Kampfpreis-Kompakter

MG4: Toller Billig-Stromer – auf den ersten Blick

Motor
11.01.2023 10:00

Seine Optik ist so aggressiv wie der Preis: Der MG4 bietet vordergründig Ähnliches wie ein VW ID.3, ein Renault Megane E-Tech oder ein Cupra Born, allerdings zu einem deutlich geringeren Tarif. Ob man hier viel Auto fürs Geld bekommt oder am falschen Ende spart, erfahren Sie hier im Video!

(Bild: kmm)

32.990 Euro für ein kompaktes Elektroauto mit einer Armada an Assistenzsystemen und auch sonst einigem an Ausstattungsdetails - da kann man durchaus schwach werden. Zumal der MG4 mit seinem an Lamborghini erinnernden Design auch optisch viel zu bieten hat.

(Bild: Stephan Schätzl)

Im Vergleich zum Platzhirschen VW ID.3 relativ breit (1,84 Meter) und relativ flach (1,50 Meter hoch), aber mit weniger Radstand (2,70 Meter) ist am Format nichts auszusetzen.

Skalierbare Plattform
Der MG4 ist die erste Baureihe, die auf der Elektroauto-Platform des SAIC-Konzerns aufbaut. Naheliegend, dass sich die Chinesen - die in ihrer Heimat auch Volkswagen-Modelle fertigen - bei den Wolfsburgern genauer hingeschaut haben. Die Modular Scalable Platform erlaubt Radstände bis 3,10 Meter, da ist also auch in größeren Klassen einiges zu erwarten.

Blitzsaubere Technik, feines Fahren
Auch was die Fahrzeugtechnik angeht, gibt sich der MG4 keine Blöße. Fünflenker-Hinterachse, Scheibenbremsen rundum, ein 150 kW/204 PS starker Elektromotor, der die Hinterachse antreibt, was soll da schon schiefgehen?

Nichts, wenn es ums Fahren geht. Die Fahrleistungen sind okay, der ohne Fahrer knapp 1,7 Tonnen wiegende Kompakte schafft den Sprint von 0 auf 100 in 7,9 Sekunden, bei 160 km/h wird abgeregelt.

Der Chinese (MG gehört zum SAIC-Konzern) liegt gut, aber nicht unkomfortabel, lenkt gut ein und vermittelt mit angenehmem Lenkwiderstand unvergleichlich mehr Gefühl für die Fahrbahn als etwa ein MG ZS oder ein MG EHS. Kurvige Landstraßen bereiten durchwegs Freude, wenn sie nicht allzu holprig sind und das Fahrwerk zum Dröhnen bringen. Selbst durch forsch gefahrene Kurven zieht der MG mit nur geringer Neigung zum Untersteuern.

(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)

Sogar echte Spaßfahrer können auf ihre Kosten kommen (jedenfalls auf nasser Straße), denn das ESP ist abschaltbar. Ist es aktiv, regelt es wohlwollend und hält die Zügel nicht zu straff. Die Drive-by-Wire-Bremse von Continental beherrscht das unauffällige Verteilen der Bremskraft aus Rekuperation und Scheibenbremse. Unnötig: Das Bremsgefühl ändert sich mit dem Fahrmodus.

Rekuperationsstufen muss man übers Menü statt über Lenkradpaddles anwählen, das ist unpraktisch. Es gibt keinen Segelmodus und auch ein One-Pedal-Fahren ist nicht möglich. Inwiefern der adaptive Rekuperationsmodus adaptiv sein soll, hat sich im Test nicht erschlossen.

Passabler Innenraum
Im Innenraum geht es beengter zu als im VW ID.3, aber luftiger als etwa im Renault Megane. Mit beiden gemeinsam hat der MG4, dass der MG4 trotz elektrospezifischer Plattform keinen Frunk (= Frontkofferraum) hat. Ins Gepäckabteil passen je nach Ausführung 363 bis 1177 Liter oder 350/1165 Liter. Die Heckklappe lässt sich auch gegen Aufpreis nicht elektrisch öffnen.

Auf der Rückbank überrascht der MG mit guter Kopffreiheit, aber es dürfte gerne mehr Platz für die Knie sein. Auf dem Fahrersitz stört die Mittelkonsole am Knie.

Die Anmutung im Innenraum geht angesichts des Preises in Ordnung. Die Materialien sind zwar nicht gerade die hochwertigsten, aber es ist durchaus auch geschäumter, nicht nur harter Kunststoff zu finden. Alles wirkt karg bis aufgeräumt. Aus dem Armaturenbrett ragt eine „schwebende“ Mittelkonsole heraus, darunter befinden sich zwei Cupholder und ein abdeckbares Ablagefach. Die induktive Ladefläche auf dieser Konsole ist nutzlos, weil das Handy in jeder Kurve runterrutscht. Aber da Apple CarPlay/AndroidAuto ohnehin nicht kabellos funktioniert, ist das nicht weiter tragisch.

Hinter dem Lenkrad sitzt ein informatives, aber überladenes Sieben-Zoll-Display, der zentrale Bildschirm ist ein 10,25-Zoll-Touchscreen in einem etwas billig wirkenden Rahmen. 

(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)

Großes Manko: Alles Elektronische
Die Darstellung am Zentraldisplay ist auf den ersten Blick angenehm und gestochen scharf. Bei genauerer Betrachtung sind aber die Schriften und Schaltflächen meist zu klein. Zudem ist die Menüführung verworren und wenig bedienfreundlich, die Menüpunkte teilweise schlecht übersetzt. Offenbar war kein Deutsch-Muttersprachler an der Einrichtung beteiligt.

Die Sprachbedienung funktioniert im Stand passabel, während der Fahrt versteht das System jedoch kaum etwas. Und die Software ist insgesamt weit entfernt von ausgereift. So ist z.B. einmal das Navigationssystem komplett ausgefallen. Auch die Heizung funktioniert sehr unzuverlässig. Zu derlei Problemen bitte das Video (oben) ansehen.

Völlig unausgereifte Assistenten
Dass der „MG Pilot“, der Spurhalteassistent, Radartempomat, Lenkassistent usw. beinhaltet, serienmäßig ist, klingt gut. Aber mehr auch nicht. Denn tatsächlich sind die Funktionen teils nutzlos, teils sogar gefährlich. Der Lenkassistent funktioniert mehr schlecht als recht, wohingegen der Spurhalteassistent sogar gefährlich ist. Er greift extrem aggressiv ein und schlägt auf gerader Strecke relativ oft überraschend einen Haken zur Seite. Im Test konnte mehrmals eine Kollision mit einer Leitplanke oder einem parallel fahrenden Auto verhindert werden. Mehr auch zu diesem Thema im Video.

Aber: MG gelobt Besserung und will ein Update bringen, das zum Zeitpunkt der Testfahrten allerdings noch nicht verfügbar war. Wenn es so weit ist, muss das Auto fürs Update in die Werkstatt.

Auch von einfachen Assistenten wie etwa der Rückfahrkamera darf man sich nicht viel erwarten. Das Bild ist stark verzerrt und wenig informativ. Auch von den Rundumkameras hat man nicht viel.

(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)

E-Auto-spezifische Qualitäten
Geladen wird mit 11 kW Wechselstrom oder 135 kW Gleichstrom, wobei sich der Ladevorgang per App überwachen lässt. Schnellladen von 10 auf 80 Prozent dauert offiziell 35 Minuten, manchmal geht es sogar schneller.

Das Navigationssystem zeigt Ladestationen an und ist auch in der Lage zu filtern. So kann man etwa alle Ladepunkte bis einschließlich 50 kW Leistung ausblenden. Was bleibt, sind dann also wirklich schnelle Lademöglichkeiten. Nicht möglich ist es, sich eine Reiseroute mit passenden Ladestopps zu planen. Auch ein automatisches Vorkonditionieren der Batterie ist nicht vorgesehen. Man kann die Batterieheizung aber im Menü manuell aktivieren.

Die Reichweite war im Test bei Temperaturen um den Gefrierpunkt ziemlich mäßig. Der Akku des Testwagens hat eine Kapazität von 64 kWh brutto, was für eine WLTP-Reichweite von 435 Kilometer reichen soll. In der Realität waren es nicht einmal 250 Kilometer. Wie viel man tatsächlich gerade verbraucht, ist zum Teil schwer festzustellen: Der Durchschnittsverbrauch wird am Display nur bis 29,8 kWh/100 km angezeigt. 

Die Preise
Das Basismodell hat zwar einiges an Ausstattung an Bord, aber wesentliche Dinge wie z.B. die Sitzheizung sind nur in der Topausstattung Luxury erhältlich (dort sogar serienmäßig). Daher wird für die meisten Käufer wohl auch nur diese infrage kommen. Dabei reden wir dann von einem Kaufpreis von 38.990 Euro. Abzüglich Förderung. Da kommen dann noch maximal 650 Euro für eine Sonderlackfarbe dazu (Testfahrzeug: Fizzy Orange), oder 1000 Euro für ein helles Interieur. Ansonsten gibt es keine Extras, auf keinem der drei Ausstattungsniveaus. 

Beim Luxury sind dann auch Schmankerl dabei wie die Wärmepumpe, das volle Assistenzpaket mit Querverkehrswarner usw. und sogar Vehicle-to-Load-Kabel. Der MG4 kann also z.B. ein E-Bike laden.

Das Basismodell namens Standard um 32.990 Euro hat auch eine schwächere Batterie und einen schwächeren Motor. Die Batterie fasst nur 51 kWh brutto und lädt auch langsamer, der Motor hat zwar das gleiche Drehmoment, aber nur 125 kW, also 170 PS. Der MG4 Comfort hat dann schon das starke Batterie/Motor-Paket und mehr Ausstattung und kostet 36.990 Euro.

Die beiden Batterien sind übrigens gleich groß. Der Unterschied ist, dass die schwächere eine Lithium-Eisen-Phosphat-Batterie ist, und die stärkere eine Nickel-Kobalt-Mangan.

Fahrzit
Der MG4 könnte ein gutes Auto sein, ist er aber nicht. Die Hardware ist in Ordnung, Fahren, Handling, alles gut. Dass es weder LED-Matrix-Scheinwerfer noch Zweizonen-Klimaautomatik gibt, ist in dieser Preisklasse absolut zu verschmerzen. Die unzuverlässige Elektronik, die konfuse Bedienung und die grenzwertigen Assistenzsysteme verhindern aber alles, was Richtung Kaufempfehlung geht. Das kann sich aber schnell ändern - wenn MG nachbessert.

Warum?
Fährt sich gut
Heckantrieb mit abschaltbarem ESP
Interessante Optik

Warum nicht?
Unausgereifte Assistenten
Unzuverlässige Elektronik

Oder vielleicht …
… Cupra Born, VW ID.3, Renault Megane E-Tech, Smart #1, Opel Astra Electric

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(Bild: kmm)



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