Prozess nach Raub

Gutachten falsch: Tiroler war unzurechnungsfähig

Tirol
20.07.2022 06:00

Im Jahr 2020 versuchte ein 16-jähriger Tiroler mit einem Messer einen Supermarkt in Westendorf auszurauben. Nun stellte sich heraus: Er war bereits damals psychisch krank - und das Gutachten falsch!

Welch großen Einfluss die Einschätzungen von Sachverständigen haben und wie fatal eine Fehlentscheidung sein kann, zeigt der Fall eines heute volljährigen Tirolers, der im August 2020 versuchte, einen Supermarkt auszurauben. Er hielt einer Kassiererin ein Messer vor und forderte sie auf, Geld in einen Sack zu geben – sonst steche er sie ab.

Der Gutachter bei der damaligen Verhandlung kam zu dem Schluss, dass der Jugendliche zwar gefährlich, aber zurechnungsfähig war. Deshalb erging eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher plus Schuldspruch.

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Ich verstehe das Gutachten von damals nicht.

Die heutige Gutachterin

Neues Gutachten kam zu einem anderen Schluss
Der junge Mann verhielt sich auch dort aggressiv, attackierte Pfleger und Beamte. Der Verteidiger forderte eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Begründung: Sein Mandant sei keineswegs zurechnungsfähig gewesen.

Eine langgediente Primaria erstellte ein neues psychiatrisches Gutachten: Der damals 16-Jährige litt und leidet noch immer an starker, bisher nicht therapierbarer Schizophrenie. Er hört Stimmen, sieht Würmer, glaubt, andere Menschen würden ihn oder seine Eltern töten wollen. Aus ihrer Sicht handele es sich bei den Attacken wohl um Notwehr in „panischer Todesangst“.

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Es ist ein Skandal, dass sich herausstellt, dass das erste Gutachten nicht einmal das Papier wert ist, auf dem es steht.

Der Verteidiger

Für den Verteidiger ist das alte Gutachten ein Skandal
Den Eltern fielen Veränderung im Verhalten des Sohnes auf, als dieser rund 13 Jahre alt war: roboterähnliche Bewegungen, Selbstgespräche, Halluzinationen. Mit zwölf hatte er begonnen, Alkohol und andere, illegale Drogen zu konsumieren. Die Erkrankung entwickelte sich laut der Gutachterin vermutlich durch den Drogenkonsum in diesem jungen Alter.

Für den Verteidiger ist das erste Gutachten, das nicht einmal das Papier, auf dem es steht, wert sei, „ein Skandal“. Er spricht von einer juristischen Hilflosigkeit, in der er und die Eltern sich befunden hätten. Hätte sich der Gutachter alle Unterlagen genau angesehen, hätte er zu einem anderen Ergebnis kommen müssen. Die Folge: Zwei Jahre lang sei sein Mandant nicht richtig behandelt worden.

Nun liegen rechtskräftig alle Voraussetzungen für die Einweisung vor. Womöglich kann der Mann in der Einrichtung bleiben, in der er jetzt ist. Der Richter zeigt Mitgefühl und wendet sich an den Vater: „Wir hoffen alle, dass es dem Herrn irgendwann besser geht.“

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