Von Nazis vertrieben

Erika Freeman am Hofburg-Balkon: „Rache an Hitler“

Österreich
07.11.2022 14:07

NS-Vertriebene Erika Freeman hat am Montag persönliche Dokumente und Erinnerungsstücke dem Haus der Geschichte Österreich (hdgö) in Wien als Schenkung übergeben. Anschließend durfte die renommierte Psychoanalytikerin den Altan der Neuen Burg betreten, auf dem Adolf Hitler 1938 den „Anschluss“ an das Deutsche Reich verkündete. Es sei ihre „Rache an Hitler“, hieß es im Vorfeld. „Eine jüdische Rache, kein Blut, nur Freude, Freiheit und Hoffnung“, betonte Freeman.

Als Jüdin musste Erika Freeman als Kinder von den Nationalsozialisten fliehen. „Die haben gehofft, sie werden uns nie mehr wiedersehen“, sagte Freeman, aber „jetzt stehe ich da“, lächelte die 95-Jährige, die seit heuer neben der amerikanischen auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt - und von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht hat, wie sie bei dem Medientermin am Montag erzählte. Der Altan ist auch als „Hitler-Balkon“ bekannt. „Jetzt gehört der Balkon nicht mehr zu ihm“, so Freeman. Auf diesem stehe nun „die junge 95-jährige Dame, Jüdin, überlebt, zurückgekommen und liebt noch das Land.“

„Wenn sich die Menschen ändern, ändert sich das Land“
„Man kann ein Land noch lieben, auch wenn es dich hasst“, sagte Freeman. „Das ist uns passiert. Aber das Land ist die Menschen. Und wenn sich die Menschen ändern, ändert sich das Land. Die Frage ist nur, ob man will.“ Der Balkon sei „ein schöner Ort“. Freeman sprach sich dafür aus, ihn der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wofür sich das hdgö seit längerem einsetzt. „So ein schöner Ort. Man entsorgt diese Schönheit nicht.“

Über jenen Tag im März 1938, als Hitler vor Tausenden begeisterter Österreicher am Heldenplatz sprach, sagte Freeman: „Er hat sehr laut geschrien. Man braucht nicht viel sagen, wenn man schreit. Man meint dann, dieser jemand hat etwas Wichtiges zu sagen - das ist aber nicht wahr. Wenn man schreit, weißt du genau, dass es nicht wichtig ist.“ Man solle auf die stillen Stimmen hören. Und: „Mach dich nicht wichtig, mach dich nützlich, dann bist du wichtig.“

Aktionswoche gegen Antisemitismus
Freeman, begleitet von Margit Fischer („meine Heimatgeberin“), übergab dem Museum mehrere Zeugnisse, darunter den Nazi-Pass mit rotem J für Jüdin wie auch den österreichischen und das Ticket der Holland-Amerika-Linie, die sie im Februar 1940 von Rotterdam nach New York brachte. Für das Haus sei dies „ein ganz besonderer Moment“, betonte Direktorin Monika Sommer. Die Überreichung fand anlässlich der Aktionswoche gegen Antisemitismus auf der Ausstellungsfläche „Hitler entsorgen - vom Keller ins Museum“ statt.

„Ich bin in Wien geboren, sie haben aber nicht zugelassen, lange Wienerin zu bleiben“, erzählte Freeman. Ihre Mutter konnte sich vor den Nazis verstecken, kam aber bei einer Bombardierung 1945 wenige Wochen vor Kriegsende ums Leben, der Vater flüchtete aus dem KZ Theresienstadt. Freeman wurde Psychoanalytikerin berühmter Persönlichkeiten. Im hohen Alter näherte sie sich ihrem Geburtsort wieder an.

„Hass ist nicht gesund“
„Wir dürfen nicht vergessen, dass die Kinder viel von uns lernen“, mahnt sie. „Auch hassen. Und Hass ist nicht gesund.“ Zugleich sprach sich Freeman für Optimismus aus, auch wenn viele die Weltlage derzeit pessimistisch betrachten würden. „Wenn du etwas als schlecht empfindest, schau, ob das Licht irgendwo ist“, sagte sie. „Wenn du nur Mehl und Wasser hast, dann hast du schon Brot.“

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