Der Letzte seiner Art

Honda Civic Type R: Böse, aber auch richtig gut

Motor
06.12.2022 10:38

„I see you shiver with anticipation“, begann Honda-Mann Kotaro Yamamoto seine Präsentation über den Honda Civic Type R an der Rennstrecke von Estoril in Portugal. Und tatsächlich: Die versammelte Handvoll Journalisten freute sich wie kleine Kinder, bevor die Mama die Zimmer zum Wohnzimmer öffnet, in dem der Christbaum steht. Und sie wurden nicht enttäuscht, so viel sei vorweg verraten.

(Bild: kmm)

Das Eingangszitat kennt man vom grellen Dr. Frank-N-Furter alias Tim Curry aus der Rocky Horror Picture Show, seine unfreiwilligen Gäste Brad und Janet zittern allerdings in Wahrheit nicht gerade vor Vorfreude …

Böse für die Ewigkeit
Ein bisschen böse ist auch der Type R: Statt des braven Vollhybrid-Antriebs arbeitet unter der modifizierten Aluminium-Motorhaube der optimierte Zweiliter-VTEC-Vierzylinder, der nun 329 PS (plus neun) leistet und bereits ab 2200 Touren satte 420 Nm (plus 20) in Richtung Vorderräder schickt. Schneller, als das Zitat im Original dauert, beschleunigt der heiße Japaner auf Tempo 100 (5,4 Sekunden), mit einem Höchsttempo von 275 km/h schlägt er alle anderen aktuellen Fronttriebler.

Der Motorklang passt zur Performance. Komponiert wird er aus Klappenauspuff und Resonanzrohren (deshalb die drei Auspuffendrohre) sowie im sportlichsten Modus per zugespieltem Sound. Trotzdem klingt es zu keiner Zeit künstlich.

Sollte sich jemand Sorgen um die Standfestigkeit machen: Bei Honda muss jeder Motor, bevor er in der Serie eingesetzt wird, ein mörderisches Testprogramm durchlaufen: 600 Stunden Volllast am Prüfstand. Das entspricht im Fall des Civic Type R mehr als 165.000 Kilometer durchgehend Vollgas.

Zart geschärft statt stark geschminkt
Optisch zeigt sich der böse Zug vor allem in Form einer Lufthutze auf der Fronthaube, durch fette Kotflügelverbreiterungen sowie einen feststehenden, optional aus Carbon gefertigten Heckspoiler. Der Wagen fällt auf, trägt aber kein derart übertriebenes Lametta wie der Vorgänger, den der aktuelle Type R um 15 Millimeter in der Breite (1,89 m) sowie in der Länge (4,59 m) um 37 mm überbietet. Zudem ist er 19 mm flacher und der Radstand wuchs um 35 mm auf 2,73 Meter. Die Proportionen sind also deutlich dynamischer geraten.

Die sportlichen Insignien haben alle eine Funktion. Die dicken Backen beherbergen nun Michelin Pilot Sport 4S im Format 265/30 R19 statt 245/30 R20, die vorderen senken mit Luftauslässen den Druck in den Radkästen, Spoiler & Co stemmen sich mit insgesamt 90 Kilogramm gegen den Auftrieb, wodurch der Type R bei 200 km/h auf einen tatsächlichen Abtrieb von rund 50 kg kommt.

Und so fährt dich der neue Honda Civic Type R
Kurz gesagt: präzise, gutmütig und schnell. Es ist erstaunlich, mit wie wenig Antriebseinflüssen in der Lenkung der Type R wie viel Kraft auf die Straße bringt. Selbst Hinterrad- und Allradantriebsfetischisten werden sich hier wohlfühlen. Der Type R lenkt blitzschnell ein, zudem vermittelt die direkte Lenkung ein sehr verbindliches Gefühl für die Fahrbahn, gibt präzise Rückmeldung. Das ist besser als in vielen doppelt so teuren Autos.

Die Hardware der Lenkung mit Doppelachsen-Vorderradaufhängung entspricht im Wesentlichen dem Vorgängermodell, allerdings werden nun steifere untere Querlenker verwendet. Außerdem kann nun ein steiferer Torsionsstab verwendet werden, weil die Sensoren und die Software, die durch die Messung der Torsionsverformung das Lenkmoment erkennen, nun feiner arbeiten.

Das serienmäßige adaptive Sportfahrwerk lässt den Civic satt auf der Straße liegen. Im Zusammenspiel mit den breiteren Reifen und der verbreiterten Spur (vorn +26, hinten +30 mm) sind noch höhere Kurvengeschwindigkeiten möglich, obwohl der neue Civic Type R mit 1405 kg ein immerhin 100 kg höheres Leergewicht auf die Straße bringt. Beim Herausbeschleunigen sorgt das serienmäßige Sperrdifferenzial für beeindruckende Kraftübertragung.

Aber auch die Dämpferregelung trägt dazu bei: Beim Tritt aufs Gaspedal verhärten sich die hinteren Dämpfer und stemmen sich dadurch dem Einsinken entgegen, wodurch mehr Gewicht auf den Vorderrädern bleibt, was wiederum bessere Traktion zur Folge hat.

Auch im Grenzbereich bleibt der Civic Type R gut beherrschbar, sein Verhalten ist vorhersehbar und grundsätzlich gutmütig. Da kann auch mal das Heck kommen - eher, als dass er untersteuert.

Das schon beim Vorgänger praktisch perfekte manuelle Sechsganggetriebe gewann nochmals an Geschmeidigkeit, dadurch dass die Kanten der Schaltgassen geglättet wurden. Die Gänge rasten nach kurzen Schaltwegen präzise ein, ein Fest für Freunde klassischen Autofahrens.

Die Brembo-Bremsanlage mit zweiteiligen, schwimmend gelagerten Bremsscheiben stammt aus dem Vorgängermodell, allerdings wurden die Bremsleitungen überarbeitet und ein neuer Hauptbremszylinder eingesetzt. Dadurch hat man die Temperaturen besser im Griff. Nach fünf Runden auf der Rennstrecke sind die Bremsen 60 Grad kühler als bei der vorigen Generation, sagt Honda. Bei den Testfahrten in Estoril bewiesen sie erstaunliche Standfestigkeit. Allein dass Honda die Autos im kompletten Serienzustand halbstundenweise auf die Strecke gelassen hat (und nicht nur zwei Runden am Stück), zeugt von immensem Vertrauen in die Ingenieurskunst.

Perfekter Arbeitsplatz
Die knallroten Schalensitze mit Velourskunstleder-Polsterung im Honda Civic Type R tragen ihren Teil dazu bei, dass man hochpräzise fahren kann, denn sie bieten gigantischen Seitenhalt. Die Sitzposition ist 8 mm tiefer als früher, die Sicht jedoch besser. Auch nach hinten: Der Heckspoiler liegt auf Höhe der Heckscheibenoberkante.

Auch das dicke Alcantara-Lenkrad ist ein Genuss.

Das Cockpit ist natürlich digital und bietet verschiedene Ansichten, der zentrale Touchscreen wirkt etwas zu aufgesetzt, was seiner Funktion aber keinen Abbruch tut. Die Klimaanlage lässt sich über ein Extra-Panel mit Drehreglern bedienen.

Serienmäßig an Bord ist die LogR 2.0 App, die nun ins Infotainmentsystem integriert ist. Sie bietet nicht nur Zeitnahme/Rundenzeiten (auf Rennstrecken auch automatisch), sondern einerseits im Performance Monitor die Überwachung von zwölf Fahrzeugparametern, andererseits die Scoring-Funktion, mit der Fahrer ihr Fahrverhalten überprüfen und verbessern. Man kann auch eine Kameras anschließen und seine Runden mit eingeblendeten Fahrwerten aufzeichnen.

Ab 59.900 Euro ist der Honda Civic Type R zu haben, was einen satten Aufschlag zum Vorgänger bedeutet. Immerhin ist praktisch Vollausstattung an Bord. Rot ist aufpreisfrei, Schwarz, Grau und Blau kosten 800, Weiß 1000 Euro. Ein Carbonpaket um 4000 Euro und ein Lichtpaket stehen auch noch in der Aufpreisliste. Alles andere ist serienmäßig (bis hin zum Lenkassistenten) oder gar nicht erhältlich (etwa Matrix-Scheinwerfer).

Fahrzit:
Beim ambitionierten Fahren fühlt sich der neue Honda Civic Type R an wie eine Art Erweiterung des eigenen Körpers, so gut harmoniert das Fahrzeug mit dem Fahrer. Durch Kurven zirkelt man fast automatisch mit höchster Präzision. Frank-N-Furter wollte sich den perfekten Menschen als Sexgespielen erschaffen. Honda hingegen ist es immerhin gelungen ein perfektes Tool zu kreieren - für „autoerotische“ Erlebnisse.

Warum?
Phantastisches Fahrverhalten
Design weniger aufdringlich als früher

Warum nicht?
Wer Frontantrieb nicht mag, sollte den Type R trotzdem ausprobieren.

Oder vielleicht …
… VW Golf R, Renault Megane R.S., Audi RS3, Ford Focus ST X

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(Bild: kmm)



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