründe: Weil so viele nicht reine Waldbesitzer, sondern auch Bauern sind, die landwirtschaftliche Flächen zu bearbeiten haben. In der kalten Saison ist da naturgemäß weniger zu tun. 80 Prozent des Waldbesitzes ist in der Steiermark ja in privater Hand.

Wie war das Vorjahr aus Sicht des Forstexperten?
Kein besonders gutes. Es war zu trocken, der Borkenkäfer war massiv unterwegs, dazu kam immer wieder Windwurf, der am 18. August in einen dramatischen Höhepunkt gipfelte.

Zitat Icon

Waldarbeit ist Teamarbeit, sollte zumindest zu zweit durchgeführt werden.

Martin Krondorfer

Sie monieren, dass nicht genügend Leute, die im Wald arbeiten, auch entsprechende Fachkenntnis haben.
Ja, da ist noch Luft nach oben, auch für Profis. Das Gefährliche am Waldarbeiten ist, dass man nicht alles zu 100 Prozent einschätzen kann. Schulungen helfen aber sicher, Risiken zu minimieren. Und ihr Wissen sollten auch jene auffrischen, die schon ewig die Säge in der Hand halten; die Gewohnheit ist bekanntlich ein Hund.

Wie hoch ist die Akzeptanz bei der Schutzausrüstung?
Das hat sich sehr eingebürgert, es geht eigentlich kaum noch wer ohne Helm, passendes Schuhwerk und schützende Kleidung zu einer Arbeit, die potenziell riskant ist.

Was ist ein Kardinalfehler beim Waldarbeiten?
Dass immer noch viele alleine unterwegs sind! Waldarbeit ist Teamarbeit, sollte zumindest zu zweit durchgeführt werden. Auch damit einer im Ernstfall Hilfe holen kann und Verletzte, was immer wieder vorkommt, nicht stundenlang hilflos verharren müssen. Ein Handy ist keine Garantie. Nur wer bei Bewusstsein ist und dazu kommt, kann es bedienen, es gibt auch Funklöcher.

Wie begehrt sind Ihre Kurse in Pichl?
Die Teilnehmerzahl ist sehr gestiegen. Mittlerweile bieten wir 100 im Jahr an, die 1000 Interessierte besuchen.

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